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Merkmalsintegrationstheorie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Merkmalsintegrationstheorie (im Original Feature Integration Theory) von Anne Treisman (1980) ist eine Theorie, die die Objektwahrnehmung mithilfe visueller Aufmerksamkeit erklärt und sie dazu in Stufen unterteilt. Den Ausgangspunkt für Treismans Ansichten stellt die Filtertheorie von Donald Broadbent aus dem Jahr 1958 dar, welche besagt, dass es im Gehirn einen sogenannten "Filter" gibt, der schon sehr früh Reize aufgrund physikalischer Merkmale selektiert (early selection, im Gegensatz dazu siehe für ein besseres Verständnis auch: Theorie der späten Selektion von Deutsch & Deutsch, 1963).


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Einteilung in Stufen

[Bearbeiten] Präattentive Verarbeitung

MI-Theorie-Grafik
MI-Theorie-Grafik

Die Merkmale des noch nicht erkannten Objektes stehen zuerst frei und einfach nebeneinander (float free). Dieser Vorgang wird als Stufe der präattentiven Verarbeitung bezeichnet und läuft schnell, automatisch und unbewusst ab. Ähnliche Merkmale (z.B. blau) bilden Dimensionen (z.B. Farbe). Die Dimensionen sind jeweils abhängig von Detektoren, die für die entsprechenden Merkmale empfindlich sind. Ähnliche Detektoren sind wiederum in Merkmalskarten organisiert. Für jede Dimension gibt es somit eine eigene Merkmalskarte. Ein bestimmter Ort auf diesen Karten entspricht einem bestimmten Ort im visuellen Feld (Retina), der auf Reize anspricht, die auf diesen Bereich der Netzhaut fallen.

[Bearbeiten] Attentive Verarbeitung

Diese übereinstimmenden Orte verschiedener Karten werden durch gerichtete Aufmerksamkeit in einer nächsten Stufe der attentiven Verarbeitung einander zugeordnet, denn hier werden die Merkmale zu einem Objekt zusammengesetzt, was insgesamt eine Bottom-Up-Verarbeitung (siehe Top-down und Bottom-up) darstellt. Über eine zentrale Ortskarte werden die Ausgangssignale der Detektoren aller Merkmalskarten an jeweils dem einen Ort verfügbar, an dem sich zu dem Zeitpunkt der Fokus der Aufmerksamkeit befindet. Dadurch werden die Merkmale miteinander verknüpft. Durch die erforderliche gerichtete Aufmerksamkeit dauert dieser Prozess länger als die präattentive Verarbeitung. Den Fokus der Aufmerksamkeit vergleicht Treisman mit einer Art Lichtkegel (spotlight):befindet sich das Objekt innerhalb des "Lichtes", kann es als einheitliches Ganzes wahrgenommen werden.

[Bearbeiten] Vier Paradigmen

Treisman stellte vier Paradigmen auf, die diese Stufentheorie stützen sollen. So können z.B. unterschiedliche Reaktionszeiten Hinweise auf entweder präattentive (kurze Reaktionszeit) oder attentive (lange Reaktionszeit) Verarbeitung geben.

Die Paradigmen lauten:

  • Visuelle Suche
  • Illusorische Konjunktionen (Verbindungen)
  • Texturbereichstrennung
  • Identifizierung und Lokalisation


Die visuelle Suche ist hierbei am bedeutendsten.

[Bearbeiten] Visuelle Suche

Pop-Out-Effekt
Pop-Out-Effekt

Die visuelle Suche nach einem möglichen Zielreiz (Target) findet in einem Suchdisplay statt, welches eine variable Anzahl von Ablenkern (Distraktoren) enthält. Die Merkmale dieser Ablenker können sich in den Dimensionen Farbe, Form, Bewegung usw. von den Merkmalen des Zielreizes unterscheiden (single feature search) oder eine Merkmalsverknüpfung von Distraktoren und Target darstellen (feature conjunction search). Beim Pop-Out-Effekt hebt sich der Zielreiz in seinem Merkmal von denen der Ablenker ab und springt sofort ins Auge. Aufmerksamkeit ist deshalb nicht notwendig und es wird parallel gesucht.

