Soziale Gruppe
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Der Begriff soziale Gruppe bezeichnet eine Sammlung von mindestens drei Personen (umstritten, auch "zwei" wird genannt), die in einer unmittelbaren Beziehung zueinander stehen. Der Begriff "soziale Gruppe" grenzt sich (was die Dreizahl der Mitglieder angeht) von der Zweierbeziehung (Dyade) ab, die noch einmal gesondert betrachtet werden kann, sowie von einer Organisation, einer Sozialform, die eine sehr große Ausdehnung in Bezug auf Mitgliederzahl, sowie in Hinsicht auf eine komplexe Sozialstruktur haben kann (gelegentlich als formelle Gruppe bezeichnet). Die unten genannten Merkmale der Gruppe gelten hier nicht, da es oft eine anonyme Struktur gibt, formalisierte, anonyme Begegnungen u.a.
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[Bearbeiten] Definition
Wichtiges Merkmal einer sozialen Gruppe (im soziologischen Sinne) ist ihre Überschaubarkeit, für die Gruppenmitglieder ebenso wie für Außenstehende. Soziale Gruppen werden daher häufig auch als Kleingruppen bezeichnet; als grober Richtwert gilt eine Mitgliederzahl von höchstens 25.
Eine soziologische Definition von Friedhelm Neidhardt lautet: "Gruppe ist ein soziales System, dessen Sinnzusammenhang unmittelbar durch diffuse Mitgliederbeziehungen sowie durch relative Dauerhaftigkeit bestimmt ist". Gruppe ist häufig eine wiederkehrende Interaktion zwischen Menschen, jedoch nicht zwangsläufig. Jemand gehört einer Gruppe an, wenn
- ein sozialer Akteur sich der Gruppe zugehörig fühlt
- dies von der Gruppe nicht dementiert wird
Damit die erste Bedingung erfüllt sein kann, muss diese Gruppe zumindest in der Vorstellung eines Akteurs existieren. Sie wirkt dann als seine "Bezugsgruppe", obwohl sie z.B. nicht nur aus lebenden Akteuren bestehen muss (z.B. "meine Sippe") oder nichts davon weiß, dass sie als Bezugsgruppe wirkt (z.B. "alle Menschen mit Selbstachtung").
Um die Gruppenzugehörigkeit überhaupt dementieren zu können, muss darüber hinaus eine "Gruppe" so etwas wie eine Gruppenidentität (Wir-Gefühl) entwickelt haben. (Vgl. auch: Eigengruppe.)
Das Wir-Gefühl ist ein wesentlicher, konstituierender Ausgangsfaktor für den Erhalt und Bestand von Gruppen, denn dieses "Gruppengefühl" gründet in den Gefühlen von Zugehörigkeit und Zusammengehörigkeit. Unmittelbare Interaktion eines Mitgliedes mit jedem anderen, Vertrautheit und Intimität, gehören ebenso zu den Qualitäten der Gruppe.
Eine gängige sozialpsychologische Definition ist die von Tajfel und Turner (1986, The social identity theory of intergroup behavior): Sie definieren eine (soziale) Gruppe als eine Ansammlung von Individuen, die sich selber als Mitglieder derselben sozialen Kategorie wahrnehmen, die ein gewisses Maß an emotionaler Bindung an diese Kategorie aufweisen und die einen gewissen sozialen Konsens über die Beurteilung und ihre Mitgliedschaft in dieser Gruppe aufweisen.
[Bearbeiten] Struktur
Das soziale Zusammenleben innerhalb der Gruppe ist geprägt durch dauerhafte soziale Beziehungen und Kontakte, durch Eigen- und Zusammenhandeln, durch Einheit sozial Handelnder mit gemeinsamen Werten und Interessen, durch Unmittelbarkeit von Beziehungen, durch wechselseitige Wahrnehmung der Beteiligten, durch Anwesenheit und direkte Interaktion, sowie durch aufeinander abgestimmte soziale Rollen. Hiermit sind einige grundlegende, gruppensoziologische Merkmalbestimmungen genannt, die die Basis für die sozialen Prozesse innerhalb einer Gruppe ergeben und die im speziellen Sinne dann Gruppenprozesse genannt werden können. In der Interaktion der Individuen ergeben sie die Gruppendynamik.
Aufschlussreich sind bei der Untersuchung der Struktur zunächst die verschiedenen sozialen Rollen und Positionen (Status) in Hinblick auf die Verteilung von Macht, Kompetenz, Einfluss, Autorität oder anderer signifikanter Sozialressourcen. Wie auch der Blick auf Unterwerfung oder Anpassung als spezifische Verhaltensweisen, aus denen sich möglicherweise eine Hierarchie oder eine andere spezifische Struktur ergibt.
