Prozessleitsystem
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Ein Prozessleitsystem (engl. process control system PCS) dient zum Führen einer verfahrenstechnischen Anlage, zum Beispiel einer Raffinerie. Es besteht typischerweise aus sogenannten prozessnahen Komponenten (PNK) und Bedien- und Beobachtungsstationen (BUB).
Prozessleitsysteme werden meist für größere Anlagen eingesetzt und bestehen meist aus einem Paket das folgende Mechanismen beinhaltet:
- PNK zur Steuerung von Aktoren und Aufnahme der Messwerte
- Alarmsystem
- Anlagenvisualisierung
- Kurvenaufzeichnung von analogen Messwerten
- Benutzerverwaltung
- Engineeringmöglichkeit
Meist sind auch folgende zusätzliche Mechanismen erhältlich:
- Batch-System zur Rezeptfahrweise
- Routensystem für die Auswahl von Förderwegen
- Technische Diagnosemöglichkeiten
- Datenschnittstellen zu externen Systemen
- Recheneinheiten für anspruchsvollere Regelungstechnik
- Datensicherungssysteme
Die prozessnahen Komponenten sind in Schaltschränken, die sich in Schalträumen befinden, eingebaut. Sie erledigen die eigentlichen Steuerungs- und Regelungsaufgaben und sind mit Sensoren (zum Beispiel Druckmessumformern) sowie Aktoren (zum Beispiel Regelventilen) verbunden. Die Bedien- und Beobachtungsstationen dienen der Visualisierung der verfahrenstechnischen Anlage und befinden sich in der Schaltwarte, die ständig mit Anlagenfahrern besetzt ist. Prozessnahe Komponenten und Bedien- und Beobachtungsstationen sind über ein Bussystem miteinander verbunden.
Prozessleitsysteme gibt es heute in unzähligen verschiedenen Ausführungen. Die geschichtliche Entwicklung in der PLS-Technik kann man in 4 Stufen unterteilen:
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[Bearbeiten] Historie
[Bearbeiten] Manueller Betrieb vor 1960
Die Messgrößen wurden an Ort und Stelle ausgewertet und angezeigt, es wurde keine Sammlung der Daten betrieben. Es war zum Beispiel einfach eine Druckmessung in ein Rohr eingebaut, wollte man wissen wie groß der Druck in der Leitung ist musste man sich vor Ort begeben und die Anzeige ablesen. Die Stellglieder waren auch noch nicht automatisiert, wollte man eine Leitung absperren musste man vor Ort das Ventil schließen. Das Anlagenpersonal musste also ständig in der Anlage Messwerte ablesen und die entsprechenden Aktoren stellen um den Prozess im gewünschten Bereich zu halten. Dadurch waren nur kleine Anlagen möglich und ein hoher Personaleinsatz war von Nöten.
[Bearbeiten] Parallele Systeme ab ca. 1960
Einzelne leittechnische Maßnahmen wurden durch pneumatische oder elektrische Regeleinrichtungen übernommen. Wichtige Messwerte wurden elektrisch gemessen und in den ersten Bedienwarten angezeigt. Die wichtigsten Imformationen und Aktoren konnten erstmals von einem zentralen Platz, der Warte verwaltet werden. Durch die hohe Verantwortung musste das Wartenpersonal speziell geschult werden. Für jeden Sensor und Aktor gab es ein System, was dazu führte, dass bei den ersten größeren Anlagen die gebaut wurden teilweise hunderte Bedien- und Beobachtungssysteme in die Leitwarte eingebaut wurden. Für jedes Ventil benötigte man einen Schalter, für jede Messung eine Anzeige. Riesige Meßwarte entstanden, in denen oft Unübersichtlichkeit herrschte.
