Natalizumab
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Steckbrief | |
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Name (INN) | Natalizumab |
Wirkungsgruppe | Trypsin inhibitor |
Handelsnamen | Antegren®, jetzt Tysabri® |
Klassifikation | |
ATC-Code | L04AA23 |
CAS-Nummer | [1] |
Rezeptpflicht: |
Fachinformation (Natalizumab) | |
Chemische Eigenschaften | |
IUPAC-Name: Humanized anti a4 integrin antibody |
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Summenformel | |
Molmasse | 149 kDa |
Natalizumab (Handelsname ehemals Antegren® jetzt Tysabri®) ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper (MAB), der Adhäsionsmoleküle der Blut-Hirn-Schranke und von T-Lymphozyten blockiert. Damit verhindert er das Einwandern der Lymphozyten in einen Entzündungsherd. Derzeit ist Tysabri® zur Therapie besonders aggressiver Formen der schubförmigen Multiplen Sklerose zugelassen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Therapievoraussetzungen
In Europa kann Tysabri® unter folgenden Bedingungen eingesetzt werden:
- für Patienten mit gesicherter MS und persistierenden Schüben trotz ausreichend langer Behandlung mit einem Interferon-Beta oder Glatirameracetat, die zumindest einen Schub in den letzten zwölf Monaten und im Kernspintomogramm (MRT) mindestens neun T2-Läsionen oder mindestens eine Kontrastmittel anreichernde Läsion aufweisen.
- für Patienten mit hoher Schubfrequenz (mehr als zwei Schübe in den letzten zwölf Monaten) mit Behinderungsprogression und mindestens einer Kontrastmittel anreichernden Läsion oder einer deutlichen Zunahme der T2-Läsionslast im MRT.
In den USA kann Tysabri® auch bei normal verlaufender schubförmiger MS als Ersttherapie verordnet werden.
[Bearbeiten] Anwendung
Das Medikament wird alle vier Wochen in einer Dosis von 300 mg, gelöst in 15 ml Lösung, die zu verdünnen ist mit 100 ml isotonischer Kochsalzlösung, intravenös verabreicht.
[Bearbeiten] Wirkmechanismus
Natalizumab ist ein Antikörper gegen alpha4-Integrin. Er ist durch seine Struktur in der Lage, die Andock-Rezeptoren der Blut-Hirn-Schranke (VCAM-Molekül, VCAM = vascular cell adhesion molecule) und von T-Lymphozyten (VLA-4-Molekül) zu belegen.
Dadurch sind die T-Lymphozyten nicht mehr in der Lage, an der Blut-Hirn-Schranke anzudocken und können deshalb auch nicht mehr in das zentrale Nervensystem (ZNS) vordringen, wo sie bei MS-Patienten folgenschwere Entzündungsreaktionen hervorrufen würden.
[Bearbeiten] Wirksamkeit
In der Phase-III AFFIRM Studie, die zur Zulassung von Tysabri® als Monotherapie geführt hat, konnten folgende Verbesserungen unter der Gabe von Tysabri® gezeigt werden:
- Die Frequenz klinischer Schübe um 67 %
- Der Zeitpunkt bis zum Voranschreiten dauerhafter klinischer Behinderung konnte um 42 % verzögert werden
- Die Summe neuer oder sich vergrößernder, T2 gewichteter Läsionen, wurde um 83 % verringert
- Die Anzahl neuer T1 hypointenser Läsionen - sog. Black Holes die als Marker für dauerhafte Hirnschäden angesehen werden - wurde um 44% verringert
- Die Anzahl Gadolinium anreichernder Läsionen sank um 92 %
[Bearbeiten] Nebenwirkungen
Natalizumab wird allgemein gut vertragen. In einigen Fällen kann es zu Kopfschmerzen, Harnwegsinfektionen, Depressionen, leichten Atemwegsinfektionen, Fatigue, Schmerzen an den Extremitäten und Gelenken sowie Rachenentzündungen kommen. Die Rate an schwerwiegenden Infektionen wird von der Herstellerfirma als gering eingestuft.
[Bearbeiten] Progressive multifokale Leukenzephalopathie
Das Medikament führte in zwei Multiple-Sklerose-Fällen zu einer durch den JC-Virus ausgelöste progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML), einer tödlichen neurologischen, demyelinisierenden Erkrankung. Die progressive multifokale Leukenzephalopathie trat in einer Gruppe von Studienpatienten auf, die zusätzlich mit Avonex - einem Interferon beta-1a Medikament - behandelt wurden [1],[2]. Zusätzlich wird über einen weiteren Todesfall unter Natalizumab im Rahmen einer Morbus-Crohn-Studie berichtet [3] . Bei allen drei Todesfällen ware eine Kombinationstherapie vorausgegangen, wodurch das Immunsystem zweifach supprimiert wurde. Derzeit sind keine Todesfälle bei Patienten bekannt, die ausschließlich mit Natalizumab gegen Multiple Sklerose oder Rheumatoide Arthritis behandelt wurden. Das Risiko einer PML wird auf etwa 1:1000 innerhalb 18 Monaten Natalizumab-Therapie beziffert [4]
[Bearbeiten] Neutralisierende Antikörper
Das Auftreten neutralisierender Antikörper gegen das Medikament wurde bei 6 % der behandelten Patienten beobachtet. Das Auftreten der Antikörper kann bereits nach dem ersten Behandlungsjahr nachgewiesen werden und führt zu einer weitgehenden Ineffektivität des Medikaments.
[Bearbeiten] Kosten
Je Infusionseinheit (300 mg) belaufen sich die Kosten auf ca. 2.260 EUR
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Kleinschmidt-DeMasters BK, Tyler KL; Progressive multifocal leukoencephalopathy complicating treatment with natalizumab and interferon beta-1a for multiple sclerosis. N Engl J Med. 2005 Jul 28;353(4):369-74.
- ↑ Langer-Gould A, Atlas SW, Green AJ, Bollen AW, Pelletier D; Progressive multifocal leukoencephalopathy in a patient treated with natalizumab. N Engl J Med. 2005 Jul 28;353(4):375-81.
- ↑ Van Assche G, Van Ranst M, Sciot R, Dubois B, Vermeire S, Noman M, Verbeeck J, Geboes K, Robberecht W, Rutgeerts; Progressive multifocal leukoencephalopathy after natalizumab therapy for Crohn's disease. N Engl J Med. 2005 Jul 28;353(4):362-8.
- ↑ Yousry TA, Major EO, Ryschkewitsch C, Fahle G, Fischer S, Hou J, Curfman B, Miszkiel K, Mueller-Lenke N, Sanchez E, Barkhof F, Radue EW, Jager HR, Clifford DB. Evaluation of patients treated with natalizumab for progressive multifocal leukoencephalopathy. N Engl J Med. 2006 Mar 2;354(9):924-33.
[Bearbeiten] Links
- Video in englischer Sprache, das den Wirkmechanismus von Tysabri® zeigt
- MS-Lexikon
- Fünf Studienergebnisse zu Natalizumab
- [www.fda.gov/ohrms/dockets/AC/06/slides/2006-4208S1-01-03-%20Biogen-Sandrock.pdf pdf Präsentation zu den Ergenissen der Natalizumab Studien]
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