Kragenhai
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Kragenhai | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Chlamydoselachus anguineus | ||||||||||||
Garman, 1884 |
Der Kragenhai (Chlamydoselachus anguineus), auch Krausenhai oder Schlangenhai, ist die einzige Art aus der Familie der Kragenhaie (Chlamydoselachidae). Er ist hinsichtlich seiner Anatomie und Morphologie der altertümlichste rezente Hai.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Beschreibung
Der Kragenhai hat zahlreiche Merkmale, die ihn von den übrigen Haien der Gegenwart, darunter auch seinen nächsten lebenden Verwandten, den Sechskiemerhaien (Hexanchidae), unterscheiden. Der braunfarbene, aalartig langgezogene Körper des Kragenhais erreicht eine Länge von bis zu zwei Metern. Die Augenöffnungen sind groß, eine Nickhaut fehlt. Anders als bei den übrigen Haien der Gegenwart mit unterständigem Maul ist das stumpfe Maul des Kragenhais beinahe endständig, bildet also kein Rostrum. Das Maul ist sehr groß und reicht über mehr als die Hälfte des Schädels. Es kann weit geöffnet werden. Die etwa 300 Zähne sind in 25 Reihen angeordnet, 13 im Oberkiefer und 12 im Unterkiefer. Die Morphologie der Zähne ist kennzeichnend für die Art, denn die Zahnkrone wird von drei etwa gleichlangen, schlanken, zurückgebogenen Spitzen gebildet. An der Zahnbasis können kleinere Spitzen entwickelt sein. Die Scheidewände der sechs Paar Kiemenspalten (bei fast allen übrigen Plattenkiemern inklusive der paläozoischen Formen sind es fünf) schauen halskrausenartig hervor, daher rührt der deutsche Name (Trivialname) „Krausenhai“. Das erste Kiemenpaar ist auf der Bauchseite (ventral) miteinander verbunden und hat einen kragenartige Deckhaut („Kragenhai“). Eine richtige Gelenkung zwischen Oberkiefer und Hirnschädel fehlt. Die breiten Bauchflossen sind klein und setzen in einem sehr stumpfen Winkel am Rumpf an. Die Basis der einzigen Rückenflosse liegt oberhalb der Afterflosse und damit ungewöhnlich weit zurück. Die Schwanzflosse ist, da die Chorda dorsalis, anders als bei den übrigen rezenten Haien in Richtung Körperende (kaudal) nahezu gerade verläuft, nur andeutungsweise heterocerk (ungleichlappig) gestaltet. Ihre Asymmetrie, die für die Schwanzflosse der meisten Haie kennzeichnend ist, entsteht durch die Vergrößerung des unteren Flossensaums. Die Chorda dorsalis ist kaum gegliedert. Das Begattungsorgan des männlichen Kragenhais, das Pterygopodium, ist deutlich einfacher gebaut als das der übrigen Plattenkiemer und besteht lediglich aus zwei stabförmigen Elementen. Der Darm ist spiralig ausgebildet. Die bei vielen Knorpelfischen ausgebildeten Hautzähne (Placoidschuppen) sind beim Kragenhai entlang des offenen Seitenlinienorgans verlängert.
[Bearbeiten] Lebensweise
Der Kragenhai lebt am Boden der Tiefsee (Bathyal) an den Kontinental- und Inselhängen, gewöhnlich in einer Tiefe zwischen 120 und 1280 Metern. Seine Nahrung besteht, soweit bekannt, hauptsächlich aus Tintenfischen und anderen Kopffüßern, daneben auch aus Tiefsse-Knochenfischen (Kubota et al. 1991). Die Form der Zähne wie auch die zurückversetzte Position der meisten Flossen lassen ein schlangenähnliches Zustoßen auf die Beute vermuten. Wie bei allen Haien erfolgt auch beim Kragenhai eine innere Befruchtung. Die Art ist wie die meisten Knorpelfische ovovivipar, die Embryonen schließen also ihre Entwicklung bereits im Mutterleib ab und werden lebend geboren. Die Entwicklungszeit der 2 bis 12 Jungen dauert etwa zwei Jahre, nach einer japanischen Studie (Tanaka et al. 1990) sogar mindestens 3,5 Jahre. Falls weitere Untersuchungen dies bestätigen, wäre dies die längste bekannte Tragzeit bei einem Wirbeltier, beinahe doppelt so lange wie beim Afrikanischen Elefanten.