[Bearbeiten] Zentrale Systeme ab ca. 1970
Durch die Einführung der Mikrocontroller war es erstmals möglich, Abläufe zu automatisieren. Eine zentrale Steuereinheit konnte selbständig Aktionen durchführen, zum Beispiel gewisse Prozesszustände auswerten und daraufhin die gewünschten Maßnahmen einleiten. Durch die teilweise Entlastung des Bedienpersonals konnten komplexere und größere Anlagen gebaut werden. Erste Visualisierungssysteme kamen auf den Markt und versuchten das Chaos an Anzeigen und Schaltern in den Meßwarten einzudämmen. Es wurde nun versucht, so viele Signale wie nur möglich zentral zu erfassen, da durch die Rechnerunterstüzung diese Informationsflut bewältigt werden konnte. Die Anlagenfahrer hatten erstmals den Großteil der Informationen in der Warte verfügbar, was die Bedienung weiter vereinfachte. Ein Nachteil der Zentralisierung war jedoch, daß beim Ausfall der zentralen Recheneinheit die gesamte Anlage stand. Die geringe Verfügbarkeit der Anlagen versuchte man durch Redundanzkonzepte zu bekämpfen.
[Bearbeiten] Dezentrale Systeme ab ca. 1985
Durch die sinkenden Preise am Halbleitermarkt wurden dezentrale Konzepte erschwinglich. Mehrere Recheneinheiten steuern den Prozess und kommunizieren untereinander mit einem Bussystem. Es wird also nicht mehr eine große Steuerung die alles steuert verwendet, sondern mehrere kleine, die untereinander in Kommunikation stehen. Fällt nun eine Steuerung aus steht nicht die gesamte Anlage, schließlich laufen die anderen Steuerungen weiter. Dadurch wurde die Anlagenverfügbarkeit erhöht. Die Steuerungen untereinander kommunizieren über ein Bussystem, an dem auch die Bedien- und Beobachtungsstationen angeschlossen sind. Durch diese Trennung von Visualisierung und Steuerung ist es möglich spezialisierte Produkte einzusetzen und diese räumlich zu trennen. Die Steuerungen sind meist aus Mikrocontrollern aufgebaute Spezialsysteme die in den Schaltschränken der Anlage hängen und dort mit der Prozessperipherie verbunden sind. Sie sind äuserst robust, ausfallsicher, modular und in verschiedenen Leistungsklassen erhältlich. Die Visualisierung wird meist über PCs oder PC ähnliche Produkte realisiert. Erstmals in der Geschichte war es auch mit vertretbarem Aufwand möglich, mehrere Bedienplätze einzurichten. Durch diesen dezentralen Aufbau konnten erstmals Anlagen realisiert werden die an Größe und Komplexität heute noch Stand der Dinge sind. Für die Anlage x benötige ich zum Beispiel 10 Steuerungen und 3 Bedienplätze. Wenn ich nun eine größere Anlage baue, erhöhe ich die Anzahl der Steuerungen und für das zusätzliche Personal werden neue Bedienstationen aufgebaut. In der Realität konnten jedoch nur Anlagen bis zu einer bestimmten Größe gebaut werden da die Kommunikationslast die Systembusse derart beanspruchte das die Bedienung einfacher Ventile unter Umständen schlicht zu langsam wurde. Auch wirkten sich die Engineeringkosten limitierend aus, da nur wenige technische Standards eingesetzt wurden und sich so die unterschiedlichen Systeme der Hersteller stark unterscheiden. Dies hatte zur Folge, dass Engineeringpersonal meist nur auf einen oder wenige Hersteller eingelernt war und somit wenig Wettbewerb bestand.
