Mary (Gedankenexperiment)
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Marys Zimmer ist ein philosophisches Gedankenexperiment das vom Philosophen Frank Jackson in seinem Artikel „Epiphenomenal Qualia“ (1982) gestellt und von ihm in „What Mary Didn't Know“ (1986) erweitert wurde. Das Argument, das durch dieses Gedankenexperiment motiviert werden soll, wird häufig als das Wissensargument gegen den Physikalismus, also gegen die Ansicht, dass das Universum inklusive des Mentalen, rein physisch ist, bezeichnet. Die Debatte, die durch dieses Gedankenexperiment ausgelöst wurde, war zuletzt Inhalt einer Sammlung von Essays - There's Something About Mary (2004) - mit Erwiderungen führender Philosophen, wie Daniel Dennett, David Lewis, and Paul Churchland.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Das Gedankenexperiment
Das Gedankenexperiment wurde von Frank Jackson ursprünglich wie folgt formuliert:
|
|
Mit anderen Worten, stellen wir uns eine Wissenschaftlerin vor, die alles weiß, was es in der Wissenschaft der Farbwahrnehmung zu wissen gibt, die aber nie Farbe erlebt hat. Die interessante Frage, die Jackson aufwirft lautet: Lernt diese Wissenschaftlerin etwas neues, wenn sie zum ersten Mal eine Farbwahrnehmung außerhalb ihres schwarzweißen Gefängnisses hat?
[Bearbeiten] Folgerungen
Sollte Mary etwas neues lernen, wenn sie ihre erste Farbwahrnehmung hat, so hat dies zwei wichtige Folgerungen: Die Existenz von Qualia und das Wissensargument gegen den Physikalismus.
[Bearbeiten] Qualia
Erstens existieren, wenn Mary etwas neues lernt nach einem Farberlebnis, Qualia (die subjektiven, qualitativen Eigenschaften von Erlebnissen). Wenn wir das Gedankenexperiment für gültig halten, so glauben wir, dass Mary etwas gewinnt - dass sie Wissen über eine bestimmte Entität erwirbt, das sie vorher nicht besaß. Dieses Wissen, so argumentiert Jackson, ist Wissen von den Qualia des Rotsehens. Deswegen müsste anerkannt werden, dass Qualia reale Eigenschaften sind, da es einen Unterschied zwischen einer Person gibt, die Zugang zu einer bestimmten Quale hat und einer, die nicht über diesen Zugang verfügt.
[Bearbeiten] Das Wissensargument
Zweitens ist, falls Mary etwas neues lernt nach einem Farberlebnis, der Physikalismus falsch. Besonders ist das Wissensargument ein Angriff auf die Behauptung der Physikalisten, dass eine physikalische Erklärung von mentalen Zuständen vollständig sei. Mary mag alles über die Farbwahrnehmung wissen, was die Wissenschaft darüber wissen kann, aber weiß sie, wie es ist die Farbe Rot zu sehen, wenn sie nie diese Farbe gesehen hat? Jackson behauptet, dass sie durch Erleben etwas neues lernt und somit, dass der Physikalismus falsch ist.
|
|
Es ist wichtig zu bemerken, dass in Jacksons Artikel Physikalismus die erkenntnistheoretische Doktrin bezeichnet, nach der alles Wissen Wissen über physikalische Fakten ist, und nicht die metaphysische Doktrin, nach der alle Dinge physikalische Dinge sind.
[Bearbeiten] Reaktionen
[Bearbeiten] Frank Jackson
Dieser Artikel oder Abschnitt ist unverständlich formuliert. Eine konkrete Begründung findet sich auf der Diskussionsseite des Artikels oder in der Versionsgeschichte. |
Frank Jackson selbst unterstützte anfangs die antiphysikalistischen Folgerungen des Gedankenexperiments von Marys Zimmer. Jackson glaubte an die vollständige Erklärungskraft der Physiologie, daran dass all unser Verhalten von irgendwelchen physikalischen Kräften verursacht ist. Das Gedankenexperiment scheint dagegen die Existenz von Qualia, einem nicht physikalischen Teil des Geistes, zu zeigen. Wenn also, so argumentierte Jackson, dies beides wahr ist, so ist der Epiphänomenalismus wahr, d.h. die Lehre nach der mentale Zustände durch physikalische Zustände verursacht werden, diese aber keinen kausalen Einfluss auf die physikalische Welt haben. (Lit.: Jackson 1982 & 1986)
Als er das Gedankenexperiment entwarf, war Jackson also Epiphänomenalist. Später lehnte er den Epiphänomenalismus dagegen ab. (Lit.: Jackson 2003) Dies liegt, wie er erörtert daran, dass Mary „Wow“ sagt, wenn sie das erste Mal Rot sieht, weswegen es Marys Qualia sein müsse, die sie „Wow“ sagen lässt. Dies widerspricht dem Epiphänomenalismus. Da das Gedankenexperiment von Marys Zimmer diesen Widerspruch hervorruft, müsse etwas an ihm falsch sein. Dieser Standpunkt wird häufig als „‚there must be a reply‘ reply“ („‚es muss eine Erwiderung geben‘-Erwiderung“) bezeichnet.
