Schwarzschild-Metrik
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In der Physik, speziell im Rahmen der Einstein'schen allgemeinen Relativitätstheorie bezeichnet Schwarzschild-Metrik eine Lösung der Einstein'schen Feldgleichungen.
Die äußere Schwarzschild-Lösung ist die Vakuumlösung der Feldgleichungen für einen statischen, sphärisch-symmetrischen Körper. Sie wurde 1916 von dem deutschen Astronom und Physiker Karl Schwarzschild gefunden und war die erste bekannte exakte Lösung der Einstein'schen Feldgleichungen.
Unmittelbar darauf folgte eine Publikation über das Gravitationsfeld im Inneren eines Himmelskörpers. Diese Lösung wird als innere Schwarzschild-Lösung bezeichnet und beschreibt die Physik einer homogenen Flüssigkeitskugel, die in grober Näherung als Modell für ein nichtrotierendes stellares Objekt dienen kann.
Das vollständige Schwarzschild-Modell bestehend aus der inneren Lösung und der äußeren Lösung beschreibt die Feldphysik eines nichtrotierenden Sterns oder Planeten und lässt keine Spekulationen über Schwarze Löcher zu. Für die Zusammengehörigkeit beider Lösungen ist Voraussetzung, dass an der Grenzfläche die Metrik und ihre ersten Ableitungen übereinstimmen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Äußere Lösung
[Bearbeiten] Linienelement
An die Einstein'schen Feldgleichungen für Materie
ist der Energie-Impuls-Tensor Tmn über die Einsteinsche Gravitationskonstante κ gekoppelt. Rmn ist der Ricci-Tensor, R die skalare Krümmung und gmn der metrische Tensor in Vierbeindarstellung. Unter den obigen Bedingungen beschreibt das Linienelement in Kugelkoordinaten das äußere Gravitationsfeld einer nichtrotierenden, elektrisch neutralen kugelförmigen stellaren Objekts. In Schwarzschild-Koordinaten hat es die Form:
- .
Im häufig verwendeten natürlichen Einheitensystem wird G=c=1 gesetzt. Dann nimmt das Lienienelement die Gestalt
an. Durch die Ersetzung von M durch GM/c², mit G als Gravitationskonstante und t durch ct, schließt man wieder an das physikalische Maßsystem an. Die Ausdrücke vor den Koordinatendifferenzialen sind die Komponenten des zweistufigen metrischen Tensors gμν in Schwarzschild-Koordinaten. M entspricht bis auf konstante Faktoren der gravitierenden Zentralmasse.
[Bearbeiten] Geometrische Deutung
Das Linienelement kann auf zwei Arten interpretiert werden:
1. Deutet man die radiale Koordinatenlinie r als real begehbaren Weg, so stellt der im Linienelement enthaltene metrische Tensor ein Spin-2-Feld dar. Dass dieses Feld Gleichungen gehorcht, die sich aus der Theorie gekrümmter Räume herleiten lassen, wird in diesem Fall nur als beiläufig erachtet. Für rs = 2M wird der radiale Teil der Metrik singulär. Man nennt rs den Schwarzschildradius oder Ereignishorizont. Für r < 2M schreibt man
- .
Innerhalb des Schwarzschildradius wird das radiale Linienelement zeitartig, das vormals zeitartige Linienelement raumartig. Ein stellares Objekt, das sich nach einem Gravitationskollaps auf einen Bereich innerhalb des Schwarzschildradius zusammengezogen hat, wird als Schwarzes Loch bezeichnet. Daran knüpfen sich weitere Spekulationen, wie die Einstein-Rosen-Brücke und Wurmlöcher, über die man entfernte Regionen des Weltalls oder auch Paralleluniversen erreichen kann.
