Thüringer Rostbratwurst
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Thüringer Rostbratwurst (in Ostthüringen auch Roster genannt) ist eine lokale Bratwurst-Spezialität. Laut EU-Verordnung ist sie eine mindestens 15-20 cm lange, mittelfeine Rostbratwurst im engen Naturdarm, roh oder gebrüht, mit herzhaft würziger Geschmacksnote. Seit dem 6. Januar 2004 ist Thüringer Rostbratwurst eine geschützte geografische Angabe (g.g.A.). Außerhalb Thüringens ist sie seither fast nur noch im Supermarkt erhältlich. Örtliche Metzger bieten ähnliche Bratwürste, beispielsweise auf Weihnachtsmärkten, unter verschiedensten Kunstnamen mit dem Zusatz ehemals Thüringer oder ähnlich Thüringer an.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Die Thüringer Rostbratwurst hat eine jahrhundertealte Tradition. Die älteste bekannte urkundliche Erwähnung einer Bratwurst, die mit der Thüringer Rostbratwurst in Zusammenhang gebracht wird, findet sich im Thüringischen Staatsarchiv Rudolstadt in einer Abschrift der Propstei-Rechnung des Arnstädter Jungfrauenklosters von 1404. Dort heißt es wörtlich: "1 gr vor darme czu brotwurstin" (1 Groschen für Bratwurstdärme, S. 27). Allerdings ist nicht bekannt, welcher Art die damals hergestellten Würste waren.
Das älteste bekannte Rezept befindet sich im Staatsarchiv Weimar. Es stammt aus der "Ordnung für das Fleischerhandwerk zu Weimar, Jena und Buttstädt" vom 2. Juli 1613. Ein weiteres Rezept enthält das "Thüringisch-Erfurtische Kochbuch" aus dem Jahr 1797, das auch eine geräucherte Variante erwähnt.
In jedem Fall gilt die Annahme als historisch stichhaltig, dass sich die Thüringer Bratwurst in ihrer heutigen Form allmählich aus jeweiligen Vorgängern entwickelt hat und somit ihre Entstehungsgeschichte mit der der gewöhnlichen Wurst zusammen fällt, die bereits in prähistorischer Zeit gebraten werden konnte.
[Bearbeiten] Mythen um die Bratwurst
Wie bei vielen volkskundlichen Spezialitäten, deren Herkunft nicht mehr eindeutig geklärt werden kann, gibt es auch zur Thüringer Rostbratwurst zahlreiche regionale Sagen und lokalpatriotische Vermutungen, die die Entdeckung dem jeweiligen Ort oder Landstrich zuschreiben, ohne Belege dafür vorweisen zu können.
- In Jenaprießnitz (bei Jena) behauptet man, die Thüringer Rostbratwurst sei um 1400 auf dem wöchentlich stattfindenden Jenaprießnitzer Bauernmarkt erfunden worden.
- In gleicher Weise schreibt man sich die Erfindung der Thüringer Rostbratwurst in Erfurt zu.
- Die Annahme, die Thüringer Bratwurst sei von einem Fleischer auf einem mittelalterlichen Markt zu Gotha erfunden worden, wird in Jenaprießnitz und Erfurt einvernehmlich als Falschdarstellung abgelehnt, nicht jedoch in Gotha, wo sie als historisches Faktum gilt.
[Bearbeiten] Herstellung
Nur fein gehacktes Schweinefleisch, eventuell auch entsehntes Kalb- oder Rindfleisch wird zur Herstellung verwendet. Neben Salz und Pfeffer werden insbesondere Kümmel, Majoran und Knoblauch verwendet. Die Gewürzmischungen variieren je nach überlieferter Rezeptur oder regionaler Ausprägung. Mindestens 51 % der verwendeten Rohstoffe müssen aus der Region Thüringen stammen. Diese Zutaten werden gut miteinander vermengt und in einen sehr feinen Schweinedarm oder Schafsaitling gefüllt.
