Subjektwissenschaft
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Subjektwissenschaft hat Klaus Holzkamp in den 1980er Jahren die Kritische Psychologie bezeichnet, die den Anspruch haben müsse, die Frage des Subjekts in den Mittelpunkt zu stellen und die eigene Subjektivität kritisch zu reflektieren.
Ausgangspunkt ist für Holzkamp die "gesellschaftliche Natur" des Menschen, die Holzkamp aus der Evolution ableitet, in der beim Übergang vom Tier z. B. die Arbeitsteilung in der Gruppe der soziale Verbund zur eigentlichen Natur des Menschen geworden ist. Insofern erscheinen die menschliche Gesellschaft und die Natur nicht als Gegensatz – die Gesellschaft ist die Natur der Menschen. Lernen ist hierbei eine entscheidende Fähigkeit zur menschlichen Entwicklung.
Dieser Ansatz folgt Karl Marx in der Analyse, dass die materielle Umwelt das Sein bestimmt. Dieses Verhältnis ist allerdings keine einseitige Begrenzung, sondern aus ihr ergeben sich sowohl Handlungsmöglichkeiten als auch Handlungsnotwendigkeiten. Das "subjektive Befinden" ist demnach abhängig von der eigenen Möglichkeit, die gesellschaftlichen Bedingungen mitzubestimmen. Auch wenn diese Möglichkeiten begrenzt sind, ist der Kampf um die Teilhabe doch ein aktiver Prozess der Subjekte.
Mit diesem Konzept wendet sich die Kritische Psychologie gegen die "objektiven" oder "neutralen" Ansprüche der empirischen Psychologie. Insbesondere steht sie im Kontrast zum klassischen psychologischen Experiment, in dem die zu untersuchende Versuchsperson und auch der Forscher sich bewusst von allen gesellschaftlichen Faktoren isolieren und eine reduzierte und künstliche Experimentalsituation schaffen. Diese Experimentalsituation klammert genau das aus, was nach kritisch-psychologischem Verständnis das Subjekt ausmacht: die Integration und Interaktion mit seiner gesellschaftlichen Umwelt, also die Begründungszusammenhänge für sein Handeln und Verhalten.
Subjektwissenschaft grenzt sich allerdings auch gegen die esoterischen Formen des Psychobooms mit ihren "Selbstfindungs-" und "Betroffenheitszeremonien" ab, und versucht durchaus, zu verallgemeinerbaren Aussagen zu gelangen. Als Methode dienen ihr etwa die qualitative Auswertung von Interviews zur Herausarbeitung der in den Aussagen enthaltenen gesellschaftlichen Denkformen und Begründungsmuster. Wichtig ist dabei, die Aktion des Forschenden nicht auszuklammern, sondern die Interaktion zwischen dem Subjekt des Forschers und der Subjektivität des Beforschten im Wissenschaftsprozess zu berücksichtigen. Wissenschaft ist diesem Ansatz zufolge also nicht auf einen "Drittstandpunkt" zu begrenzen, sondern auch die Wissenschaftler müssen als Subjekte in einem gesellschaftlichen Prozess verstanden werden. Ihre gesellschaftliche Position ist im wissenschaftlichen Vorgehen genauso zu reflektieren wie die Funktion von Wissenschaft für die jeweils bestehenden Machtverhältnisse.
Diesen Ansatz wendet Holzkamp insbesondere auf die Pädagogik an, die herkömmlich als eine "Sonderveranstaltung" zwischen Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen, die in einem gesellschaftlichen Machtverhältnis zueinander stehen, betrachtet wird. Selbst wenn diese fremdbestimmte Erziehung vorgeblich auf Emanzipation zielt, bleibt sie doch ein Akt der Fremdbestimmung, der sich Schüler immer wieder durch "widerständiges Lernen" entziehen werden.
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.kritische-psychologie.de (Website zur Kritischen Psychologie)
- http://www.thur.de/philo/kp/subjekt.htm (Quelle und erläuternder Hintergrundtext hierzu)
- http://www.thur.de/philo/kp/prot2.htm#p (aus einem Protokoll mit Erklärungen zum Subjektstandpunkt)
[Bearbeiten] Literatur
- Günter Rexilius (Hrsg.): Psychologie als Gesellschaftswissenschaft. Geschichte, Theorie und Praxis kritischer Psychologie, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1988, ISBN 3-531-12017-4
- Klaus Holzkamp: Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Frankfurt am Main: Campus, 1995, ISBN 3-593-35317-2
- Klaus Holzkamp: Grundlegung der Psychologie. 2. Auflage, Frankfurt am Main: Campus, 2003, ISBN 3-593-33572-7
- Holzkamp, Klaus (1983), Der Mensch als Subjekt wissenschaftlicher Methodik. Vortrag, gehalten auf der 1. Internationalen Ferienuniversität Kritische Psychologie vom 7.-12. März 1983 in Graz [1]
- Markard, Morus (2000),Kritische Psychologie: Methodik vom Standpunkt des Subjekts. In: Forum Qualitative Sozialforschung 1(2)[2]