Projektunterricht
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Projektunterricht bezeichnet allgemein die Organisation des Unterrichts als Arbeit an einem Projekt, wird aber speziell in der Pädagogik zusammen mit dem synonymen Begriff der Projektmethode für eine seit Anfang der 1970er Jahre verstärkt diskutierte Reformidee gebraucht, vor allem in der Hochschuldidaktik. Anfang der 1980er Jahre erfolgte eine verstärkte Adaption in der Schulpädagogik als Reaktion auf den Frontalunterricht. Die Projektmethode wird meist mit John Dewey und William Heard Kilpatrick verbunden, wurde aber nicht von ihnen erfunden. Die Projektmethode hat in der Pädagogik eine lange Tradition. Sie reicht bis ins 16.Jahrhundert in Italien (Architekturstudenten erstellen progetti) bzw. ins frühe 18. Jahrhundert in Frankreich zurück. Damals in Paris an der Académie Royale d'Architecture sprach man von 'projets', wenn die Studenten selbstständig Pläne und Entwürfe für ein größeres Bauvorhaben - zum Beispiel einen Pavillon - anzufertigen hatten. Von den Bauakademien und technischen Hochschulen in Frankreich verbreitete sich die Idee des Lernens am Projekt nach Deutschland, Österreich, in die Schweiz und - Mitte des 19. Jahrhunderts - auch in die Vereinigten Staaten. Calvin M. Woodward von der Washington University in St. Louis war es dann, der den Projektgedanken von der Hochschule auf die Schule übertrug.
Projekte in der Pädagogik fordern eine andere Lernerpersönlichkeit als Frontalunterricht. Der im Rahmen von Projekten erzielten Lerneffekte wird von der Forschung als vielschichtiger, tiefergehend und resistenter gegen das Vergessen beschrieben. Dies ist eine Folge der Handlungsorientierung und der Wissensvernetzung mit benachbarten Wissensgebieten.
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[Bearbeiten] Bedeutung in Deutschland
Besonders in der Folge der PISA-Studie, die erhebliche methodische und inhaltliche Defizite im deutschen Schulsystem aufgedeckt hat, erlebt die Projektmethode einen Aufschwung. Diese Entwicklung erfasst mit Verzögerung auch den Hochschulbereich. Gefördert werden die so bewirkten Änderungen durch die Verbreitung des Internets, die eine Kommunikation auch außerhalb von Unterrichtsräumen ermöglicht und die für Projekte notwendige Arbeitskontinuität fördert.
[Bearbeiten] Projektunterricht - eine Definition
In der Schulpädagogik kennt man die Begriffe “Projektunterricht”, “projektartiger” oder “projektorientierter Unterricht” oder schlicht “Projekt”. Man kann Projektunterricht bezeichnen als
- "ganzheitliche, integrative Lernform, der ein Höchstmaß an curricularer Offenheit zukommt und die den bestmöglichen Raum für Lernermitbestimmung und Schülerorientierung bei Themenfindung und Lernzielfestlegung, für Binnendifferenzierung und kooperatives Verhalten bereitstellt." (vgl. Legutke, Michael)
Karl Frey erinnert mit dem Begriff „Projektmethode“ an William Heard Kilpatrick, „The Project Method“ von 1918 und verdeutlicht damit, dass die Wurzeln für seine Projektmethode im amerikanischen Pragmatismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts liegen. Er spricht bewusst nicht von Projektunterricht, weil seine Konzeption über institutionell organisierten Unterricht hinausgeht, also auch für Erwachsenenarbeit, außerschulische Jugendarbeit und im Beruf Geltung besitzen.
[Bearbeiten] Merkmale des Projektunterrichts
Zur genaueren Eingrenzung erweist sich ein Merkmalskatalog als sinnvoll. Projektunterricht zeichnet sich aus durch:
- Handlungsorientierung, wobei körperliche und geistige Arbeit gefragt sind und möglichst alle Sinne angesprochen werden sollen (vgl. auch Handlungsorientierter Fremdsprachenunterricht)
- Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Schüler wie bei freier Arbeit und Lernerautonomie
- Teamwork
Projektunterricht kann sich auszeichnen durch:
- Situationsbezogenheit mit Verbindung zum wirklichen Leben
- Interessensbezogenheit, wobei das Interesse auch erst im Laufe der Zeit entstehen kann
- zielgerichtete Planung
- Geschwindigkeit und Vernetzung der Teilnehmer, Umformung der Klasse zum neuralen Netz
- Interdisziplinarität (fächerübergreifende Projekte)
- Gesellschaftsrelevanz
- Ganzheitlichkeit
[Bearbeiten] Phasen des Projekts
Nach Emer/Lenzen (2002) gliedert sich der Ablauf eines schulischen Projektunterrichts in folgende Phasen:
- Initiierung - Der Projektunterricht wird initiiert und Ideen für Projekte gefunden.
- Einstieg - Die Projekte werden eingeleitet und geplant.
- Durchführung - Die Projekte werden durchgeführt und begleitet.
- Präsentation - Die Projektergebnisse werden präsentiert.
- Auswertung - Die Projekte werden ausgewertet und u. U. weitergeführt.