Original Thüringer Bratwürste werden ohne Soja-Bestandteile hergestellt, die Wasser im Wurst-Teig binden könnten. Da der fleischige Wurst-Teig kein Wasser annimmt, wird vom erfahrenen Fleischer eine kleine Menge tief gefrorenes und fein geraspeltes Eis beigemischt, um die Saftigkeit der Würste zu gewährleisten. Das Eis bildet nach der Abfüllung in den Darm mikroskopische Wassereinschlüsse, die beim Genuss der gerösteten Wurst zur vollen Entfaltung des Aromas beitragen. Original Thüringer Bratwurst darf auch in gut durchgebratenem Zustand niemals trocken sein.
Gemäß § 5 der Hackfleischverordnung müssen rohe Thüringer Rostbratwürste spätestens am Tag nach ihrer Herstellung verbraucht werden (Ausnahme: Gaststätten bis zum Ende ihrer Öffnungszeit, wenn sie über 24 Uhr hinaus geht). Gebrühte oder vorgegrillte Würste dürfen 15 Tage, die unmittelbar nach der Herstellung tiefgefrorene Wurst sogar bis zu sechs Monate, aufbewahrt werden.
[Bearbeiten] Zubereitung
Wenn die Enden der Thüringer Rostbratwurst noch offen sind, wird sie unmittelbar vor der Zubereitung an ihren Enden gefasst und schwungvoll zum Rotieren gebracht, dadurch werden die Enden verschlossen. Danach wird sie in klarem Wasser gewaschen.
Die bevorzugte Zubereitungsart für rohe oder gebrühte Bratwürste ist das Braten über Holzkohle auf einem mit Speck eingeriebenen Rost. Das Holzkohlefeuer sollte nicht zu heiß sein, damit die Haut nicht aufplatzt. Eine dunkle (nicht schwarze) Kruste ist aber erwünscht. Die Bratwurst erhält eine besondere geschmackliche Note, wenn man sie während des Bratens mit Bier begießt.
Die Thüringer Rostbratwurst wird in einem aufgeschnittenen Brötchen mit Senf bestrichen gereicht.
[Bearbeiten] Thüringer Lebensstil
Für den Thüringer ist seine Rostbratwurst - genau wie das Rostbrätel - nicht nur ein Lebensmittel, sie verkörpert auch ein Lebensgefühl, das sich vor allem durch die Art der Zubereitung und des Verzehrs ausdrückt.
Infrage kommen dabei ausschließlich rohe Thüringer Rostbratwürste, die auf einem Holzkohlenrost geröstet werden. Gebrühte oder auf andere Art haltbar gemachte Würste, die Zubereitung auf einem Gasgrill oder gar das Frittieren in Öl sind dabei verpönt. Um den echten Thüringer Geschmack zu erreichen, verwendet der echte Thüringer Gourmet würziges Bier statt Wasser, um einen zu heiß gewordenen Rost auf die richtige Gartemperatur abzukühlen. Dabei setzt sich ein angenehmer, leicht brotartig riechender Dunst frei, der appetitanregend wirkt. Über die ideale Form der fertig gebratenen Würste wird unter Kennern gestritten. Die meisten Würste weisen eine gewisse Krümmung auf, die aber keinen geschmacklichen Einfluss hat. Auch der Lagerichtung der Wurst auf dem Grill werden bestimmte Einflüsse auf das Bratergebnis zugeschrieben. Angelehnt an die Zubereitung von Rostbräteln wird die Bratwurst gelegentlich vor dem Braten für ein bis zwei Stunden in einem Biersud eingelegt, der bevorzugt aus Pils, Senf und Zwiebelringen besteht. Dies gibt der Wurst einen besonders guten Geschmack.
