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Schnurkeramik - Wikipedia

Schnurkeramik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als Schnurkeramiker (auch Streitaxt-Kultur) bezeichnet man zusammenfassend einen Kulturkreis des späten Neolithikums (ca. 2800 bis 2200 v. Chr.), der nach der charakteristischen Art seiner Gefäßverzierung benannt ist (mit Schnüren eingedrückte Keramikverzierungen).

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Forschungsgeschichte

Die Schnurkeramik (SK) wurde von Friedrich Klopfleisch als eigenständige Gruppe gegenüber der Bandkeramik herausgestellt (1883/84) und nach der typischen Verzierung benannt. Alfred Götze definierte bereits 1891 eine ältere und eine jüngere Stufe. Götze rechnete allerdings auch noch die Rössener Keramik zur Schnurkeramik, die er an das Ende dieser Kultur setzte. Insgesamt hielt er die SK für älter als die Bandkeramik. Damit stand er im Gegensatz zu Otto Tischler in Königsberg, der die SK 1883 an das Ende des Neolithikums gesetzt hatte. 1898 konnte jedoch K. Schumacher anhand von Stratigraphien süddeutscher Pfahlbausiedlungen zeigen, dass die Schnurkeramik an das Ende des Neolithikums und an den Übergang zur Bronzezeit zu stellen war. In Böhmen hielt L. Pic (1899) die SK für gleichzeitig mit der Bandkeramik.

[Bearbeiten] Verbreitung

Ausbreitung der Schnurkeramik ("Corded Ware")
Ausbreitung der Schnurkeramik ("Corded Ware")

Das Verbreitungsgebiet der Schnurkeramik erstreckt sich zeitweilig von der Schweiz und Mitteleuropa über Südskandinavien bis nach Zentralrussland. Den regional voneinander abweichenden Gruppen ist die Keramikverzierung, Bestattungssitten und die Verwendung von so genannten Streitäxten gemeinsam. Die skandinavische Gruppe, die Äxte in Form eines Bootes benutzte, wird Bootaxtkultur genannt. Die Bezeichnung der Äxte als Streitaxt ist irreführend: Die Äxte waren wohl Statussymbole und wurden weder für den Kampf noch zur Arbeit genutzt, sie zeigen meist keine Gebrauchsspuren.

[Bearbeiten] Ursprung

Einige Forscher machen eine autochthone Entwicklung (siehe auch: Immobilisten) und gesellschaftliche Veränderungen wahrscheinlich (Ausbildung eines neuen Prestigegütersystems, vgl. Sherratt 1977). Die Mehrzahl der europäischen Archäologen nehmen eine Einwanderung größerer Gruppen aus dem Osten an. Derzeit liegen die frühesten Datierungen (cal. BC) mit dem 29. Jh. aus Kleinpolen vor (Furholt 2003). Zur Festlegung eines Ursprungsgebietes fehlen, wie aus dem Artikel ersichtlich, ausreichende Daten.

[Bearbeiten] Bestattung

Typisch sind Einzelbestattungen unter Grabhügeln (Hockergrab). Die Toten wurden stets mit angezogenen Beinen bestattet, auf der Seite hockend, wobei Frauen immer mit dem Kopf nach Osten und Männer mit dem Kopf nach Westen liegen. Der Blick aller Toten war stets nach Süden gerichtet. Das wird als Zeichen für den Glauben an ein Weiterleben nach dem Tod gedeutet.

[Bearbeiten] Siedlungen

Siedlungen der Schnurkeramik wurden selten ergraben, deshalb glaubte man früher an eine nomadische Lebensweise. Pollendiagramme zeigen durch Zunahme der Nicht-Baum-Pollen (NBP) eine Zunahme offener Landschaft. Da die Getreidepollen nicht gleichzeitig zunehmen, liegt die Vermutung nahe, das vermehrte Viehhaltung eine wesentliche Ursache hierfür ist. Aus der Schweiz sind inzwischen eine Reihe schnurkeramischer Siedlungen bekannt.

[Bearbeiten] Schnurkeramik und Indogermanen

Viele Sprachwissenschaftler vermuten, dass die Träger der Streitaxtkultur die Vorfahren der späteren Germanen, Balten und Slawen (die Nordgruppe der Indoeuropäer, die sog. Slawogermanische Gruppe) sowie eventuell auch der Kelten und der Italiker in sich vereinigten. Ein Zusammenhang mit der sog. Kurgankultur lässt sich beim gegenwärtigen Stand der Forschung archäologisch nicht sicher herstellen. Die frühere Ansicht, dass die Schnurkeramiker das Urvolk der Indoeuropäer gewesen seien, wird daher heute kaum noch vertreten. Immer noch in der Diskussion ist hingegen, ob die Schnurkeramiker die älteste Einwanderergruppe der heutzutage indoeuropäisch genannten Sprachgemeinschaften in Mitteleuropa darstellen, wenn man davon ausgeht, dass diese eher aus der Ukraine oder evtl. auch aus Anatolien stammen und erst durch Einwanderung nach Mitteleuropa gelangten als dass diese autochthon in Mittel- oder gar Nordeuropa entstanden seien.

