Steinkorallen
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Steinkorallen | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Scleractinia | ||||||||||||
Bourne, 1900 |
Steinkorallen (Scleractinia, früher Madreporaria) sind Tiere, die den Hauptanteil am Bau der Korallenriffe, der größten Bauwerke auf der Erde haben. Da sie zu den Sechsstrahligen Blumentieren (Zoantharia/Hexacorallia) gehören, sind ihre nächsten Verwandten die Seeanemonen (Actiniaria) und andere, weniger bekannte Gruppen. Mit den nicht riffbildenden Weichkorallen (Alcyonacea) sind sie nur entfernt, mit den ebenfalls riffbildenden Feuerkorallen (Milleporidae) nur sehr entfernt verwandt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Verbreitung
Die meisten Steinkorallen wachsen im flachen, lichtdurchfluteten Wasser der tropischen Korallenriffe. Dabei gibt es zwei Verbreitungsschwerpunkte, der tropische Indopazifik, mit dem Zentrum in der Inselwelt Indonesiens, der Philippinen und Neuguineas, und die Karibik, die wesentlich weniger artenreich ist.
Daneben gibt es auch Steinkorallen in gemäßigten und kalten Meeren, sowie in der Tiefsee, bis in 6000 Metern Tiefe. In europäischen Meeren gibt es Kaltwasserkorallen vor allem an der Küste Norwegens, sowie am Kontinentalschelf.
[Bearbeiten] Merkmale
[Bearbeiten] Anatomie des Einzelpolypen
Steinkorallen leben meist in Kolonien aus vielen Tausenden Einzelpolypen. Jeder Polyp ist ein einzelnes Tier und ein einzelner Polyp steht auch am Beginn der Koloniebildung. Wie bei allen Nesseltieren ist ein Steinkorallenpolyp becherförmig aufgebaut, und wird von zwei Zellschichten gebildet, die Außenhaut, der Ektoderm, und der Entoderm, der den zentralen Gastralraum umgibt. Zwischen beiden Zellschichten liegt die Mesogloea, die frei bewegliche Zellen enthält und in der der Nährstofftransport innerhalb des Polypenkörpers stattfindet. Der Gastralraum wird von Mesenterien oder Septen genannten Scheidewänden unterteilt. Dadurch wird seine innere Oberfläche vergrößert. In den Mesenterien liegen die Keimdrüsen des Polypen. Anzahl und Aufbau der Mesenterien sind wichtige Merkmale in der Steinkorallensystematik. Im Gastralraum verdaut der Polyp seine Nahrung. Er steht durch eine zentrale Mund- und Ausscheidungsöffnung mit dem Umgebungswasser in Verbindung. Die Mundöffnung wird von sechs oder ein Vielfaches von sechs mit Nesselzellen versehener Tentakel umgeben. Die Tentakel können in einer oder mehrere Ringen angeordnet sein.
Bei den meisten Gattungen sind die Polypen durch ein das gesamte Korallenskelett überziehende Gewebe miteinander verbunden. So können sie Nahrungsstoffe austauschen und Reize weitergeben. Bei einigen großpolypigen, kolonialen Steinkorallen, wie Euphyllia paraancora, geht die Verbindung zwischen den Polypen im Laufe des Koloniewachstums verloren und die Einzelpolypen sitzen dicht an dicht an den Enden eines ansonsten toten Skelettes.
Die Größe der Einzelpolypen liegt meist bei wenigen Millimetern bis einem Zentimeter, bei solitären Steinkorallen können sie allerdings wesentlich größer werden. Der Polyp von Cynarina lacrymalis erreicht mit Wasser aufgepumpt, einen Durchmesser von 35 Zentimeter, die einer großen Seeanemone zu Verwechseln ähnliche Anemonen-Pilzkoralle Heliofungia actiniformis gar 50 Zentimeter, mit Tentaklen von bis zu 25 Zentimetern Länge.
Meerwasseraquarianer unterscheiden zwischen großpolypigen Arten (LPS) und kleinpolypigen Arten (SPS).
[Bearbeiten] Wuchsformen
Korallen wachsen, indem sich die Polypen teilen und die Einzelpolypen neues Skelettmaterial bilden. Sie können die unterschiedlichsten Wuchsformen haben. Koloniebildende Korallen können ast-, busch-, geweih-, tischförmig oder krustig wachsen. Andere ähneln Hirnen, Pilzen oder Seeanemonen. Die letzten beiden Wuchsformen kommen besonders bei solitären, d.h. nicht koloniebildenden Korallen vor. Arten mit unterschiedlicher Wuchsform können zur gleichen Familie, Arten mit ähnlicher Wuchsform zu unterschiedlichen Familien gehören.