2. Die andere Interpretation lehnt sich an die ursprüngliche Konzeption Einsteins an, Gravitation als Krümmung der Raumzeit zu verstehen. Die Krümmungen der Raumzeit bestimmen dabei die Gravitationswirkungen. Aus Gründen der besseren Verständlichkeit kann man sich die Raumzeit in einen höherdimensionalen Raum eingebettet vorstellen, um dann ihre Krümmung zu veranschaulichen. Für den Raumteil des Schwarzschildmodells lässt sich die dahinterliegende Geometrie recht einfach offenlegen. Das radiale Linienelement ist ein Element auf der (liegenden) Parabel , wobei R die zusätzliche Dimension im Einbettungsraum bezeichnet, die Extradimension genannt wird. An r = 0 liegt die Leitlinie der Parabel und an r = 2M ihr Scheitel. Rotiert man den oberen Ast der Parabel (R > 0) um die Leitlinie durch den Winkel θ, erhält man unter Hinweglassung der letzten zwei Dimensionen eine Fläche 4. Ordnung, das Flammsche Paraboloid.
Die Koordinate r ist im Rahmen dieser Betrachtung kein begehbarer Weg, sondern eine Hilfsvariable. An rs = 2M befindet sich eine Scheinsingularität, die durch eine geeignete Wahl der Koordinaten behoben werden kann. Für r < 2M kann dieses Modell keine Aussagen machen, die Variable r hat den Wertebereich . Das am Flammschen Paraboloid entstehende 'Loch' wird mit einer weiteren Fläche überdeckt, die aus der inneren Schwarzschildschen Lösung hergeleitet werden kann.
Die Extradimension R wird aus Gründen der Nützlichkeit eingeführt und dient zur Veranschaulichung der geometrischen Verhältnisse. Ihr braucht keine physikalische Realität zugeordnet werden. Gekrümmte Räume können durch ihre inneren Eigenschaften ohne Zuhilfenahme eines Einbettungsraums beschrieben werden und unser Anschauungsvermögen lässt auch nicht mehr als vier Dimensionen zu.
[Bearbeiten] Fallgeschwindigkeit
Da der Ereignishorizont eine lichtartige Fläche darstellt, ist die lokale Geschwindigkeit eines frei fallenden Massenpunkts am Horizont definitionsgemäß immer c.
Die Versuche, die Situation für nichtlokal definierte Geschwindigkeiten zu erläutern, zum Beispiel relativ zum Gravitationszentrum oder relativ zum Ausgangspunkt des Testkörpers, haben zu gewisser Verwirrung geführt: Es gibt zwei Thesen über die Fallgeschwindigkeit von Körpern beim Erreichen des Schwarzschildradius rs = 2M in der äußeren Schwarzschild-Metrik.
- Frei fallende Beobachter erreichen unabhängig von ihrer Ausgangsposition an rs = 2M die Lichtgeschwindigkeit, und die Schwerkraft wird dort unendlich groß. ist der Krümmungsvektor der Schwarzschildparabel und ε ihr Anstiegswinkel. Diese These ist die gängige Lehrmeinung. Eine geeignete Anpassung der inneren Lösung an die äußere Lösung mit ri > rs umgeht den problematischen Sachverhalt, dass Größen am Ereignishorizont unphysikalische Werte annehmen.
- Frei fallende Beobachter erreichen an rs = 2M nicht die Lichtgeschwindigkeit, sondern bewegen sich immer mit Unterlichtgeschwindigkeit. Diese These wurde unter anderem von Janis[1], Jaffe und Shapiro[2][3], Crawford[4] und Tereno[5][6][7] vertreten. Ihnen wurden jedoch wiederholt Interpretation- und Rechenfehler nachgewiesen[8][9][10], so dass diese These bis heute weitgehend abgelehnt wird.
[Bearbeiten] Anwendungen
Obwohl die äußere Schwarzschild-Metrik nur näherungsweise das Feld eines stellaren Objekts beschreibt, so führt sie auf unser Sonnensystem angewendet zu befriedigenden Ergebnissen. Die mit ihrer Hilfe berechneten Werte für die Ablenkung des Lichtes an der Sonne und der Periheldrehung der inneren Planeten stimmen mit den Beobachtungen gut überein. Für die Physik innerhalb und außerhalb von Sternen verwendet man jedoch das vollständige Schwarzschild-Modell mit der inneren Schwarzschild-Lösung für den Bereich innerhalb des Sterns.
