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SIL International

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SIL International (ursprünglich bekannt unter dem Namen "Summer Institute of Linguistics", deutsch "Linguistisches Sommerinstitut") ist eine wissenschaftliche nichtstaatliche Organisation mit dem Hauptziel, im Hinblick auf die Erweiterung des linguistischen Wissens vor allem unbekannte Sprachen zu studieren, zu entwickeln und zu dokumentieren, die Alphabetisierung zu fördern und Hilfestellung bei der Entwicklung von Minderheitensprachen zu leisten. Dieses Projekt wurde 1951 als eine Einleitung in vierzig Sprachen vom Missionar Richard Pittman begonnen.

Kritiker werfen SIL vor, eine evangelikale Missionsorganisation zu sein, da sie eng mit den Wycliffe-Bibelübersetzern verbunden ist, und - so wie die New Tribes Mission, mit der SIL fallweise zusammenarbeitet - aktiv an der Zerstörung indigener Kulturen beteiligt zu sein.

Das internationale Hauptquartier der SIL befindet sich in Dallas, USA.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte

SIL International geht auf eine kleine Studiengruppe aus dem Jahr 1934 in Arkansas zurück, die Missionaren grundlegende sprachwissenschaftliche und anthropologische Theorien nahebrachte und sie auf Übersetzungstätigkeiten vorbereitete. Daraus gingen u. a. 1942 die Wycliffe-Bibelübersetzer (ebenfalls von Townsend gegründet) hervor. Gründer von SIL war der Linguist William Cameron Townsend (1896–1982), der unter anderem als protestantischer Missionar in Guatemala tätig war, wobei ihm die Wichtigkeit von Bibelübersetzungen in indigene Sprachen bewusst wurde.

Eine der wichtigsten Persönlichkeiten innerhalb der SIL International war Kenneth L. Pike (1912-2000), der von 1942 bis 1979 ihr Präsident war. Zurzeit ist Carly P. Miller Präsidentin von SIL; sie arbeitet am Houghton College als Dozentin für Linguistik.

Von 1950 bis 1987 war SIL in der Universität von Oklahoma in Norman untergebracht. Nach einer Auseinandersetzung um die missionarischen Tätigkeiten und dem Naheverhältnis von SIL-Aktivisten zu Militärdiktaturen in Lateinamerika wurde SIL von der Universität verwiesen und befindet sich nun in der University of Texas in Arlington.

SIL International feierte im Juni 2004 ihr 70-jähriges Bestehen.

[Bearbeiten] Status

Die SIL hat beratenden Status bei der UNESCO und bei den Vereinten Nationen. SIL ist auch in vielen Ländern als Nichtregierungsorganisation (NGO) vertreten.

[Bearbeiten] Kritik

[Bearbeiten] Missionstätigkeit

SIL International gilt auch als protestantische Missionsorganisation, der vorgeworfen wird, im Interesse von internationalen Ölkonzernen indigene Völker in Lateinamerika aus ihrem angestammten Territorium entfernt zu haben - durch Überzeugung und unlautere Methoden -, um Platz für Erschließungsprojekte dieser Firmen zu machen. SIL International sei damals zum Teil auch durch die Rockefeller Foundation finanziert worden, die enge Verbindungen zu Ölkonzernen hat.

Der Anthropologe Marc Becker schreibt über die SIL-Missionare: "Statt einheimische Kulturen zu schützen, ist das Ergebnis ihrer Arbeit häufig die Übertragung westlicher Kulturwerte und Kleidung, gefolgt von der Zerstörung traditioneller Wirtschaftsweisen."

Einen Hinweis auf den evangelikalen Hintergrund von SIL International bieten die Kurzbeschreibungen der Sprachen auf Ethonologue.org, die stets Hinweise auf Bibelübersetzungen enthalten, auch wenn sonst kaum Informationen über die entsprechende Sprache vermerkt sind.

Die Vorgehensweise von SIL International scheint einem bestimmten Muster zu folgen: "Was in Pastaza in Ekuador geschieht, ist ein typischer Prozess in den Regenwäldern Lateinamerikas. Zunächst entdecken europäische oder nordamerikanische Firmen wertvolle Bodenschätze auf indianischem Land. Danach hält das Summer Institute of Linguistics bei den Indio-Gemeinden vor Ort Einzug um die Kultur der Indigenen zu unterhöhlen. Schließlich werden Straßen gebaut und die massive Ausbeutung der Ressourcen und eine rapide Besiedelung beginnt. Das Militär wird eingesetzt, um sicherzustellen, dass alles glatt läuft und Widerspruch im Keim erstickt wird."[1]

Ein Fall, der besonderes Aufsehen erregte, waren die Huaorani in Ecuador, die von SIL-Missionaren unter anderem unter der Führung von Rachel Saint teils überredet, teils mit Betrug und Gewalt umgesiedelt wurden. Rachel Saints Bruder, Nathan "Nate" Saint, wurde gemeinsam mit vier anderen Missionaren bei einer Kontaktaufnahme mit Huaoranis 1956 getötet.

Die Missionarin Rachel Saint sollte auf Betreiben von James Yost von SIL International aufgrund der Vorfälle, die mehrere Todesopfer forderten, aus Ecuador abgezogen werden. Rachel Saint entschloss sich, stattdessen SIL zu verlassen und im direkten Auftrag der Ölfirmen der Region weiter zu "arbeiten".