[Bearbeiten] Dezentrale Windows-Systeme ab ca. 1995
Durch den Einsatz von Standard PC-Architektur und Software konnten die Kosten weiter gesenkt werden. Die meisten Hersteller setzen auf Microsoft Windows auf den Bedieneinheiten, was sich als Industriestandard durchgesetzt hat. So gut wie alle Prozessleitsysteme arbeiten heute mit Datenbanken, wobei auf Produkte aus der IT-Welt zurückgegriffen wird. In diesen Datenbanken werden alle relevanten Informationen gespeichert und stehen somit allen Systemen als ein Datenbestand zur Verfügung. Auf den meisten Systembussen wird Ethernet verwendet. Dadurch ist es nicht mehr notwendig auf Spezialkomponenten zurückzugreifen, sondern man kann ausgereifte und leistungsfähige Standardprodukte aus der IT-Welt kaufen. Durch die Nutzung der selben Techniken durch mehrere Hersteller ist es heute kein allzu großes Problem für einen Ingenieur sich in die Produkte mehrerer Hersteller hineinzuarbeiten, was den Wettbewerb belebt. Der Anwender hat gegenüber älteren Systemen den Nutzen, dass er die Bedienung mit Maus und Tastatur aus der Büroumgebung wieder erkennt. Große Kostenersparnisse ergeben sich auch durch den Einsatz der Feldbusse mit ihnen werden Geräte und EA/Peripherie angebunden. Dadurch kann nicht nur der aktuelle Wert der Messung wie früher üblich ausgewertet werden, es besteht auch die Möglichkeit Einstellungen vorzunehmen und Parameter auszulesen. Des Weiteren kann die E/A Peripherie weiter ins Feld hinaus verlagert werden was Kostenvorteile bei der Verkabelung bringt.
[Bearbeiten] Zukunft
Die Hardware der Prozessleitsysteme bewegt sich immer mehr weg von spezialisierten Systemen hin zu verbreiteten und günstigen IT-Komponenten. Des Weiteren ist eine weitere Dezentralisierung zu bemerken, was die Intelligenz in immer kleinere, feldnähere und mobile Einheiten bringt. Durch den Einsatz von vorgegebenen Engineeringelementen und Projektierungshilfen werden die Engineeringkosten weiter gesenkt. Erste Systeme mit Linux beginnen am Markt Fuß zu fassen, während gleichzeitig Microsoft Windows nun auch in Form von Windows CE in die kleineren, feldnahen und mobilen Einheiten vordringt. Ebenso gewinnt die Integration von Fremdanlagen (Packages) weiter an Bedeutung. ERP-, MES- und CMMS-Schnittstellen werden immer besser integriert.
[Bearbeiten] Architektur von Prozessleitsystemen
Es gibt heute unzählige unterschiedliche Architekturen von Prozessleitsystemen die gebräuchlichsten sind jedoch die Einbus-Architektur und die Serverarchitektur
[Bearbeiten] Einbusarchitektur
Hier sind die PNK und BUB Stationen auf einem Bus aufgereiht. Dabei kann jede BUB Station die gewünschten Daten von jeder PNK abgreifen und dieser wiederum Befehle erteilen. Ein prominenter Vertreter dieser Architektur ist die Emerson Electric Company mit DeltaV. Diese Architektur hat den Vorteil, dass eine hohe Verfügbarkeit gegeben ist und die Intelligenz sehr dezentral verteilt ist. Nachteile sind die oft komplizierte Datenhaltung (Bildänderungen, Download der Clients, Engineeringserver) und die oft hohe Buslast bei großen Anlagen.
[Bearbeiten] Serverarchitektur
Hier sind zwei Bussysteme aufgebaut. Der Systembus verbindet alle PNKs mit dem Server, der Terminalbus verbindet alle BUB Einheiten mit dem Server. Die BUB Einheiten und die PNKs haben keine physikalische Verbindung. Der Server sammelt zyklisch von allen PNK die gewünschten Daten und stellt sie im Terminalbus den BUB Einheiten zur Verfügung. Ein prominenter Vertreter dieser Architektur ist Siemens mit PCS7. Diese Architektur hat den Vorteil, dass durch die getrennten Bussysteme die Buslast gut skaliert werden kann und dass ein einfacher Eingriff für Fremdapplikationen (MES, ERP…) durch den Server ermöglicht werden kann. Nachteil ist, dass bei einem Serverausfall keine Bedienung mehr möglich ist (Redundanzkonzepte nötig) und die zusätzliche benötigte Hardware. Oft sind heute auch Mischversionen dieser Architekturen im Einsatz und spezielle Architekturen für besondere Einsatzgebiete zum Beispiel besonders hohe Verfügbarkeit, hohe Verarbeitungsgeschwindigkeiten, geringe Kosten und besondere Flexibilität im Einsatz.