[Bearbeiten] Innere Lösung
[Bearbeiten] Linienelement
Unter den obigen Bedingungen ist das Linienelement in Kugelkoordinaten
eine strenge Lösung der Einstein'schen Feldgleichungen. ist eine Konstante und rg der Wert der radialen Variable an der Grenzfläche der inneren Lösung und der äußeren Lösung, somit der Wert an der Oberfläche des stellaren Objekts.
[Bearbeiten] Geometrische Deutung
Die von Einstein in die Gravitationsphysik eingeführten geometrischen Methoden legen es nahe, auch das obige Linienelement geometrisch zu deuten. Durch die Substitution
erhält man
woraus ersichtlich ist, dass der Raumteil der Metrik das Linienelement auf einer dreidimensionalen Kugelhaube im vierdimensionalen ebenen Raum mit dem Radius und mit dem Öffnungswinkel ηg ist. Um zu einer Vorstellung zu kommen, wie sich die vollständige Schwarzschildsche Lösung mit Hilfe einer Extradimension in einem ebenen Raum einbetten lässt, beschränkt man sich zunächst auf die ersten zwei Terme der Linienelemente. Die äußere Lösung wird durch das Flammsche Paraboloid visualisiert. Diese Fläche wird an geeigneter Stelle r = rg abgeschnitten und von unten her eine Kugelhaube so angepasst, dass die Tangentialflächen beider Schwarzschild-Flächen zusammenfallen.
Hinzunahme des dritten Terms in der Metrik bringt eine Wiederholung dieser Überlegung für eine weitere Teilfläche. Der Zeitteil der Metrik ist nur dann verständlich, wenn man den darin enthaltenen Faktor 3 auf eine Grundeigenschaft der Parabel als bestimmende Kurve der äußeren Lösung zurückführt. Verlängert man den Krümmungsvektor der Parabel bis zu ihrer Leitlinie, so haben die Abschnitte der entstehenden Strecke das Verhältnis 1:2. Da an der Grenzfläche der Abstand der Parabel zur Leitlinie ist, hat der Krümmungsvektor dort die Länge und die ganze Strecke . Die Projektion in die Richtung der Extradimension ist . Der Radiusvektor zu einem beliebigen Punkt auf der Kugelhaube hat die Projektion . Die beiden Stecken werden um den imaginären Winkel iψ rotiert. Es entstehen zwei konzentrische imaginäre (offene) Kreise, deren pseudoreelles Abbild Hyperbeln sind. (Imaginäre Kreise werden auch Hyperbeln konstanter Krümmung genannt.) Der Abstand der Kreise entspricht dem Klammerausdruck in der obigen Metrik. Beim Fortschreiten auf den Kreisen um diψ überstreicht diese Strecke eine Fläche, die proportional zur vergangenen Zeit ist.
[Bearbeiten] Erhaltungssatz
Den Energie-Impulstensor der Materie berechnet man aus den Feldgleichungen. Er hat die Form
- .
nimmt nach innen zu, was der Anziehung der Flüssigkeitskugel auf ihre äußeren Teile entspricht. Ein Blick auf den Nenner der Druckfunktion zeigt, dass bei zu großem Grenzwinkel ηg der Druck unendlich wird, bzw. das Vorzeichen wechselt und nach außen gerichtet ist. Dadurch geht die Stabilität des Himmelskörpers verloren. Andererseits hat die Druckfunktion eine so steile Flanke, dass man durch die innere Schwarzschild-Lösung auch exotische Objekte beschreiben kann, deren innerer Druck so hoch ist, dass die atomare oder sogar die elementare Struktur der Materie zusammenbricht. Keinesfalls kann jedoch an den Ereignishorizont eine Halbkugel angepasst werden. Im Rahmen der vollständigen Schwarzschild-Lösung können auch keine schwarzen Löcher beschrieben werden.