Die parallele Suche erfolgt präattentiv (ohne Aufmerksamkeit). Die Display-Größe hat keinen Einfluss auf die Reaktionszeit, es gibt nur ein variierendes Merkmal.

Wird das Display nach einem Zielreiz abgesucht, der sich aus verschiedenen Merkmalen der Ablenker zusammensetzt, spricht man von einer seriellen Suche. Gerichtete Aufmerksamkeit ist erforderlich, denn der Proband muss das ganze Display "abscannen", um besagten Zielreiz zu entdecken. Die Suchrate beträgt mehr als 10ms pro Item, wobei die Reaktionszeit von der Display-Größe abhängig ist (je größer das Display, umso länger die Reaktionszeit).

Bild:merkmalsverknüpfung.jpg Beispiel für eine Merkmalsverknüpfung

Unterschieden wird zwischen der selbst-abbrechenden Suche (self-terminating search) und der erschöpfenden Suche (exhaustive search). Bei der selbst-abbrechenden Suche wird das Display solange abgesucht, bis der Zielreiz gefunden wurde, d.h. er ist auch überhaupt vorhanden. Dies geschieht in der Regel nachdem die Hälfte der Items abgesucht wurde (Verhältnis 2:1). Bei der erschöpfenden Suche werden alle Display-Items abgesucht, um einen möglichen Zielreiz zu finden, der aber im Endeffekt gar nicht vorhanden ist. Demzufolge kann die Suche also auch nicht vorher abgebrochen werden.

Bild:grafik.jpg

[Bearbeiten] Texturbereichstrennung

Das variierende Merkmal ist nur die Richtung.
Das variierende Merkmal ist nur die Richtung.

Die Texturbereichstrennung ist ein paralleler Prozess, der keine Aufmerksamkeit erfordert. Dafür eignen sich nur Targets, die sich in einem Merkmal unterscheiden, d.h. nur Features und keine Konjunktionen.









[Bearbeiten] Illusorische Konjunktionen

Beispiel für eine illusorische Konjunktion: der Proband meint, er habe ein blaues O gesehen.
Beispiel für eine illusorische Konjunktion: der Proband meint, er habe ein blaues O gesehen.

Auf der zweiten Stufe der Merkmalsintegrationstheorie werden wie bereits erwähnt die Merkmale von der ersten Stufe mithilfe gerichteter Aufmerksamkeit zu einem kohärenten Objekt zusammen gefügt. Wenn jedoch die Aufmerksamkeit nicht auf den bestimmten Ort, wo sich das Objekt befindet, fokussiert ist, besteht die Gefahr, dass die Merkmale falsch miteinander verknüpft werden und somit eine illusorische Konjunktion entsteht.








[Bearbeiten] Identifizierung und Lokalisation

Unterscheidet sich das Target in nur einem Merkmal von den Distraktoren, kann man dieses identifizieren, ohne genau zu wissen, an welcher Stelle es sich auf dem Display befindet. D.h. bei der Merkmalsbedingung funktionieren Identifizierung und Lokalisation unabhängig voneinander. Bei der Verknüpfungsbedingung muss das Target allerdings mithilfe gerichteter Aufmerksamkeit (also auf der zweiten Stufe) lokalisiert werden. Erst anschließend ist seine Identifizierung möglich.

Verknüpfungsbedingung: Konzentration auf 2 Merkmale (Farbe rot und Form X) um den Zielreiz zu finden.
Verknüpfungsbedingung: Konzentration auf 2 Merkmale (Farbe rot und Form X) um den Zielreiz zu finden.
Merkmalsbedingung: Konzentration auf 1 Merkmal (Farbe gelb) um den Zielreiz zu finden.
Merkmalsbedingung: Konzentration auf 1 Merkmal (Farbe gelb) um den Zielreiz zu finden.


[Bearbeiten] Literatur

  • Deutsch, J. & Deutsch, D. (1963). Attention: Some theoretical considerations. Psychological Review, 70:80-90.
  • Goldstein, B. E. (2002). Wahrnehmungspsychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
  • Müsseler, J. & Prinz, W. (2002). Allgemeine Psychologie. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
  • Treisman, A. M. & Gelade, G.(1980). A Feature-Integration Theory of Attention. Cognitive Psychology, 12, 97-136. [1]
Andere Sprachen
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