Medikamentinduzierter Kopfschmerz
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Medikamenteninduzierte Kopfschmerzen sind alle Arten von Kopfschmerz die nur aus der Einnahme von Medikamenten oder deren Entzug, häufig Schmerzmitteln, herrühren. Sie stellen eine Untergruppe der substanzinduzierten Kopfschmerzen dar. Zu unterscheiden ist zwischen dem Kopfschmerz bei übermäßigem Gebrauch von Schmerzmitteln bzw. deren Entzug und Kopfschmerzen als direkter Nebenwirkung anderer Medikamente.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] IHS-Klassifikation
- 8. Kopfschmerz zurückzuführen auf eine Substanz oder deren Entzug
- 8.1. Kopfschmerz induziert durch akuten Substanzgebrauch oder akute Substanzexposition
- 8.2. Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch
- durch Ergotamine, Triptane, Analgetika, Opioide, Schmerzmittelmischpräparate, andere Medikamente
- 8.3. Kopfschmerz als Nebenwirkung zurückzuführen auf eine Dauermedikation
- 8.4. Kopfschmerz zurückzuführen auf den Entzug einer Substanz
(Die aktuelle Klassifikation der International Headache Society wurde 2004 veröffentlicht.)
[Bearbeiten] Epidemiologie
Der Häufigkeitsgipfel befindet sich im mittleren Lebensalter. 5 bis 8% aller Kopfschmerzpatienten entwickeln eine Medikamentenabhängigkeit. Frauen sind mit einem Verhältnis von 10:1 deutlich überrepräsentiert.
[Bearbeiten] Ätiologie
Zunächst wird eine primäre Kopfschmerzerkrankung (zumeist Migräne oder Spannungskopfschmerz) als Grundlage gefordert. Diese sorgt für den ursprünglichen Grund der Schmerzmitteleinnahme.
In der Theorie kommt es bei häufiger Einnahme von Analgetika dazu, dass das Nervensystem seine Empfindlichkeit für Schmerzen steigert, die Schmerzschwelle (unterschwellige Reize werden nicht als Schmerz wahrgenommen) also sinkt. Normalerweise nicht schmerzhafte Reize werden dadurch als Schmerz wahrgenommen, was zu vermehrter Einnahme der Schmerzmittel führt. Verhaltenstherapeutisch gesehen liegt somit ein Lernprozess vor.
Grundsätzlich können alle Analgetika zu einem medikamentenbedingten Kopfschmerz führen. Gehäuft werden jedoch Mischpräparate von den Betroffenen eingenommen, welche psychotrope Substanzen enthalten (Koffein, Codein). Hier besteht eine enge Beziehung zu den Suchterkrankungen.
Eine Sonderform stellt der Kopfschmerz als direkte Nebenwirkung von anderen Substanzen dar. Unter den Medikamenten spielen besonders Nitrate, Kalziumantagonisten, Amiodaron, Lithium und Steroidhormone eine wichtige Rolle. Daneben können viele Rauschmittel (Alkohol, Cannabis, Kokain) zu Kopfschmerzen führen. Weitere Stoffe sind u.a. Natriumglutamat, Kohlenmonoxid und Phosphodiesterasehemmer.
[Bearbeiten] Symptome
Der Kopfschmerz tritt zumeist täglich auf, wenigstens aber an 15 Tagen pro Monat. Die Lokalisation kann ein- oder beidseitig sein, die Intensität ist mäßig bis hoch. Die Schmerzen werden als dunpf oder drückend, aber auch stechend oder pulsierend beschrieben. Sie sind nicht selten von Übelkeit, Ruhebedürfnis, Licht- oder Geräuschempfindlichkeit begleitet. Somit stellt dieser Kopfschmerz in seiner Erscheinung eine Mischung aus einem migräneartigen und einem chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp dar.
Die Einnahme der Medikamente dämpft den Schmerz, mit Ende der Wirkdauer kehrt er aber unvermindert zurück (rebound).
[Bearbeiten] Therapie
Die einzige wirksame Behandlung stellt der Medikamentenentzug dar. Dazu ist eine hohe Motivation des Patienten nötig. Diese sollte versucht werden, durch eingehende Aufklärung über die Ursache der Beschwerden und mögliche Spätfolgen (besonders Nieren- und Magenschäden) aufzubauen. Ferner muss über den zu erwartenen Ablauf des Entzuges informiert werden.
Als erster Versuch ist ein ambulantes Vorgehen gerechtfertigt. Dazu muss auf die auslösenden Medikamente verzichtet werden. Dies kann durch physikalische Maßnahmen (Kühlung, Ruhe, Bewegung an frischer Luft) unterstützt werden.
Ist der ambulante Versuch erfolglos oder von vornherein problematisch, bleibt nur ein stationärer Entzug. Dieser sollte immer in einer spezialisierten Klinik erfolgen, er dauert zumeist 10-14 Tage. Problematisch hierfür kann die Kostenübernahme durch die Krankenkassen sein.
Bei erfolgreichem Entzug bleibt dem Patienten in jedem Fall seine primäre Kopfschmerzerkrankung zurück. Diese muss anschließend professionell behandelt werden, da sonst die Gefahr eines Rückfalls sehr hoch ist.
[Bearbeiten] Prognose
Je nach Statistik liegt die Rückfallquote nach erfolgreichem Entzug bei einem bis zwei Drittel innerhalb von 1-5 Jahren. Auch hier liegt die enge Beziehung zu den Suchterkrankungen nahe.
Komplikationen des fortbestehenden Analgetikamißbrauches sind insbesondere Schädigungen des Magens (Magengeschwür) und der Nieren (analgetikainduzierte Glomerulonephritis).
[Bearbeiten] Quellen
- Diener, H-C: Kopf- und Gesichtsschmerzen. 2. Aufl., Thieme 2002.
- Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 259. Auflage, deGruyter.
- Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie; 11. Auflage, Springer 2001. (S. 427.)
- Mummenthaler, M. & Mattle, H.: Grundkurs Neurologie. 1. Auflage, Thieme 2002.
- Klingelhöfer, J. & Rentrop, M.: Klinikleitfaden "Neurologie, Psychiatrie". Urban & Fischer 2003. (S. 249)