Ramakien
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Ramakien, auch Ramakirti (Thai: รามเกียรติ์), „Zu Ehren Ramas“, ist die thailändische Fassung des indischen Nationalepos Ramayana.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Vom Ramayana zum Ramakien
Der ursprünglich aus Indien stammende Ramayana wurde im 3. Jahrhundert v. Chr. von Valmiki, einem zuerst als Eremit in den Wäldern lebenden und späteren Gelehrten, niedergeschrieben. Indische Händler, Reisende und Gelehrte brachten die Erzählung nach Südostasien, wo sie zuerst in den historischen Reichen der Khmer (Funan, Angkor) und Javas (Srivijaya), die in engem wirtschaftlichem und kulturellem Austausch mit Indien standen, Verbreitung fand.
Im späten 1. Jahrtausend wurde das Epos auch bei den, aus dem südlichen China kommend nach Südostasien zuwandernden, Thai bekannt. Die ältesten Aufzeichnungen der Bewohner des Thai-Königreiches Sukhothai, die über das Epos berichten, stammen aus dem 13. Jahrhundert. Anfangs wurde die Geschichte in Form von Schattentheatern (thai: หนัง, Nang, deutsch: Leder) nachgespielt, ähnlich dem aus Indonesien bekannten Wayang Kulit. Dabei wurden die Charaktere der Erzählung in Form von flachen, aus Leder gefertigten, bemalten und an Holzstäben befestigten Schattenpuppen von den Puppenspielern vor einem beleuchteten Tuch bewegt auf dessen anderer Seite die Zuschauer saßen.
Erst im 18. Jahrhundert wurde die Erzählung in Ayutthaya, dem auf Sukhothai folgenden Königreich der Thai, schriftlich aufgezeichnet. Dabei entstanden mehrere verschiedene Nachdichtungen von denen die meisten bei der Eroberung und Zerstörung der Stadt Ayutthaya durch das Heer Pegus (heute Myanmar) im Jahr 1767 vernichtet wurden.
Die bekannteste überlieferte Fassung ist unter der Aufsicht von König Rama I. (1736–1809) entstanden, dem Begründer der bis heute in Thailand bestehenden Chakri-Dynastie, der zwischen 1797 und 1807 zeitweise an der Textgestaltung mitgewirkt hat.
Aus der Regierungszeit König Ramas I. stammen auch die Malereien mit Darstellungen von Szenen aus dem Ramakien an den Wänden des Phra Rabieng (Wandelgang, Galerie), der den Wat Phra Kaeo in der Hauptstadt Bangkok umgibt. Sein Sohn, Rama II. (1766–1824), verfasste eine weitere Version für Tänzer. Diese spezielle Form der höfischen Tanzkunst, Khon (thai: โขน) genannt, hat ausschließlich Erzählungen aus dem Ramakien zum Inhalt. Die Tänzer tragen dabei kunstvolle Kostüme und Masken. Letztere dienen vor allem auch der Identifizierung der verschiedenen Charaktere.
Ursprünglich wurde der Khon-Tanz nur am Hof des Königs aufgeführt. Vor etwa 100 Jahren wurde diese Kunstform auch dem einfachen Volk vorgestellt und gehört mittlerweile zum Lehrprogramm des thailändischen College of Dramatic and Performing Arts. Anlässlich des 60-jährigen Thronjubiläums von König Bhumibol präsentierten 40 Tänzerinnen, Tänzer und Musiker den Khon-Tanz in einer Tournee vom 13. September 2006 bis zum 1. Oktober 2006 zum ersten Mal in Deutschland und der Schweiz. Heute wird der Khon-Tanz regelmäßig im Sala Chalermkrung Royal Theatre in Bangkok aufgeführt.
[Bearbeiten] Ein thailändisches Epos
Das Ramakien wurde seit seiner Entstehung zu einem festen Bestandteil der thailändischen Kultur. Es wird heute kaum mehr als Adaption einer fremden Dichtung angesehen, sondern ist vielmehr Teil der eigenen kulturellen Identität.
Voraussetzung dafür war, dass die Erzählungen an die Lebensumstände und Lebensweise der Thai angepasst wurden. Dabei wurden nicht nur die Namen der handelnden Charaktere, vom Gott Phra Narai (Ramayana: Narayana), über den Helden Phra Ram (Ramayana: Rama) bis zum Dämonen Totsakan (Ramayana: Ravana) an thailändische Gegebenheiten angepasst, sondern auch praktisch alle anderen Details der Erzählung. Ortsbeschreibungen wurden ebenso an das Land der Thai angeglichen, z.B. wird Phra Ram als Sohn des Königs Ayutthaya geboren, wie auch die Beschreibungen der Paläste, der Kleidung der Handelnden, deren Sitten und Umgangsformen und vieles mehr.
Auch inhaltlich bestehen einige Unterschiede zum Ramayana. Während die Erzählung in ihren Grundzügen jener des indischen Vorbildes entspricht, wurde beispielsweise die Rolle Hanumans, des Gott-Königs der Affen, erweitert und der Geschichte wurde ein Happy-End angefügt.
Das Ramakien Ramas I. gilt als eines der Meisterwerke der thailändischen Literatur und hatte großen Einfluss auf deren Entwicklung. Es wird auch heute noch in den Schulen des Landes gelesen und gelehrt. Auch die darstellende Kunst, insbesondere die thailändische Tanzkunst, wurde davon beeinflusst. So gehen Khon und Nang, ursprünglich nur am königlichen Hof ausgeübte dramatische Künste, darauf zurück.
[Bearbeiten] Inhalt des Ramakien
Die Geschichte des Ramayana ist dabei auf das Königreich Ayutthaya übertragen, wo Vishnu als Phra Ram wiedergeboren wird.
[Bearbeiten] Die Hauptfiguren
[Bearbeiten] Götter
- Phra Isuan – oberster Gott auf dem Himmelsberg Krai Lat
- Phra Narai – Stellvertreter von Phra Isuan
- Mali Warat – Gott der Gerechtigkeit
[Bearbeiten] Ayutthaya
- Phra Ram – Hauptfigur (entspricht dem Rama des Ramayana), der das Gute verkörpert; er wird im Ramakien als Sohn des Königs Ekathotsarot von Ayutthaya eingeführt und ist die Inkarnation des Gottes Phra Narai.
- Nang Sida Nonglak – die bezaubernde Gemahlin des Phra Ram, die Reinheit und Treue verkörpert
- Phra Lak, Phra Phrot und Phra Sat Rut – Stiefbrüder von Phra Ram und Inkarnationen verschiedener Götter
- Ekathotsarot (Herr der 10 Wagen) – 3. König von Ayutthaya und Vater von Phra Ram und seinen Stiefbrüdern
[Bearbeiten] Helfer des Phra Ram
- Hanuman – unsterblicher Affenkönig, der Phra Ram unterstützt und Treue und Hilfsbereitschaft symbolisiert
- Pali Thirat, Sukhrip – zwei Onkel von Hanuman und nacheinander Könige von Kit Kin, der Hauptstadt der Affen
- Ong Khot – Affenfürst und Sohn des Pali Thirat
[Bearbeiten] Gegner des Phra Ram
- Thot Sakan – zehnköpfiger König der Dämonen von Long Ka und stärkster Widersacher Phra Rams
- Inthorachit – ein Sohn des Thot Sakan
- Kum Phakan – Stiefbruder des Thot Sakan und ein Dämon mit starken Kräften
- Mai Yarap – als Esel mit magischen Kräften König der Unterwelt
[Bearbeiten] Literatur
- Thai Ramayana (abridged) – as written by King Rama I. Chalermint, Bangkok 2002 (fifth edition). ISBN 9747390183
- Jan Knappert. Mythology and Folklore in South-East Asia. Oxford University Press, 1999. ISBN 9835600546
[Bearbeiten] Weblinks
- Das Ramakien in Thai und Englisch, mit Hörbeispielen in Thai (ram-Format), Informationen zum Khon-Tanz, Fotos der Darstellungen im Wat Phra Keo und vielem mehr (en, thai).