Paralever
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Der Paralever bei neueren BMW-Motorrädern mit Kardanantrieb sorgt dafür, dass die (störenden) Reaktionskräfte der Kardanantriebs gemindert werden.
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[Bearbeiten] Kardan-Reaktionskräfte
Die längslaufende Kardanwelle benötigt eine Umlenkung des Antriebs-Drehmomentes um neunzig Grad, um die querliegende Hinterachse anzutreiben. Diese Umlenkung geschieht durch ein Kegelradgetriebe am Hinterrad: ein Gehäuse, ein Ritzel an der Kardanwelle und ein Tellerrad zum Antrieb des Hinterrades.
Bei sehr vielen Kardan-Motorrädern befindet sich das Tellerrad des Kegelradgetriebes innen zum Rad, siehe Skizze. Bei den BMW-Motorrädern ist dieses seit 1955 der Fall. (Ältere BMWs haben das Tellerrad außen.)
Beschleunigen führt so zu einem mehr oder minder starken "Aufklettern" der Kardanwelle mittels des Ritzels auf dem Tellerrad und zum Entlasten und Anheben des Hecks. Gaswegnehmen hingegen lässt das Heck einsacken.
Diese Störkräfte führen bei konventionellen Kardan-Motorrädern dazu, dass die Kardanschwinge beim Beschleunigen zum Ausfedern tendiert. Beim Gaswegnehmen sinkt die Maschine hinten ab, was in Kurven zum Aufsetzen insbesondere der BMW-Zylinderköpfe auf die Straße, aber auch zum Aufsetzen der Fußrasten vieler Kardanmotorräder, und bei mangelnder Übung auch zum Sturz führen kann. Dieses besonders den BMWs eigene Verhalten, verstärkt über komfortable, lange Federwege mit weicher Federung, führte zu Hinweisen in Büchern und Zeitschriftenartikeln, in Kurven für noch mehr Seitenneigung besser noch leicht zu beschleunigen, um am Kardan quasi "kletternd" die sonst aufsetzenden Teile des Motorrads etwas anzuheben - aber in jedem Falle ein Gaswegnehmen in engen Kurven "aus Angst" unbedingt zu vermeiden.
[Bearbeiten] Konzept eines Kräfte-Parallelogramms
Der Paralever vermeidet weitenteils diese - für BMW-Motorrad-Neulinge sonst äußerst gewöhnungsbedürftigen - Fahrwerksreaktionen älterer Kardan-BMWs: Die hebenden Kräfte sind in der Art eines Parallelogramms mittels der zusätzlichen Strebe nahezu aufgefangen. Die Strebe erlaubt so das "Aufklettern" des Ritzels auf dem Tellerrad nicht mehr.
[Bearbeiten] Konkurrenz-Konstruktionen
Eine ähnliche, jedoch einfachere Konstruktion führte auch der italienische Konkurrent Moto Guzzi ein: wie bei BMW eine zusätzliche Strebe zum Kraftausgleich in einem Parallelogramm, jedoch ohne Knickgelenk. Die Strebe verhindert das Anheben des Kardanrohres als Reaktion auf die beim Beschleunigen entstehende Umfangskraft des Ritzels. Das komplexe Knickgelenk ist eine Komplikation, manche bezeichnen es auch als "over engineered" - als Ergebnis idealisierter Kräfte-Rechnungen, die in der Fahrzeug-Längsrichtung einen kürzeren Gelenkabstand ergibt als den Abstand vom Schwingendrehpunkt bis zur Hinterradachse. Um das Knickgelenk stabil zu führen, ist ein breites und somit schweres Rohr sowie eine zusätzliche, stabile Lagerung erforderlich.
[Bearbeiten] Gelenk-Probleme
Mit dem hinteren Kardanwellen-Knickgelenk bekamen BMW und etliche Kunden prompt Ärger: frühe Exemplare fielen teils schon frühzeitig, manchmal nach nur 30.000 Kilometern, mit schweren Gelenkschäden bis hin zu Wellenbrüchen aus. Denn die Kardanwellen der Paralever-BMWs liefen wieder (wie vor 1955) trocken, statt in einem Ölbad. Die modernere Paralever-Konstruktion der zweiten Generation (mit einem Schiebegelenk und aus der Kardanmitte verlegtem Drehpunkt) ist zuverlässiger.
[Bearbeiten] Links
Siehe auch den Artikel zu "Gummikuh".