Ein weiterer wesentlicher Faktor ist das Innen-Außen-Verhältnis der Gruppe. Wie definiert sie sich nach innen als Gemeinschaft, z.B. über Inhalte, Gefühle, Rituale, Werte. Daraus folgt die Frage, wie sich die Gruppe überhaupt vom Umfeld, von anderen Gruppen (vgl. Fremdgruppe) oder der Gesellschaft, abgrenzt. Die mehr oder weniger klar definierte Art und Weise dieser Grenze stellt einen determinierenden Analysefaktor dar.
[Bearbeiten] Einige Rollen innerhalb von Gruppen
In der Regel kristallisieren sich innerhalb kurzer Zeit in den Gruppen einzelne Positionen heraus, die von einzelnen Gruppenmitglieder eingenommen werden und unterschiedlich ausgefüllt werden (die soziale Rolle kann unterschiedlich gespielt werden), oder von den anderen Gruppenmitgliedern aber einem Individuum zugesprochen werden. Mit den meisten Rollen identifizieren sich einzelne Gruppenmitglieder bewusst oder unbewusst, zugesproche Rollen werden von ihm akzeptiert oder aber abgelehnt. Man kann sagen, dass die Rollenübernahme und -zuschreibung sozial ausgehandelt wird.
Empirische Beispiele:
- Ein Gruppenführer (instrumental leader) hat die Funktion, die Gruppe zusammenzuhalten, und bestimmt und koordiniert die Gruppenziele. In Gruppen, in denen es keinen offiziellen Gruppenleiter gibt, wetteifern meist der Beliebteste und der Normentreueste ("Tüchtigste") um diese Position (nach George C. Homans sind beide soziale Rollen unvereinbar).
- Wer beliebt ist (emotional leader), hat die Funktion, die Gruppe zusammenzuhalten; er wird von allen gemocht und verkörpert die emotionale Seite der Gruppenbedürfnisse. Da er die 'Strenge' der Gruppenmaßstäbe gerade nicht verkörpert, ist er als Gruppenführer meist erfolglos, oder er wird unbeliebter.
- Wer tüchtig ist, verkörpert die normativen Ziele der Gruppe. Damit kann er der Beliebteste nicht sein: "Es recht zu machen jedermann, ist eine Kunst, die keiner kann."
- Mitläufer orientieren sich am Gruppenleiter.
- Der Opponent hat eine besondere Beziehung zum Gruppenführer und hat als starkes Mitglied ebenfalls Leitungsqualitäten, ist jedoch nicht zum Führer gemacht worden und macht diesem (unter)bewusst seine Position streitig. Der Opponent ist oft auch dafür verantwortlich, dass soziale Konflikte akut werden. Die dabei entstehenden Aggressionen richten sich nicht selten gegen schwächere Mitglieder. Im Kleinen spielt er die Rolle der "Gegenelite" bei Vilfredo Pareto.
- Der `Opportunist`
- Sündenbock ist allgemein das schwächste Gruppenmitglied, und er wird verantwortlich gemacht, wenn die Gruppe ein Ziel nicht erreicht hat und die Nennung der genauen Ursache dessen einer sozialen Zensur unterliegt.
- Der Außenseiter nimmt ggf. durchaus eine Position in der Gruppe ein, er kann eine Beraterfunktion übernehmen, aber auch der Kasper sein.
[Bearbeiten] Handeln und Verhalten
Menschen handeln bzw. verhalten sich in einer Gruppe anders als allein (Beispiel: Gruppenpolarisierung).
Gruppen, Verhaltensweisen zwischen Gruppen (Intergruppenverhalten) und Verhaltensweisen von Individuen innerhalb von Gruppen (Intragruppenverhalten) sind der primäre Forschungsgegenstand der Sozialpsychologie und spielen auch in der Soziologie eine Rolle, sowie, bezogen auf Gruppen in Organisationen, in der Organisationspsychologie.
[Bearbeiten] Die Gruppengröße
Für das Wohlfühlen in Gruppen, aber auch für deren Leistungsfähigkeit spielt die Größe eine entscheidende Rolle. Kleine Gruppen sind konfliktanfällig (beispielsweise die 3-er Gruppe), zu große Gruppen (über 10 Teilnehmer) zerfallen häufig in Untergruppen. "Über weite Bereiche von Problemen kann es sinnvoll sein, von der 'optimalen Gruppengröße von fünf Teilnehmern' auszugehen ..." (SADER, 1996)
[Bearbeiten] Grundlagenliteratur
Grundlegende soziologische Beiträge hat George C. Homans (The Human Group) vorgelegt.
SADER, Manfred (1996): Die Psychologie der Gruppe. Juventa Verlag
[Bearbeiten] Verwandte Begriffe
Siehe auch: Gruppe (Begriffsklärung), Soziale Gruppenarbeit, Gruppendynamik, Grupo Operativo, Gruppenzwang, Gruppenverband, Soziale Klasse, Primärgruppe, Sekundärgruppe, Gleichaltrigengruppe, Informelle Gruppe, formelle Gruppe, Etablierte und Außenseiter, Eigengruppe und Fremdgruppe, Team, Teamführung.