[Bearbeiten] Kalkbildung und Symbiose
Man unterscheidet hermatypische (riffbildende) Steinkorallen, das ist die Mehrzahl, und ahermatypische (nicht riffbildende) Arten. Hermatypische Steinkorallen scheiden an ihrem Fuß ein Kalkskelett, das zu 98 bis 99,7 % aus Calciumcarbonat (Aragonit) besteht, aus. Sie nehmen im Meerwasser gelöste Calciumionen und Hydrogencarbonat-Ionen auf und verbinden diese zu Calciumcarbonatkristallen. Dabei entsteht auch immer je ein Wasser- und Kohlendioxidmolekül:
Ca2+ + 2HCO3- → CaCO3 + H2O + CO2
Der gleiche Prozess läuft auch in entgegengesetzter Richtung ab und wird noch durch das Kohlendioxid, das der Korallenpolyp ausatmet behindert. Hier hilft den im Flachwasser lebenden Korallen die Symbiose mit den Zooxanthellen, kleinen, einzelligen Algen, die in der Haut der Korallen leben. Diese verbrauchen den entstandenen Kohlendioxid und erzeugen durch Photosynthese aus Kohlendioxid und Wasser Sauerstoff und organische Verbindungen, die der Ernährung der Koralle zu Gute kommen. Die Masse des jährlich von Steinkorallen gebildeten Calciumcarbonat soll 900 Millionen Tonnen betragen.
[Bearbeiten] Ernährung
Spätestens seit Steinkorallen in Meerwasseraquarien jahrelang gänzlich ohne Fütterung bei guter Gesundheit gehalten und zum Wachstum gebracht werden können weiß man das tropische, riffbildende Steinkorallen hauptsächlich von den von den Zooxanthellen produzierten Nährstoffen leben. In den Korallenriffen fressen die Korallen zusätzlich, hauptsächlich in der Nacht, winzigste Planktonorganismen, die nachts aus größeren Tiefen aufsteigen. Dazu strecken sie ihre tagsüber eingezogenen Tentakel aus. Einige großpolypige Arten können aber auch größere Beute, bis zur Größe einer Garnele erbeuten. Azooxanthelle höhlenbewohnende Arten wie Tubastrea sowie die in tiefen Zonen lebenden Arten sind ausschließlich auf den Beutefang angewiesen.
[Bearbeiten] Ökologische Bedeutung
Fische: Kleine, riffgebundene Korallenfische wie Riffbarsche, Schleimfische oder Korallengrundeln sind oft auf buschförmige Korallen als Schutz angewiesen und verteidigen diese gegen Fressfeinde. Büschelbarschen dienen exponiert stehende Korallenstöcke als Ansitz, von dem sie aus auf kleine Beutefische und Krebstierchen lauern. Die Fische düngen durch ihre Ausscheidungen den heimatlichen Korallenstock, dem so im normalerweise extrem nährstoffarmen Wasser des Korallenriffs zusätzliche gelöste organische Stoffe erhält.
Wirbellose: Zwischen den Ästen von vielen Korallen lebt eine Vielzahl von Krebstieren, unter anderem Porzellankrebse, die die Korallen gegen Fressfeinde verteidigen. In speziellen, von der Koralle gebildeten Korallengallen leben Gallkrebse. Außerdem sind symbiontische Röhrenwürmer und Bohrmuscheln bekannt. Diese Symbiosen sind noch ungenügend untersucht, und es ist nicht in jedem Fall sicher, ob und wie die Partner gegenseitig voneinander profitieren.
[Bearbeiten] Reproduktion
[Bearbeiten] Sexuelle Fortpflanzung
Bei der sexuellen Fortpflanzung laichen die Korallenpolypen, oft gesteuert durch die Mondphasen, ab. Dabei entstehen keine Klone sondern genetisch neue Individuen.
Bei den Korallenarten mit interner Befruchtung geben die Korallenpolypen nur die Spermienzellen ab, und die Befruchtung der Eizellen erfolgt im Muttertier. Es werden dann, zu einem späteren Zeitpunkt, schon fertige Planula-Larven abgegeben.
