Paul Anton de Lagarde
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Paul Anton de Lagarde, ursprünglich Paul Anton Bötticher, (* 2. November 1827 in Berlin; † 22. Dezember 1891 in Göttingen) war ein deutscher Kulturphilosoph und Orientalist.
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[Bearbeiten] Leben
[Bearbeiten] Herkunft
Lagarde war der Sohn des Oberlehrers Dr. Wilhelm Bötticher und dessen Ehefrau Luise Klebe. Die Mutter starb noch im Jahr seiner Geburt. 1831 heiratete der Vater Pauline Seegert. Als auch seine Stiefmutter starb (1854), ließ sich Lagarde von seiner Großtante mütterlicherseits, Ernestine de Lagarde, adoptieren.
[Bearbeiten] Ausbildung
Seine schulische Ausbildung erfolgte am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Berlin. Dort begann er 1844 auch evangelische Theologie bei den Professoren Ernst Wilhelm Hengstenberg und August Neander sowie Orientalistik bei Friedrich Rückert zu studieren. 1849 beendete Lagarde sein Studium mit der Dissertation Initia chromatologiae arabicae. Er wechselte nach Halle an der Saale zu August Tholuck und konnte sich 1851 mit der Arbeit Arica habilitieren.
[Bearbeiten] Orientalist und Gymnasiallehrer
Vor allem seine lexikologisch-grammatischen und textkritischen Arbeiten machten Lagarde unter den Fachkollegen bekannt. Theodor Benfey bezeichnete Lagarde in diesem Zusammenhang als "schwarzer Husar unter den jungen Orientalisten". Der preußische Botschafter Christian von Bunsen förderte Lagarde und vermittelte ihm für die Jahre 1852/53 einen Studienaufenthalt in London.
1853 ging Lagarde – wiederum mit Bunsens Unterstützung – nach Paris und machte die Bekanntschaft von Ernest Renan. Ende 1853 kehrte Lagarde wieder nach Deutschland zurück, da er sich Hoffnung auf einen Lehrstuhl an der Universität Halle machte. Diese Hoffnungen zerschlugen sich, und Lagarde nahm eine Anstellung im Gymnasium in Halle an, wo er bis 1866 unterrichtete.
Während seiner Zeit als Gymnasiallehrer forschte und veröffentlichte Lagarde unermüdlich. 1866 wurde ihm durch König Wilhelm I. ein dreijähriger bezahlter Forschungsurlaub gewährt. Bis 1869 ließ sich Lagarde in Schleusingen (Thüringen) nieder. In dieser Zeit entstand eine kritische Ausgabe der griechischen Übersetzung der Genesis, für die er 1868 durch die Universität Halle mit dem Titel "Dr. phil. h.c." geehrt wurde.
[Bearbeiten] Universitätsprofessor und politische Interessen
Im März 1869 wurde Lagarde als Nachfolger von Heinrich Ewald an die Universität Göttingen berufen. Dort übernahm er den Lehrstuhl für orientalische Sprachen und wurde – nach anfänglichen Anfeindungen – sogar als Mitglied in die Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften aufgenommen.
Lagarde stand im Briefwechsel mit Moritz von Egidy, Julius Langbehn, Ferdinand Tönnies und Richard Wagner. Bekannt war Lagarde mit dem Gründer der antisemitischen Berliner Bewegung, Adolf Stoecker. Interesse zeigte er auch für den deutschen Volksverein von Bernhard Förster und Max Liebermann von Sonnenberg sowie für die Deutschsoziale Partei von Theodor Fritsch. Aus seinen Deutschen Schriften geht u.a. hervor, dass er die Juden als größte Barriere für die deutsche Einigung ansah. Aus diesem Grund wird er zu den Wegbereitern des Antisemitismus gezählt.
[Bearbeiten] Nachlass
Im Alter von 64 Jahren starb Paul Anton de Lagarde am 22. Dezember 1891 in Göttingen. Sein Nachlass wird von der Universitätsbibliothek Göttingen betreut. Seine große Privatbibliothek wurde als Ganzes an die New York University verkauft. 1897 wurde von seiner Witwe Anna de Lagarde eine Gesamtausgabe seiner Werke veröffentlicht.
[Bearbeiten] Werke
- Initia chromatologiae arabicae (1849)
- Arica (1851)
- Konservativ? (1853)
- Über die gegenwärtigen Aufgaben der deutschen Politik 1853)
- Didascalia apostolorum syriace (1854)
- Anmerkungen zur griechischen Übersetzung der Proverbien (1863)
- Gesammelte Abhandlungen (1866)
- Genesis graece (1868)
- Armenische Studien (1877)
- Semitica (1878)
- Orientalia (1.1879 - 2.1880)
- Persische Studien (1884)
- Symmicta (1.1877 - 2.1889)
- Übersicht über die im Aramäischen, Arabischen und Hebräischen übliche Bildung der Nomina (1.1889 - 2.1891)
- Nationale Religion (1934)
[Bearbeiten] Literatur
- Peter Emil Becker: Sozialdarwinismus, Rassismus, Antisemitismus und Völkischer Gedanke. Stuttgart u.a.: Thieme. 1990. ISBN 3-13-736901-0
- Reinhard Brandt (Hrsg.): Philosophisches Denken - politisches Wirken. Hermann-Cohen-Kolloquium 1992. Hildesheim u.a.: Olms. 1993. (= Philosophische Texte und Studien; 35) ISBN 3-487-09750-8
- Richard Breitling: Paul de Lagarde und der grossdeutsche Gedanke. Wien u.a.: Braumüller. 1927.