[Bearbeiten] Der Klassenraumdiskurs
Jedes Unterrichtsarrangement verfügt über einen spezifischen Klassenraumdiskurs. Beim Projektunterricht fokussiert der Klassenraumdiskurs auf die Phase der Ergebnispräsentationen. Dies kann von einer einfachen Präsentation in der Art eines Referates erfolgen oder bei entsprechender Schulung im Sinne der LdL-Methode.
[Bearbeiten] Die Relation Lehrer-Schüler
Eine Auseinandersetzung mit den oben aufgeführten Konstituenten der Projektarbeit verdeutlicht, dass auf Lehrer sowie Schüler völlig neue Aufgaben zukommen, die sich wesentlich vom traditionellen Unterricht unterscheiden. Gleichzeitig wachsen mit dem Projektunterricht auf beiden Seiten wesentliche Potentiale und Möglichkeiten des Kompetenzerwerbs. Für den Lehrer bedeutet der Projektunterricht zunächst einmal die Aufgabe seines Organisationsmonopols, was ihm aber die Möglichkeit verschafft, als Lernpartner für die Schüler seine pädagogische und fachliche Kompetenz wirklich ins Spiel zu bringen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Schüler mithilfe moderner Kommunikationsmittel, besonders des Internets, in der Lage sind, auf ein unglaublich breites Spektrum an Wissen und Information zugreifen zu können. Für den Fremdsprachenunterricht bedeutet dies, dass sich die Lehrerrolle vom Sprachvermittler zum Human Resource Manager entwickelt. Dennoch behält er als pädagogischer, fachlich professioneller und didaktischer Experte die Koordination im Überblick, muss erspüren, wann Interventionen notwendig sind und wann selbstbestimmtes Lernen gefragt ist. Legutke fasst diese Rolle im Term "der Lehrer als teilnehmender Leiter" zusammen.
Bezogen auf die Schülerperspektive verwendet Legutke den Begriff "leitender Teilnehmer" und verdeutlicht somit, dass der Schüler aus seiner passiv-rezeptiven Haltung heraus aufgefordert ist, selbst aktiv zu werden, verschiedene Kompetenzen zu erwerben und diese dann auch einzusetzen. Die für und durch den Projektunterricht zu entfaltende Projektkompetenz ist als Überbegriff zu werten und schließt folgende Teilkompetenzen mit ein:
- Kooperationskompentenz in Verbindung mit der Arbeit in Teams und Gruppen
- Kommunikationskompetenz zum Herstellen und Pflegen von Kontakten, zur gemeinsamen Reflexion und Arbeit im Projekt
- Organisationskompetenz schon im Planungsprozess
- Produktionskompetenz hinsichtlich der zu erstellenden Produkte wie Texte, Videos, Photos, Reportagen, Websites usw.
- Self-Access-Kompetenz, d.h. Fähigkeit zur Selbstbestimmung, Selbstreflexion und die Selbstständigkeit der Schüler
- didaktische Kompetenz, die letztendlich darauf abzielt, dass Lernende selbst als Lehrende tätig werden, wenn sie ihre Produkte im Plenum oder sogar in der Öffentlichkeit präsentieren.
[Bearbeiten] Weiterführendes
Literatur
- Apel, H. J. / Knoll, M. : Aus Projekten Lernen. Grundlegung und Anregungen. München 2001.
- Bastian, J./Gudjons, H./Schnack, J./Speth, M. (Hgg.): Theorie des Projektunterrichts. Hamburg 1997.
- Dewey, J. (1930): Demokratie und Erziehung. Weinheim 1993.
- Dewey,J; Kilpatrick,W.H.: Der Projektplan. Grundlegung und Praxis. Weimar 1935.
- Frey, Karl: Die Projektmethode. 10. Auflage, Weinheim 2005.
- Gudjons, Herbert: Handlungsorientiert lehren und lernen: Projektunterricht und Schüleraktivität. Bad Heilbrunn 1986.
- Hänsel, Dagmar (Hrsg.): Handbuch Projektunterricht. Weinheim 1997.
- Knoll, Michael: John Dewey und die Projektmethode. Zur Aufklärung eines Missverständnisses. In: Bildung und Erziehung 45 (1992), S. 89-108.
- Knoll, Michael: Die Projektmethode - ihre Entstehung und Rezeption. Zum 75. Jahrestag des Aufsatzes von William H. Kilpatrick. In: Pädagogik und Schulalltag 48 (1993), S. 338-351.
- Knoll Michael: Faking a Dissertation: Ellsworth Collings, William H. Kilpatrick and the 'Project Curriculum'. In: Journal of Curriculum Studies 28 (1996), S. 193-222.
- Lenzen, Dieter/Emer, Wolfgang: Projektunterricht gestalten - Schule verändern. Baltmannsweiler 2002.
- Reinhardt, Volker (Hrsg.): Projekte machen Schule, Schwalbach, 2005
Weblinks
- Internet- und Projektkompetenz
- Projektunterricht im ZUM-Wiki (mit vielen Literaturhinweisen)
Siehe auch
- Lernen durch Lehren
- PM-Linkliste - eine ausführliche Linksammlung zum Thema Projektmanagement