Dem ausschließlichen Servieren im aufgeschnittenen Brötchen mit original Thüringer Senf stehen inzwischen auch andere Formen gegenüber, unter anderem mit Thüringer Kartoffelsalat oder anderen Salaten, aber auch verschiedenen Grillsaucen und Ketchup. In Thüringen wird aber überwiegend Thüringer Senf bevorzugt, ein ursprünglicher Senf, der nur aus gemahlener Senfsaat, Branntweinessig und etwas Meerrettich besteht. Die Verwendung von Majonäse kommt im Vergleich zu Traditionen anderer Regionen in Thüringen kaum vor.
Die Thüringer Küche ist traditionell sehr fleischlastig - keine andere regionale Küche weist so viele Fleischgerichte auf. Auch der Verzehr von Bratwürsten ist in Thüringen überdurchschnittlich hoch. Sie werden oft mit dem Schlagwort "Rost brennt" zum Kauf angeboten und haben in Thüringen die Stellung inne, die in Berlin oder dem Ruhrgebiet die Currywurst einnimmt, welche ihrerseits in Thüringen nur sehr gering verbreitet ist. Der Verzehr von zwei bis drei Thüringer Rostbratwürsten durch einen Erwachsenen gilt in Thüringen noch als angemessen.
[Bearbeiten] Das Weimarer Bratwurstverbot
Da die Rostbratwurst ein eher einfaches Essen ist, das auf Marktfesten und an Straßenständen zu sich genommen wird, strebte Bernd Kauffmann, der Koordinator der Kulturhauptstadt Weimar 1999 ein Verbot des Verkaufes in der Zeit gehobener kultureller Veranstaltungen an. Als Zugereister verkannte er jedoch die Bedeutung der Thüringer Rostbratwurst für die Einwohner Weimars. Die Initiative Rettet die Thüringer Bratwurst erreichte, dass nur bei bestimmten Veranstaltungen ein Bratverbot ausgesprochen werden konnte. Der Weimarer Oberbürgermeister Volkhardt Germer erklärte die Thüringer Bratwurst zum Kulturobjekt. Dennoch ist Weimar die einzige Stadt Thüringens, in der die Bratwurst von Amts wegen verboten werden darf.
[Bearbeiten] Ehrungen
Auf Grund der Bedeutung der Thüringer Rostbratwurst für die Thüringer Lebensart und auch mit dem Ziel der Tourismusförderung wurde 2006 das 1. Deutsche Bratwurstmuseum in Holzhausen bei Arnstadt eröffnet. Außerdem krönte die Stadt Suhl erstmals einen Bratwurstkönig von Thüringen. Thomas Mäuer bekam gemeinsam mit Sänger Jörg Hindemith diesen Titel 2006 zuerkannt. Jörg Hindemith schrieb daraufhin ein Bratwurstlied („Mann am Grill“), das die 1. Deutsche Grillhymne darstellen soll.
[Bearbeiten] Literatur
- Das große Thüringisch-Erfurtische Kochbuch oder deutliche Anweisung zu Bereitung schmackhafter Speisen, Backwerks und allerlei dahin einschlagenden Früchte, Säfte etc. 2 Bde. Erfurt (1797-1798)
- Wolfgang Held/Heinz Sonntag: Das Thüringer Rostbratwurst-Büchlein, Erfurt 1993, ISBN 392966206X
- Wolfgang Held/Heinz Sonntag: Das neue Thüringer Rostbratwurst-Büchlein, Erfurt 1998, ISBN 3896831283
[Bearbeiten] Weblinks
- Thüringer Rostbratwurst - Antrag auf Registrierung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (PDF-Format)
- Thüringer Rostbratwurst - Verordnung der EG zu diesem Thema (PDF-Format)
- Thüringer Rostbratwurst Die Sonneberger Variante
- Zubereitung und Verzehr
- 1. Deutsches Bratwurstmuseum und Homepage des Vereines "Freunde der Thüringer Bratwurst"
- Infos zur Thüringer Bratwurst