Die Energiedichte
entspricht bis auf einen Faktor c2 der Materiedichte und ist konstant, was die Inkompressibilität der Flüssigkeit zum Ausdruck bringt. Druck und Energiedichte sind kovariant erhalten. In
bedeutet der Doppelstrich die kovariante Ableitung in der Vierbeindarstellung. Aus dem einfachen Aufbau von Tmn erhält man
- .
Die Druckzunahme nach innen ist durch die Schwerewirkung des Gravitationsfeldes
bestimmt. Druck und Energiedichte sind zeitlich konstant. Der Energie-Impulstensor ist geometrischer Natur. Die oben angeführten Ausdrücke für den Druck und die Energiedichte leiten sich aus den verallgemeinerten zweiten Fundamentalformen der Flächentheorie her, die Einstein'schen Feldgleichungen aus den Gaußschen Gleichungen und der Erhaltungssatz aus den Mainardi-Codazzi-Gleichungen. Die innere Schwarzschild-Lösung kann als erster und sehr einfacher Versuch der Geometrisierung der Materie angesehen werden.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ A. I. Janis, Note on the motion in Schwarzschild field. Phys. Rev. D 8, 260, 1973
- ↑ J. Jaffe, I. I. Shapiro, Lightlike behavior of particles in a Schwarzschild field. Phys. Rev. D 6, 405, 1972
- ↑ J. Jaffe, I. I. Shapiro, Comment on the definition of particle velocity in a Schwarzschild field. Phys. Rev. D 8, 4642, 1973
- ↑ P. Crawford, Generalized observers and velocity measurements in general relativity. gr-qc/0111073
- ↑ I. Tereno, Velocity at the Schwarzschild horizon revisited. astro-ph/9905144
- ↑ I. Tereno, Another view on the velocity at the Schwarzschild horizon. astro-ph/9905298
- ↑ P. Crawford, I. Tereno, General observers and velocity measurements in General Relativity. gr-qc/0111073
- ↑ A. Mitra, Kruskal coordinates and mass of Schwarzschild black holes. astro-ph/9904162
- ↑ A. Mitra, Comment on ”Velocity at the Schwarzschild horizon revisited” by I. Tereno. astro-ph/9905175
- ↑ A. Mitra, Comments on “Another view on the velocity at the Schwarzschild horizon” astro-ph/9905329
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Äußere und innere Lösung
Originalarbeiten
- K. Schwarzschild, Über das Gravitationsfeld eines Massenpunktes nach der Einstein'schen Theorie. Berlin. Sitzungsberichte, 1916, p. 189
- K. Schwarzschild, Über das Gravitationsfeld einer Kugel aus inkompressibler Flüssigkeit. Berlin. Sitzungsberichte, 1916, p. 424
- L. Flamm, Beiträge zur Einstein'schen Gravitationstheorie. Phys. Z. 17, 448, 1916
Weiterführende Literatur
- M. v. Laue, Die Relativitätstheorie, Band II. Die allgemeine Relativitätstheorie. Vieweg, Braunschweig 1956
- J. L. Synge, Relativity: The general theory. North-Holland Publishing Company, Amsterdam, 1964
- R. C. Tolman, Relativity, thermodynamics and cosmology. Oxford at the Clarendon Press, 1962
- C. Møller, The theory of relativity. Oxford University Press 1972
- A. S. Eddington, The mathematical theory of relativity. Cambridge, University Press 1963
- S. W. Hawking, G. F. R. Ellis, The large scale structure of space-time. Cambridge, University Press 1974
- P. Jordan, Schwerkraft und Weltall. Vieweg, Braunschweig 1955
- Ya. B. Zeldovich, I. D. Novikov, Relativistic Astrophysics. The University of Chicago Press, Chicago and London 1971
- W. Rindler, Essential Relativity. Springer-Verlag, New York, Heidelberg, Berlin 1977