Osteopathie (Diagnose- und Behandlungskonzept)
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Osteopathie (engl. Osteopathy; von griech. ostéo "Knochen" und páthos "Schmerz, Leiden, Leidenschaft, Erfahrung"). Wörtlich übersetzt bedeutet Osteopathie hier "Erfahrung mit Knochen", korrekt eher "Heilkunde der Knochen". Osteopathie ist ein von dem amerikanischen Chirurgen A. T. Still begründetes Diagnose- und Behandlungskonzept. Sie beruht vor allem auf der manuellen Untersuchung und Therapie und hat zum Ziel, die wechselseitigen Beeinflussungen im Körper zu ergründen, die sich in der Beweglichkeit oder im Bewegungsausdruck eines Menschen wiederfinden. Eine Behandlung, die unter Berücksichtigung dieser Prinzipien stattfindet wird Osteopathie genannt.
Ein Osteopath / eine Osteopathin ist eine Person, die Osteopathie ausübt. (Die Rechtslage zur Verwendung der Begriffe ist umstritten, s.u.)
Osteopathie kommt zumeist ohne Medikamente und Hilfsmittel aus und ist am ehesten als manuelle Behandlung zu beschreiben.
Unter der Annahme, dass Leben und damit auch Gesundheit untrennbar mit Bewegung verknüpft ist, zielt eine osteopathische Behandlung auf die Wiederherstellung physiologischer Beweglichkeit von Gelenken, Organen und Geweben.
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[Bearbeiten] Geschichte der Osteopathie
Das Konzept der Osteopathie wurde durch den Arzt Andrew Taylor Still (1828-1917) Ende des 19. Jahrhunderts in den USA entwickelt. Er begann sein Projekt im Jahre 1874, aber erst 1894 bekam es den Namen „Osteopathy“. 1892 gründete er seine erste Schule, die spätere American School of Osteopathy in Kirksville, USA. Heute ist Osteopathie in den USA eine Arztausbildung an Colleges mit dem Abschluß D.O. Die Bezeichnung D. O. wurde traditionell auch in England den Osteopathen zugeteilt. Seit der staatlichen Anerkennung der Osteopathie in England werden nur noch Bachelor B.Sc. Zertifikate verliehen. Anfang des 20. Jahrhunderts erreichte Osteopathie als klassisch manuelles Behandlungskonzept England. In Frankreich und Deutschland wird "Osteopathie" seit den 1950er Jahren des 20. Jh. fester Bestandteil der manuellen Medizin. In Deutschland wurde dies durch eine intensive Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fakultäten deutscher Universitäten mit dem englischen Arzt und Osteopathen Prof. Dr. Alan Stoddard möglich. In England an der British School of Osteopathy (BSO) ausgebildete Osteopathen begründeten später in Deutschland das "OMT Kaltenborn-Evjenth Konzept" der "manuellen Therapie".
[Bearbeiten] Osteopathieausbildung
In Amerika ist Osteopathy eine ärztliches Studium an einem College. Das Professional Degree (Fachabschluss) lautet. D.O. und ist kein Doktortitel. In der Praxis sind diese Ärzte allerdings gleichgestellt mit Kollegen, die den universitären Abschluss eines M.D. (Medical Doctor) haben (Siehe: Osteopathie (USA)). Diese Colleges sind teilweise auch Universitäten angeschlossen.
Osteopathie kann man in Deutschland an privaten Ausbildungsinstituten erlernen. Um Sicherung eines einheitlichen Ausbildungsstandarts bemühen sich verschiedene osteopathische Berufsverbände. In Deutschland ist weder der Begriff Osteopath noch der Begriff Osteopathie rechtlich geschützt. Im Grunde kann jeder seine Tätigkeit Osteopathie nennen, sofern er einen staatlich anerkannten Beruf im Gesundheitswesen hat. Die Verwendung des Begriffes Osteopath als Berufsbezeichnung ist im deutschen Gesundheitswesen nicht zulässig. In Europa gibt es Studiengänge an Universitäten, an denen man einen MSc. Master of Science oder auch einen Dr. in Osteopathie erwerben kann. Aufgrund des Bologna Abkommens und zwischenstaatlicher Abkommen sind diese Abschlüsse auch in Deutschland anerkannt. Eine Berufszulassung als Osteopath ist im deutschen Gesundheitswesen damit nicht verbunden.
[Bearbeiten] Osteopathische Behandlung
Der Osteopath verwendet unter Berücksichtigung der o.g. osteopathischen Prinzipien u.a. folgende Techniken:
- Strain/Counterstrain – positional release
- Muskel-Energie-Techniken (MET) (siehe zum Prinzip einiger MET auch: Postisometrische Relaxation)
- Faszien-Techniken
- HVLA-Techniken („high velocity, low amplitude“, also kleine schnelle Bewegungen; Syn: Thrust, Impulstechnik, Manipulation)
- Viszerale Techniken (zur Behandlung u.a. von Gleitbewegungen innerer Organe, auch "viszerale Osteopathie" genannt).
- Osteopathie im kranialen Bereich (Cranial Osteopathy). Diese Methode geht zurück auf Dr. A.T. Still. Sie wird aber aufgrund der Erklärungshypothesen, welche sich durchgesetzt hatten, oft fälschlicherweise W.G. Sutherland zugeschrieben. Die Ausbildungsrichtlinien hierin und die offiziellen Arbeitshypothesen hierzu werden innerhalb der American Osteopathic Association AOA durch die Sutherland Cranial Teaching Foundation SCTF (gegründet von W.G. Sutherland 1953) definiert.