Die Ankunft von Europäern verursachte unter der einheimischen Bevölkerung verheerende Epidemien wie Grippe und Masern sowie Alkoholmissbrauch und Geschlechtskrankheiten. SIL-Missionare erklärten den Huaorani, dass die Epidemien eine "göttliche Strafe" für die Tötung der fünf Missionare im Jahr 1956 seien.[2] John Perkins schreibt von Berichten, dass den von Flugzeugen abgeworfenen Lebensmitteln Abführmittel beigesetzt wurden, um dann später durch Verabreichung von Gegenmitteln das Vertrauen der Indios zu erlangen. Diese Darstellung wird von SIL zurückgewiesen.[3]

[Bearbeiten] Sprachwissenschaftliche Kritik

Die Bemühungen von SIL International, die Sprachen der Welt einheitlich zu klassifizieren und zu katalogisieren, stoßen in akademischen Kreisen auf breite Akzeptanz. Einige Kritiker meinen jedoch, dass SIL-Klassifikationen von Sprachen und Dialekten teilweise dem internationalen Konsens von Sprachwissenschaftlern und teilweise dem Selbstverständnis der Mehrheit der Sprecher der betreffenden Sprachen widersprechen. Beispiele dafür sind die Klassifikation des Flämischen, schwedischer Dialekte (SIL-Codes dlc und scy) und "Yinglish" (yib) - einer Form des Englischen, die von manchen Juden in den USA gesprochen werden soll - als eigene Sprachen. In Guatemala, einem Aufmarschgebiet der SIL-Missionare, zählt der Ethnologue 54 lebende Sprachen; andere Sprachwissenschaftler, darunter Muttersprachler der betreffenden Sprachen, sprechen von weniger als zwanzig Sprachen. Diese Klassifizierungen verstoßen teilweise auch gegen die offiziellen Prinzipien von SIL International zur Identifizierung von Sprachen (vgl. The problem of language identification) und führen zu einer künstlichen Aufblähung der Zahl der lebenden "Sprachen" der Welt auf 6.912 Einzelsprachen. Von Ausgabe zu Ausgabe des Ethnologue steigt die Zahl der erfassten "Sprachen" ständig, obwohl Sprachwissenschaftler ein rapides Aussterben von Sprachen mit geringen Sprecherzahlen feststellen.

[Bearbeiten] SIL-Code

Mit dem Erscheinen der 15. Edition des Ethnologue im April 2005 wurde der SIL-Code an den ISO/DIS 639-3 Standard der Norm ISO 639 angeglichen. Somit ergeben sich für sehr viele Sprachen neue, aus drei kleingeschriebenen Buchstaben bestehende Bezeichner. Hieraus resultierte weiterhin, dass nun auch Sprachen, die bereits ausgestorben sind, einen SIL-Code erhielten.

Einige bekannte SIL-Codes sind hier angeführt (in Klammer sind die bis zur 14. Edition gültigen Codes).

Die vollständige Liste kann hier heruntergeladen werden.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur und Quellen

  • Ruth Margaret Brend, Kenneth Lee Pike (Hg.): The Summer Institute of Linguistics: Its Works and Contributions (Walter De Gruyter 1977), ISBN 9-02793-355-3.
  • Gerard Colby, Charlotte Dennett: Thy Will Be Done: The Conquest of the Amazon: Nelson Rockefeller and Evangelism in the Age of Oil (Harper Collins 1995), ISBN 0-06016-764-5. Die Autoren dieses Buches beschreiben die Verbindung zwischen Rockefeller und US-amerikanischen Missionaren - insbesondere SIL - bei der Durchführung von Erdkundungsmissionen, beim Transport von CIA-Agenten und indirekter Unterstützung des Völkermords an Indigenen im Amazonasgebiet.
  • John Perkins: Confessions of an Economic Hit Man (Berrett-Koehler Publishers 2004), ISBN 1-57675-301-8. Enthält mehrere Hinweise auf die Missionstätigkeit von SIL und die Umsiedlung von Indigenen in Lateinamerika.
  • W. A Willibrand: Oklahoma Indians and the "Summer Institute of Linguistics" (1953).
  • Is God an American? An Anthropological Perspective on the Missionary Work of the Summer Institute of Linguistics (A Survival International Document, International Workgroup for Indigenous Affairs, Copenhagen 1981), ISBN 8-79807-172-6.
  • Eni Pucinelli Orlandi: Sprache, Glaube, Macht: Ethik und Sprachenpolitik / Language, Faith, Power: Ethics and Language Policy. In: Brigitte Schlieben-Lange (ed.): Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 116, Katechese, Sprache, Schrift (Universität Siegen / J.B. Metzler 1999). Diskursanalyse zur Arbeit von SIL.
  • Laurie K. Hart: The Story of the Wycliffe Translators: Pacifying the Last Frontiers. In: NACLA's Latin America & Empire Report, vol. VII, no. 10 (1973). Dieser Artikel beschreibt die Zusammenarbeit von SIL mit US-amerikanischen Ölgesellschaften und Militärdiktaturen in Lateinamerika in den 1950er und 1960er Jahren.
  • Michael Erard: How Linguists and Missionaries Share a Bible of 6,912 Languages. In: New York Times, 19. Juli 2005.

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] SIL-Seiten

[Bearbeiten] Kritik an SIL

[Bearbeiten] Reaktion von SIL

  • Facts on File SIL Response to Errors in "Confessions of an Economic Hit Man"
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