[Bearbeiten] Daniel Dennett
Der Philosoph Daniel Dennett bezeichnet das Gedankenexperiment von Mary als eine „intuition pump“, als ein Gedankenexperiment, das einfach zu verstehen und intuitiv eingänglich ist und uns dazu ermutigt seine Voraussetzungen allzu leichtfertigt mißzuverstehen und einfach unserer Intuition zu verfallen, dass der Ausgang des Gedankenexperiments „offensichtlich“ der ist, dass Mary etwas neues lernen wird bei ihrem ersten Farbexperiment. In seiner Monographie „Consciousness explained“ schreibt Dennett hierzu:
|
|
Wir dürfen also, so Dennett, von unserem heutigen Wissen und aus unserer Not bei der Schließung der Erklärungslücke, nicht abschätzig auf das Wissen von Mary schließen. Wir können uns im Moment nicht vorstellen, wie ein solches Wissen aussieht, aber wenn wir Mary wirklich zubilligen alles zu wissen, was verfügbar sein kann an physikalischen Wissen, so dürfen wir uns dabei jemanden der absolut alles besitzt, was es gibt, nicht als jemanden vorstellen, der einfach „nur“ verdammt reich ist. Dennett tritt entschieden dagegen ein, dass es „offensichtlich“ sei, dass Mary bei ihrer ersten Farbwahrnehmung etwas neues lernt; dies würde einem von der Art wie das Gedankenexperiment in der Regel präsentiert werde suggeriert. Er schlägt dem Betrachter stattdessen vor sich vorzustellen, wie Mary nach ihrer Freilassung eine gelbe und eine blaue Banane präsentiert wird, um sie damit zu testen, und dass sie diesen Test mit Bravour besteht. Dabei ist weniger wichtig, wie sie dies im Detail tut, sondern nur, dass sie es tut. Dieser alternative Ausgang des Experiments, so Dennett, würde zwar nicht beweisen, dass Mary nichts neues lernt, aber dass der üblich nahegelegte Ausgang des Experiments nicht notwendig zeigen würde, dass sie etwas neues lernen müsse. Für Dennett ist Jacksons Gedankenexperiment daher ein
|
|
Diese Position wurde von Dennett auch in „What RoboMary Knows“ (Lit.: Dennett 2003) dargestellt.
[Bearbeiten] Literatur
- Daniel Dennett: Consciousness Explained, Little Brown and Co, Boston 1991, ISBN 0316180653.
- Daniel Dennett: What RoboMary Knows. In: Torin Alter (Hrsg.) Knowledge Argument, 2003. Online-Version
- Frank Jackson: Epiphenomenal Qualia. In: Philosophical Quarterly 32, 1982, S. 127-136. Online-Version
- Frank Jackson: What Mary Didn't Know. In: Journal of Philosophy 83, 1986, S. 291-295.
- Peter J. Ludlow, Yujin Nagasawa und Daniel Stoljar (Hrsg.). There’s something about Mary: essays on phenomenal consciousness and Frank Jackson’s knowledge argument, MIT Press, Cambridge (Massachusetts) 2004, ISBN 0262621894 (paperback), ISBN 0262122723 (hardcover).
[Bearbeiten] Siehe auch
- Philosophie des Geistes
- Dualismus
- Funktionalismus
- Subjektiver Charakter des Erlebens
- Die Karte ist nicht das Gebiet
[Bearbeiten] Weblinks
- „Qualia: The Knowledge Argument“ - Ein Artikel von Martine Nida-Rümelin aus dem Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- „The Knowledge Argument Against Physicalism“ - Ein Artikel von Torin Alter aus der Internet Encyclopedia of Philosophy.