In der Regel bekommt der Mensch Kragenhaie nur zufällig als Beifang der Fischerei zu Gesicht und die Tiere sind dann zumeist bereits tot. Am 23. Januar 2007 konnte jedoch ein lebendes Exemplar, ein Weibchen von 1,60 Meter Länge, vor der Küste der japanischen Hauptinsel Honshū gefangen werden. Im Becken eines Aquazoos gelangen Wissenschaftlern einzigartige Filmaufnahmen von dem Tier, das jedoch bereits nach wenigen Stunden starb.
Der Kragenhai gilt als relativ selten, und hat daher nur eine unwesentliche Bedeutung im kommerziellen Fischfang.
[Bearbeiten] Verbreitung
Der erste Fang eines Kragenhais erfolgte 1870 in in der Bucht von Tokio, später wurde die Art an verschiedenen Stellen der Nord- und Südhalbkugel der Erde gefangen, so dass eine weltweite Verbreitung anzunehmen ist.
[Bearbeiten] Stammesgeschichte
Kragenhaie stehen im System der Haie, dem über 400 rezente Arten angehören, aufgrund ihrer vielen Sondermerkmale etwas isoliert. Während jedoch die aalähnliche Gestalt oder die Anzahl der Kiemenspalten nicht eindeutig als ursprüngliche Merkmale gelten können, sind andere artspezifische Besonderheiten wie z. B. das fehlende Rostrum, das einfach gebaute Pterygopodium, die nicht-heterozerke Schwanzflosse, seine kaum gegliederte Chorda dorsalis und die cladodoten Zähne unzweifelhaft primitiv.
Es besteht keine Klarheit, ob man den Kragenhai als Angehörigen der paläo- oder mesozoischen Protoselachii oder der (primitiven) modernen Haie und Rochen (Euselachii) betrachten soll. Zwar bemerkte bereits Samuel Walton Garman (1843-1927), der Erstbeschreiber der Art, die Ähnlichkeit zwischen den Zähnen des Kragenhais und denen paläozoischer Protoselachier wie Cladodus (daher wird der Kragenhai auch zu den „cladodonten“ Haien gerechnet), doch sind diese Formen nur durch wenige isolierte Zahnfunde bekannt, so dass eine sichere Zuordnung zu einer der fossilen Gruppen nicht möglich ist. Daher kann die Frage, ob es sich beim Kragenhai um ein „lebendes Fossil“ handelt, nicht eindeutig beantwortet werden, doch steht die Art zweifellos für einen Seitenzweig der Plattenkiemer, der aus einer frühen Abspaltung hervorgegangen ist.
[Bearbeiten] Fossile Kragenhaie
Funde fossiler Kragenhaie (Chlamydoselachus) sind recht selten. Die ältesten Funde stammen aus dem frühen Paläogen, es ist dies Chlamydoselachus fiedleri aus dem Eozän Österreichs. Jünger sind Chlamydoselachus tobleri aus dem Miozän von Trinidad und Chlamydoselachus lawleyi aus dem italienischen Pliozän. Thrinax ist eine weitere Gattung der Familie der Kragenhaie (Chlamydoselachidae) aus dem Paläogen Österreichs.
[Bearbeiten] Literatur
- Erich Thenius: Lebende Fossilien - Oldtimer der Tier- und Pflanzenwelt; Zeugen der Vorzeit. München, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, 2000.
- Tanaka, S., Shiobara, Y., Hioki, S., Abe, H., Nishi, G., Yano, K. and Suzuki, K. 1990. The reproductive biology of the frilled shark, Chlamydoselachus anguineus, from Suruga Bay, Japan. Japanese Journal of Ichthyology. 37(3): 273–291.
- Kubota, T., Shiobara, Y. and Kubodera, T. 1991. Food habits of the frilled shark Chlamydoselachus anguineus collected from Suruga Bay, central Japan. Bulletin of the Japanese Society of Scientific Fisheries. 57(1): 15–20.
[Bearbeiten] Weblinks
- Chlamydoselachus anguineus in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2006. Eingestellt von: Paul & Fowler, 2003. Version vom 11. Mai 2006
- etwa einminütige Filmaufnahme eines lebenden Kragenhais bei youtube.com
- Beschreibung der Art bei Fishbase.org
- ReefQuest Centre for Shark Research
- Bilder vom Australian Museum
- Bilder verschiedener Exemplare
- „Japaner fangen exotischen Tiefsee-Hai“ Bericht auf Spiegel Online (24. Januar 2007)