[Bearbeiten] Erkennungsmerkmale eines Prozessleitsystems
Ursprünglich konnte man ein PLS durch zwei Merkmale erkennen:
- ein PLS ist zeitdeterministisch
- ein PLS hat eine Datenbasis für alle beteiligten Systeme
Unter einem Zeitdeterministischen Verhalten wird verstanden, dass das Anwenderprogramm in festen Taskzyklen abgearbeitet wird. Diesen Taskzyklen sind feste Bearbeitungszeiten zugewiesen die diese im Normalfall auch einhalten. Zum Beispiel kann ein Task sekündlich ausgeführt werden. Das Anwenderprogramm das diesem Task zugewiesen ist wird dann sekündlich abgearbeitet. Auch wenn dieses Anwenderprogramm in 200ms abgearbeitet ist wird es nur sekündlich gestartet. Wenn nur ein Task auf der CPU ausgeführt werden würde wäre dies Ressourcenverschwendung. Wenn nun in diesem Anwenderprogramm aufgrund eines Programmierfehlers oder aus anderen Gründen eine Endlosschleife ausgeführt wird erhöht sich die Abarbeitungszeit von 200ms auf 1000ms. Spätestens nach einer Sekunde wird jedoch das Anwenderprogramm abgebrochen da der Task beendet ist. Wenn der Task wieder neu gestartet wird, wird auch das Anwenderprogramm neu ausgeführt. Wenn man nun das Anwenderprogramm seiner verfahrenstechnischen Anlage in mehrere Teile zerlegt und diese durch unterschiedliche Tasks abarbeiten lässt, kann man erreichen, dass beim Ausfall eines Programmteils durch fehlerhaften Code die anderen Programmteile trotzdem durch ihre Tasks ausgeführt werden. Wird in einem Task eine Endlosschleife ausgeführt, belegt dieser zwar die CPU wird aber spätestens dann abgebrochen wenn ein anderer Task zur Ausführung eingeteilt wird. Dadurch kann man Teilanlagen Programmtechnisch voneinander entkoppeln und Performaceoptimierungen vornehmen. Man kann zum Beispiel Temperaturmessungen die ihren Wert nur im Minutenbereich ändern in einen 5 Sekunden Task legen und Druckmessungen die sich sehr schnell ändern in einem 200 ms Task abarbeiten. Durch dieses System kann man deterministisch, also bestimmt, sagen, dass diese Druckmessung alle 200ms ausgewertet wird, egal ob andere Programmteile fehlerhaft sind und es wird erreicht, dass Systemgrößen, die nur eine geringe zeitliche Dynamik aufweisen, wie etwa die Temperaturmessung, die CPU nicht zu stark beanspruchen..
Unter einer Datenbasis für alle beteiligten Systeme versteht man, daß Prozessobjekte (z.Bsp. eine Druckmessung) in der PNK und in den BUB nicht doppelt angelegt werden müssen. In der PNK muss für die Druckmessung ein Programm vorhanden sein, das aus der Hardware den Messwert aufnimmt und eine Grenzwertüberwachung durchführt. Übersteigt der Messwert einen eingestellten Grenzwert wird ein Alarm ausgelöst (z.B. "Kessel 42 hat Überdruck") der vom Alarmsystem gehandhabt wird. Des weiteren wird der gemessene Wert vom Visualisierungssystem angezeigt damit der Anlagenfahrer Informationen erhält. Nun kann auch noch ein Tagloggingsystem (Kurvenarchivierung) die Messwerte aufnehmen damit später Meßwertkurven dargestellt werden können. Damit nun in all diesen Systemen die Druckmessung vorhanden ist müssen alle Systeme ihre Informationen aus einer Datenbasis erhalten.
Speicherprogrammierbare Steuerungen und Prozessleitsysteme sind heute zusammengewachsen.