Die größte Anzahl der Korallenarten vermehrt sich jedoch durch externe Befruchtung, dabei geben die Korallenpolypen gleichzeitig Spermien und Eizellen ab. Die Befruchtung, durch die Masse der abgegebenen Keimzellen begünstigt, findet dann im freien Wasser statt.
Die befruchteten Eizellen entwickeln sich zu Planula-Larven, die einige Zeit frei im Wasser treiben und sich dann an geeigneten Standorten ansiedeln. Aus der Planula-Larve, die sich festgeheftet hat, entwickelt sich ein Polyp, der sich weiter teilt und so den Grundstock einer neuen Kolonie gründet.
An der Küste Australiens folgt auf das Massenablaichen der Korallen eine Planktonblüte, die die planktonfressenden Walhaie wegen des Überangebotes an Nahrung an die Küste lockt.
[Bearbeiten] Asexuelle Vermehrung
Zerbricht eine Korallenkolonie z.B. durch Wellenschlag, so haben die Bruchstücke, wenn sie an einen günstigen Siedlungplatz getrieben werden, die Fähigkeit, weiter zu wachsen und eine neue Kolonie zu bilden. Diese Form der Vermehrung kommt besonders bei ästig wachsenden Geweihkorallen der Gattung Acropora vor. Diese Arten sind meist sehr schnellwüchsig. Meerwasseraquarianer nutzen diese Möglichkeit, um Steinkorallen künstlich zu vermehren.
Eine weitere Möglichkeit ist die Bildung von Planula-Larven durch Parthenogenese (Jungfernzeugung). Hier werden wie bei der Vermehrung durch Bruchstücke genetisch exakte Klone der Mutterkolonie gezeugt. Allerdings müssen die Planula-Larven, wie die Larven, die aus der sexuellen Fortpflanzung hervorgegangen sind, ein geeignetes Substrat zur Siedlung finden.
Die dritte Möglichkeit der ungeschlechtlichen Vermehrung ist die Polypenausbürgerung. Einige Polypen lösen sich vom Korallenstock, lassen sich treiben, siedeln sich an einer günstigen Stelle wieder an und bilden eine neue Kolonie. Auch dabei entstehen Klone der Mutterkolonie.
[Bearbeiten] Stammesgeschichte
Über den Ursprung der Steinkorallen gibt es zwei unterschiedliche Theorien. Zum einen eine Hypothes über einen gemeinsamen, nicht skelettbildenden, und deshalb fossil nicht überlieferten Vorfahren. Zum anderen wird eine Abstammung von den Rugosa, hauptsächlich solitär lebender Korallen aus dem Paläozoikum angenommen. Es gibt ca. 5000 Arten fossiler Steinkorallen. Sie erschienen zum ersten Mal im Mittleren Trias, nachdem die bisherigen Hauptriffbildner, die tabulaten Korallen (Tabulata) und die Rugosa im Oberperm ausgestorben waren. Im Jura erschien mit Favia schon eine heute noch lebende Gattung. Weitere heutige Gattungen, wie Acropora, Galaxea, Fungia, Pocillopora und Seriatopora kamen im Verlauf des Tertiär hinzu. Am Beginn des Miozän, vor 23 Millionen Jahren kam zu einer großen Aussterbewelle unter den Steinkorallen. Die meisten heutigen Gattungen entstanden in den letzten 15 Millionen Jahren.
[Bearbeiten] Systematik
Die Steinkorallen werden in 5 Unterordnungen und 16 Familien mit mehr als 1000 Arten eingeteilt. Die Klassifikation beruht auf morphologischen Merkmalen. Ursprünglich wurden über 2500 Arten beschrieben, viele aber nach Revisionen als lokale Varietäten schon bekannter Arten erkannt. Die hier wiedergegebene Systematik folgt ITIS: [1]
- Astrocoeniina
- Caryophylliina
- Caryophylliidae
- Flabellidae
- Gardineriidae
- Guyniidae
- Turbinoliidae
- Dendrophylliina
- Faviina
- Anthemiphylliidae
- Faviidae
- Meandrinidae
- Merulinidae
- Mussidae
- Oculinidae
- Pectiniidae
- Rhizangiidae
- Trachyphylliidae
- Fungiina
- Agariciidae
- Fungiacyathidae
- Fungiidae
- Micrabaciidae
- Poritidae
- Siderastreidae
- Thamnasteriidae
[Bearbeiten] Fressfeinde
Steinkorallen werden von Papageifischen (Scarinae) und Diademseeigeln (Diadema sp.) gefressen. Beide Tiergruppen benagen mit ihren schnabelartigen Zähnen die Korallenoberfläche und schaben dabei das lebende Gewebe und die oberste Schicht des Skelettes ab. Falterfische (Chaetodontidae) und Palettenstachler (Oxymonacanthus) fressen einzeln Korallenpolypen, beschädigen dabei aber nicht das Skelett. Gesunde Korallenstöcke überwachsen die kahl gefressenen Stellen in kurzer Zeit wieder.