Siehe auch: Einzelgrabkultur

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Archäologie

  • J. E. Forssander: Die schwedische Bootaxtkultur und ihre kontinentaleuropäischen Voraussetzungen. Lund 1933.
  • [www.jungsteinsite.de Martin Furholt: Absolutchronologie und die Entstehung der Schnurkeramik. In: www.jungsteinsite.de 2003.] (Artikel vom 16. Dezember 2003)
  • Martin Furholt: Die absolutchronologische Datierung der Schnurkeramik in Mitteleuropa und Südskandinavien. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 101. Habelt, Bonn 2003. ISBN 3-7749-3206-9
  • A. Häusler: Die östlichen Beziehungen der schnurkeramischen Becherkulturen. In: Die neolithischen Becherkulturen im Gebiet der DDR und ihre europäischen Beziehungen. Hrsg. v. H.Behrens u. F. Schlette. Veröff. Landesmuseum Halle 24. Dt. Verl. d. Wiss., Berlin 1969, 255-275. ISSN 0072-940X
  • A. Häusler: Zur Frage der Beziehungen zwischen dem nordpontischen Raum und den neolithischen Kulturen Mitteleuropas. in: Jahresschr. mitteldt. Vorgesch. 64.1981, 229-237. ISSN 0075-2932
  • J. Köninger, H. Schlichtherle: Zur Schnurkeramik und Frühbronzezeit am Bodensee. in: Fundberichte aus Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 15.1990, 149-173. ISSN 0071-9897
  • J. Müller (Hrsg.): Vom Endneolithikum zur Frühbronzezeit: Muster sozialen Wandels? Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 90. Hablet, Bonn 2003. ISBN 3-7749-3138-0
  • Johannes Müller: Zeiten ändern sich. in: Archäologie in Deutschland (AiD). 1999,2. ISSN 0176-8522
  • Ernst Probst: Deutschland in der Steinzeit. Jäger, Fischer und Bauern zwischen Nordseeküste und Alpenraum. C. Bertelsmann, München 1991. ISBN 3570026698 (populäre Darstellung)
  • U. Ruoff: Die schnurkeramischen Räder von Zürich. in: Archäologisches Korrbl. Mainz 1978, 8, 275-283. ISSN 0352-734X
  • Michael Stock: Die Schnurkeramik in Sachsen-Anhalt und Thüringen auf Grund der Grabgefäße. Alteuropäische Forschungen N.F. 2. Beier und Beran, Weissbach 1998. ISBN 3-930036-33-9.
  • Andrew Sherratt, Cups that cheer. In: ders, Economy and society in prehistoric Europe: changing perspectives. Princeton, Princeton University Press 1997.
  • C. Strahm: Die Dynamik der schnurkeramischen Entwicklung in der Schweiz und in Südwestdeutschland. In: Die kontinentaleuropäischen Gruppen der Kultur mit Schnurkeramik. Schnurkeramik-Symposium Praha-Stirin 1990. Praehist. 19. Univerzita Karlova, Prag 1992, 163-177. ISBN 80-7066-527-0
  • Roland R. Wiermann: Die Becherkulturen in Hessen. Glockenbecher - Schnurkeramik - Riesenbecher. Leidorf, Rahden 2004. ISBN 3-89646-792-1
  • J.E. Walkowitz: Das Megalithsyndrom. in: Beitraege zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 36. Beier und Beran, Langenweissbach 2003. ISBN 3-930036-70-3

[Bearbeiten] Linguistik

  • Werner König: dtv-Atlas Deutsche Sprache. DTV, München 2004. ISBN 3423030259
  • Robert S.P. Beekes: Comparative Indo-European Linguistics. An Introduction. Benjamins, Amsterdam 1995. ISBN 1556195052
  • J.P. Mallory: In Search of the Indo-Europeans: Language, Archaeology, and Myth. Thames & Hudson, London 1991. (Repr.) ISBN 0500276161
  • J.P. Mallory, D. Q. Adams (Hrsg.): Encyclopedia of Indo-European Culture. Fitzroy Dearborn, London 1997. ISBN 1884964982

[Bearbeiten] Weblinks

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