Der Osteopath behandelt den Mensch als Einheit. In der täglichen Praxis gehen die verschiedenen Behandlungstechniken ineinander über, da sie individuell dem Behandlungsverlauf folgen. Eine osteopathische Behandlung folgt dem oben genannten Diagnose- und Behandlungskonzept und geht über die reine Anwendung s.g. osteopathischer Techniken hinaus.
[Bearbeiten] Rechtliche Aspekte rund um Osteopathie/Osteopath
- „Osteopathie“ ist in Deutschland laut Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit eine Heilkunde. Darauf beziehen sich auch die Gerichtsurteile. Die Ausübung der Heilkunde "ohne als Arzt bestallt zu sein" regelt das Heilpraktikergesetz (HeilprG).
- Physiotherapeuten haben ein fest definiertes Berufsbild. Sie arbeiten normalerweise nur auf Zuweisung durch Heilberufe. Allerdings kann ihnen im Bundesland Rheinland-Pfalz seit November 2006 eine auf den Fachbereich der Physiotherapie gegenständlich beschränkte Zulassung als Heilpraktiker erteilt werden. Damit können sie auch als Physiotherapeut selbständig ohne Zuweisung arbeiten (Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland Pfalz vom 21. November 2006, Aktenzeichen: 6 A 10271/06.OVG). Ohne diese Zulassung als Heilpraktiker im Bereich Physiotherapie können Physiotherapeuten nur verordnungsfähige Heilmassnahmen verabreichen. Osteopathie ist keine verordnungsfähige Heilmassnahme.
Die Beurteilungskriterien dafür, wie weit dieses ungefährliche Behandlungsfeld außerhalb des Berufsbilds eines Physiotherapeuten reichen darf, definiert das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 22. März 2005 (Aktenzeichen: M 16 K 03.1270) und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland Pfalz vom 21. November 2006 (Aktenzeichen: 6 A 10271/06.OVG). So ist z.B. eine Behandlungen mittels Impuls (Einrenken), bzw. eine "Traktionsbehandlung der Wirbelsäule" (Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz vom 21. November 2006) ein derartiger "gefährlicher Bereich", der nicht durch die Ausbildungsrichtlinien eines Physiotherapeuten abgedeckt ist. Auch interne manuelle Behandlungen im Vaginal- oder Analbereich sind dem Physiotherapeuten verboten. Wie in den übrigen Bundesländern können auch in Rheinland Pfalz weiterhin wesentliche Bereiche der Osteopathie (Traktionsbehandlung der Wirbelsäule) nicht von Physiotherapeuten selbständig angewandt werden. Andere "sanfte" manuelle Methoden im äusseren Körperbereich können sie mit dieser "kleinen" Heilpraktikererlaubnis in diesem Bundesland selbständig, d.h. ohne Verordnung durchführen.
- Die Nutzung der Bezeichnungen "Osteopathie" und "Osteopath" sind geregelt durch das Heilpraktikergesetz (HeilprG) und das Heilmittelwerbegesetz (HWG).
"Osteopathie" ist in Deutschland kein Begriff der deutschen Umgangssprache. Deshalb muss die Bedeutung bei seiner Verwendung in der Werbung im Gesundheitswesen erklärt werden. Die Berufsbezeichnung "Osteopath" im deutschen Gesundheitswesen ist rechtlich noch nicht zulässig. Die Verwendung als Berufsbezeichnung wird in der Regel abgemahnt. Auch weitere Zusatzbezeichnungen mit Buchstabenkombinationen wie D.C., C.O., D.O. sind nicht zulässig, sofern es sich nicht um erworbene und eingetragene Titel von Hochschulen handelt. Ein Urteil des LG Düsseldorf vom 24. Juli 2006 liegt vor (Aktenzeichen: 12 O 66/05).
- Die Verwendung von Abschlusstiteln der deutschen und ausländischen Colleges, Fachhochschulen, Universitäten und Hochschulen unterliegt dem Hochschulrahmengesetz (HRG) bzw. den Hochschulgesetzen der Bundesländer.
Die Verwendung des Begriffs „Diplom“ ist in Deutschland nur für die Abschlüsse an Fachhochschulen und Universitäten erlaubt. Ausländische Titel müssen von den Regierungspräsidien anerkannt werden. Dies gilt auch für das professional degree (Fachabschluss-Titel) des amerikanischen D.O.
[Bearbeiten] Literatur
- Andrew Taylor Still: The Philosophy and Mechanical Principles of Osteopathy. Kansas City 1902
- Andrew Taylor Still: Osteopathy, Research and Practice. Kirksville 1910
- William Garner Sutherland: The Cranial Bowl. 1939
- William Garner Sutherland: Contributions of Thought. The collected Writings of William Garner Sutherland. 1971
- William Garner Sutherland, Editor: Ann Wales: Teachings in the Science of Osteopathy. 1990
- Rebecca Lippincott Conrow, Howard A. Lippincott: A Manual of Cranial Technique. 1943
- J. M. Littlejohn: The Fundamentals of Osteopathic Technique. Maidstone
- J. M. Littlejohn: The Pathology of the Osteopathic Lesion. Maidstone
- J. M. Littlejohn: Principles. Maidstone
- J. M. Littlejohn: Lesionology. Maidstone
- Harold Ives Magoun: Osteopathy in the Cranial Field. Denver 1951
- Charles Owens: An Endocrine Interpretation of Chapman Reflexes. Newark, Ohio 1963
- Irvin M. Korr: The Neurobiologic Mechanisms in Manipulative Therapy. Michigan State University, 1977
- Irvin M. Korr, Editor: Barbara Peterson: The Collected Papers of Irvin M Korr. Indianapolis 1979
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