Große Schäden durch regelrechtes "Abweiden" der Korallenriffe kann der Dornenkronenseestern anrichten.
[Bearbeiten] Korallenkrankheiten
Korallenbleiche [2]
Als Korallenbleiche wird das Phänomen bezeichnet das Steinkorallen unter Stress ihre Zooxanthellen ausstoßen und danach absterben. Die Korallen verlieren dabei ihre Farbe, da besonders die bräunlichen Töne von den symbiotischen Algen in der Haut kommen. Im Jahre 1988 wurde auf einem Symposium zu Korallenriffen in Townsville in Australien zum ersten Mal auf das weltweite Ausmaß des Problems aufmerksam gemacht. Das Erbleichen von Korallen wurde auch schon vorher beobachtet, z.B. nach starkem Regen und damit verbundenen Süßwassereintrag oder nach starkem Niedrigwasser. Das Phänomen trat aber immer nur lokal auf. Das weltweite Korallensterben wird heute mit der erhöhten Temperatur des Oberflächenwassers in Folge der Globalen Erwärmung in Verbindung gebracht. Am stärksten trat die Korallenbleiche im Jahre 1998 währen eines El Niño, im westlichen Pazifik und im Indischen Ozean auf. Monatelang lagen die Temperaturen 1 bis 3°C über dem langjährigen Durchschnitt. Die Malediven büßten dabei 98% der oberflächennahen Korallenfauna ein.
Black Band Disease [3]
Die als Black Band Disease beschriebene Korallenkrankheit tritt hauptsächlich in der Karibik auf, und wurde Anfang der 1970er Jahre zum ersten mal an der Küste Belizes registriert. Charakteristisch ist ein schwarz-violettes Band das langsam über das lebende Gewebe der Koralle kriecht, das Gewebe dabei zersetzt und ein entblößtes, totes Korallenskelett hinter sich lässt. Das tote Skelett wird schnell von Algen besiedelt. In dem Band wurden verschiedene einzellige Mikroorganismen gefunden, wie die Cyanobakterie Phormidium corallytium, Pilze, sowie weitere heterotrophe gramnegative, Sulfat reduzierende und Schwefel oxidierende Bakterien. Die Bakterienflora soll ein Mikromilieu erzeugen das zum Absterben des Korallengewebes führt. Bis heute tritt das Black Band Disease im Indopazifik nur vereinzelt auf.
[Bearbeiten] Quellen und weiterführende Informationen
[Bearbeiten] Zitierte Quellen
Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil aus den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:
- ↑ Integrated Taxonomic Information System: ITIS-Seite Scleractinia
- ↑ H. Schumacher, K. u. W. Loch, W. R. See. Das Erbleichen der Korallen. In Biologie in unserer Zeit 3/2005: 186-191
- ↑ D. Combosch, H. Schumacher. Biotische Korallenkrankheiten. In Biologie in unserer Zeit 3/2005: 178-184
[Bearbeiten] Literatur
- Helmut Schumacher: Korallenriffe, BLV Verlagsgesellschaft München, 1988, ISBN 3-405-13614-8
- Yossi Loya und Ramy Klein: Die Welt der Korallen, Jahr Verlag Hamburg, 1998, ISBN 3-86132-226-9
- Julian Sprung: Korallen, Dähne Verlag, 2000, ISBN 3-92168-487-0
- J. E. N. Veron: Corals of the World. Australian Institute of Marine Science, 2000, Townsville. 3 vol.
- S. A. Fossa, A. J. Nielsen: Korallenriffaquarium, Band 4, Schmettkamp Verlag, 1995, ISBN 3-928819-05-4
- J. Sprung, J.C. Delbeek: Das Riffaquarium Band 1, 1994, ISBN 1-883693-17-9
- Baensch/Patzner: Mergus Meerwasser-Atlas Bände 2, 4 + 5, Mergus-Verlag, Melle
- Rainer Kaiser: Niedere Tiere tropischer und kalter Meere im Aquarium. Ulmer, Stuttgart 1991, ISBN 3800172224
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Steinkorallen – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |