Martinstag
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Der Martinstag (am 11. November) als Festtag des Heiligen Martin von Tours (* um 316 / 317 in Sabaria, römische Provinz Pannonien, heute Szombathely, Ungarn; † 8. November 397 in Candes bei Tours) ist von zahlreichen Bräuchen geprägt.
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[Bearbeiten] Frühere Bedeutung im Jahresablauf
Die verschiedenen Bräuche wurzeln in zwei wohl zusammenhängenden Umständen:
- Der Martinstag lag in der von Byzanz beeinflussten Christenheit zunächst am Beginn der 40-tägigen Fastenzeit ab dem 11. November, die vom Mittelalter bis in die Neuzeit hinein – in den Orthodoxen Kirchen teilweise bis heute – vor Weihnachten begangen wurde. Am letzten Tag vor Beginn der Fastenzeit – analog zur Fastnacht – konnten die Menschen noch einmal schlemmen. Auch beim rheinischen Karneval bzw. in der Mainzer Fastnachtstradition wird die neue „Session“ bzw. Kampagne am 11. November ausgerufen.
- Der Martinstag war auch der traditionelle Tag des Zehnts. Die Steuern wurden früher in Naturalien bezahlt, auch in Gänsen, da die bevorstehende Winterzeit das Durchfüttern der Tiere nur in einer eingeschränkten Zahl möglich machte.
[Bearbeiten] Bräuche
[Bearbeiten] Martinsgans-Essen
Als Brauch ist heute vor allem das traditionelle Martinsgans-Essen (in Österreich auch Martinigans oder Martinigansl genannt) verbreitet. Es hat seinen Ursprung angeblich in einer Episode aus Martins Leben: Als man ihn zum Bischof von Tours ernennen wollte, versteckte er sich einer Legende nach in einem Gänsestall, weil ihm die hohe Verantwortung Angst machte. Die Gänse schnatterten so laut, dass Martin gefunden wurde. Als „Strafe“ werden daher an seinem Gedenktag die Gänse verspeist.
Einer anderen Erzählung nach verwandten die Bürger von Tours eine List: Rusticus ging nämlich zu Martins Versteck und bat diesen, seine kranke Frau zu besuchen. Hilfsbereit, wie Martin nun einmal war, nahm er seine Sachen, um Rusticus nach Hause zu begleiten. Wahrscheinlich sah er ziemlich schmutzig aus – als habe er eine Zeit lang in einem Gänsestall gelebt.
[Bearbeiten] Sankt-Martins-Zug bzw. Umzug
In vielen Regionen Deutschlands sind Umzüge zum Martinstag üblich. Heutzutage findet er mancherorts aber auch davor oder danach statt, wenn es organisatorische Gründe erfordern. Die Tradition des Umzuges ist sehr regional. Im Münsterland, in Ostwestfalen, im Rheinland und in Oberschwaben sind solche Veranstaltungen üblich. In Erfurt findet ein Umzug statt, während die umliegenden Gemeinden zumeist keinen haben. Ähnlich ist es in Mülheim an der Ruhr, wo ein solcher Umzug stattfindet, während es im benachbarten Essen keine solche Tradition gibt. Der Brauch ist nicht nur auf Deutschland beschränkt. So veranstaltet die deutsche Gemeinde in Stockholm einen Martinsumzug.
Beim Umzug ziehen Kinder zum Gedenken an den Heiligen Martin mit Laternen durch die Straßen der Dörfer und Städte, begleitet von einem auf einem Schimmel sitzenden und als römischer Soldat verkleideten Reiter, der mit einem roten Mantel den Heiligen darstellt. Gelegentlich wird auch die Schenkung des Mantels an den Bettler nachgestellt. Bei dem Umzug werden Martinslieder gesungen. Die Laternen werden oft vorher im Unterricht der Grundschulen und in Kindergärten gebastelt.
Zum Abschluss gibt es häufig ein Martinsfeuer, und die Kinder erhalten einen Weckmann aus Hefeteig mit Rosinen. In Süddeutschland sind auch Laugenbrezeln üblich.
Den wohl größten St.-Martins-Zug Deutschlands kann man am 10. November, dem Vorabend zum eigentlichen Martinstag, in Kempen/Niederrhein erleben. Tausende von Kindern ziehen dort nach Einbruch der Dämmerung durch die Straßen der historischen Altstadt, begleitet von zahlreichen Musikkapellen und angeführt vom berittenen Sankt Martin mit seinen zwei Herolden. Der Zug, dessen Höhepunkt ein Großfeuerwerk an der Kurkölnischen Burg ist, wird Jahr für Jahr vom St.-Martin-Verein Kempen e.V. organisiert.
In Franken kennt man anstelle des Weckmanns auch den „Belzermärtl“, den „Pelzmärtel“ (Martin im Pelz) oder den „Nussmärtel“. Im evangelischen Franken bringt mancherorts der Pelzmärtel auch anstatt des Nikolaus Geschenke für die Kinder. Der Name dieser Gestalt geht ganz eindeutig auf den Heiligen Martin zurück, allerdings war der Pelzmärtel keineswegs mit diesem identisch. Seinem Aussehen nach ist er ganz eindeutig ein „Kollege“ von Knecht Ruprecht, Pelznickel & Co. Tatsächlich ist er im Gefolge der Reformation aufgetaucht, die den Nikolausbrauch und die Verehrung der Heiligen - also auch des Heiligen Martin - in evangelischen Gegenden abgeschafft hatte. Der Pelzmärtel kam dann in Franken gewissermaßen stellvertretend für den Nikolaus und dessen finsteren Begleiter und erinnerte gleichzeitig an den populären Hl. Martin.
Im Anschluss an den Martinszug oder auch an einem leicht abweichenden Termin wird vielerorts auch das Martinssingen praktiziert, bei dem die Kinder mit ihren Laternen bzw. Lampions von Haus zu Haus ziehen und mit Gesang Süßigkeiten erbitten.
[Bearbeiten] Martinisingen
In Ostfriesland gibt es einen ähnlichen Brauch, der sich aber aus einer anderen Richtung entwickelt hat. Dort geht das so genannte Martinisingen am 10. November auf Martin Luther, anstatt auf den heiligen Martin, zurück.