- Otto Conrad: Paul de Lagarde. Ein Prophet deutscher Bildung und deutschen Volkstums. Langensalza: Beyer. 1928. (= Friedrich Manns pädagogisches Magazin; 1182)
- Hans-Georg Drescher: Ernst Troeltsch und Paul de Lagarde. In: Mitteilungen der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft; 3; 1984. S. 95-115.
- Raimund Eberhard: Philosophie der Weltanschauung. Ein Versuch philosophischer Deutung im Geiste Fichtes, Paul de Lagardes und Schillers. Rostock: Hinstorff. 1935.
- Jean Favrat: La Pensée de Paul de Lagarde (1827-1891). Contribution à l'étude des rapports de la religion et de la politique dans le nationalisme et le conservatisme allemands au XIXème siècle. Lille u.a.: Atelier de Reproduction des Thèses, Univ. de Lille III u.a. 1979. ISBN 2-7295-0071-5
- Göttinger Arbeitskreis für syrische Kirchengeschichte (Hrsg.): Paul de Lagarde und die syrische Kirchengeschichte. Göttingen: Selbstverl. 1968.
- Wilhelm Hartmann: Paul de Lagarde, ein Prophet deutschen Christentums. Seine theologische Stellung, Religionsanschauung und Froemmigkeit. Halle: Akadem. Verl. 1933. (= Theologische Arbeiten zur Bibel-, Kirchen- und Geistesgeschichte; 1)
- Roman Heiligenthal: Art. Lagarde, Paul Anton de. In: TRE 20 (1990), S. 375-378
- Kurt Klamroth: Staat und Nation bei Paul de Lagarde. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Ideenlehre im 19. Jahrhundert, zugleich eine Gedenkschrift zum 100. Geburtstage Lagardes am 2. November 1927. Leipzig: Deichert. 1928. (= Abhandlungen der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen; 8)
- Fritz Krog: Lagarde und der deutsche Staat. Eine Übersicht über Lagardes Denken. München: Lehmann. 1930.
- Robert W. Lougee: Paul de Lagarde. 1827-1891. A study of radical conservatism in Germany. Cambridge, Mass.: Harvard Univ. Pr. 1962.
- Doris Mendlewitsch: Volk und Heil. Vordenker des Nationalsozialismus im 19. Jahrhundert. Rheda-Wiedenbrück: Daedalus. 1988. ISBN 3-89126-022-9
- Wilhelm Mommsen: Paul de Lagarde. Zu seinem 100. Geburtstag am 2. November 1927. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 1927.
- Alfred Rahlfs: Paul de Lagardes wissenschaftliches Lebenswerk im Rahmen einer Geschichte seines Lebens dargestellt. Berlin: Weidmann. 1928. (= Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens; Bd. 4, H. 1)
- Ludwig Schemann: Paul de Lagarde. Ein Lebens- und Erinnerungsbild. 3. Aufl. Leipzig u.a.: Matthes. 1943.
- Lothar Schmid: Paul de Lagardes Kritik an Kirche, Theologie und Christentum. Stuttgart: Kohlhammer. 1935. (= Tübinger Studien zur systematischen Theologie; 4)
- Ulrich Sieg: Deutschlands Prophet. Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus. München u. Wien: Hanser. 2007. ISBN 3-446-20842-9 .
- Hans Walter Schütte: Lagarde und Fichte. Die verborgenen spekulativen Voraussetzungen des Christentumsverständnisses Paul de Lagardes. Gütersloh: Mohn. 1965.
- Andreas Urs Sommer: Zwischen Agitation, Religionsstiftung und "hoher Politik". Paul de Lagarde und Friedrich Nietzsche, in: Nietzscheforschung. Ein Jahrbuch, Bd. 4, Berlin 1998, S. 169-194
- Fritz Stern: Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland. Bern u.a.: Scherz. 1963. / - München. dtv. 1986. ISBN 3-423-04448-9 / - Stuttgart. Klett-Cotta. 2005. ISBN 3-608-94136-3 .
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Paul Anton de Lagarde im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag (mit Literaturangaben) im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)
Personendaten | |
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NAME | Lagarde, Paul Anton de |
ALTERNATIVNAMEN | Bötticher, Paul Anton |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kulturphilosoph und Orientalist |
GEBURTSDATUM | 2. November 1827 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 22. Dezember 1891 |
STERBEORT | Göttingen |