Verlagslizenz
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Als Verlagslizenz wurde die von den alliierten Besatzungsmächten in den vier deutschen Besatzungszonen nach dem Ende des 2. Weltkriegs erteilte Genehmigung, einen Buchverlag zu gründen und damit Schriftgut verlegen zu dürfen, bezeichnet. Ihr voraus ging häufig eine Vertriebsgenehmigung, mit der zunächst noch aus der Vorkriegs- und Kriegszeit stammende Lagerbestände verkauft werden konnten. Nachdem am 12. Mai 1945 durch die Besatzungsmächte alle Medienunternehmen in Deutschland zwangsweise geschlossen worden waren, war die Verlagslizenz unabdingbare Voraussetzung für eine Neuaufnahme der Verlagstätigkeit in Deutschland. Wegen der schwierigen Papiersituation im Nachkriegsdeutschland wurden teilweise die Auflagenzahlen, meist auf 5.000 für einzelne Titel, beschränkt.
Die Verlagslizenz war grundsätzlich an die Person, der sie erteilt wurde, gebunden und setzte voraus, dass sich ihr Inhaber während der Zeit des Dritten Reichs nicht aktiv an der nationalsozialistischen Politik beteiligt hatte. In der Sowjetische Besatzungszone wurden Lizenzen zunächst an die neugegründeten antifaschistischen Parteien und Organisationen und erst später an Einzelpersonen vergeben.
Die Verlagslizenz war z. T. aus dem Impressum der Verlagserzeugnisse ersichtlich. Sie trug auch die Bezeichnung Zulassung und war mit einem nach Besatzungszonen getrennten Nummernsystem den einzelnen Verlagen zugeordnet. Sie war zunächst mit der Auflage verbunden, in den Druckwerken jeweils eine Kurzbiographie des Autors einzufügen, wodurch Autoren, die dem nationalsozialistischen System nahestanden, an der weiteren Publizierung gehindert werden sollten.
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[Bearbeiten] Erteilung der Verlagslizenzen nach Besatzungszonen mit Beispielen
[Bearbeiten] Amerikanische Besatzungszone
Die amerikanischen Militärbehörden, die bis zum 4. Juli 1945 in Teilen Sachsens Besatzungsmacht waren, organisierten noch kurz vor ihrem Abzug aus dem danach von den sowjetischen Militärs kontrollierten Gebiet, den Umzug von mehreren führenden Leipziger Verlegern (u.a. Inhaber der Verlage Georg Thieme, Dieterich, Insel und F.A. Brockhaus) nach Frankfurt und Wiesbaden, wo die Verleger recht schnell Verlagslizenzen von der Nachrichtenkontrolle, einer Abteilung der US-Armee erhielten. Alle Verleger waren jedoch verpflichtet, vor der Veröffentlichung Berichte über die einzelnen Autoren vorzulegen.
- Insel Verlag, Zweigstelle Wiesbaden (12. September 1945, Friedrich Michael), Nr. 13
- Ernst Klett Verlag (November 1945, Ernst Klett), Nr. NN
- Piper Verlag (4. Januar 1946, Klaus und Reinhard Piper), Nr. NN
[Bearbeiten] Britische Besatzungszone
Es werden bis 1949 in der britischen Besatzungszone und im Britischen Sektor von Berlin 242 Verlagslizenzen vergeben. Nach der Lizenzvergabe mussten alle Manuskripte bei der Britischen Militärbehörde zur Vorzensur eingereicht werden.
- Suhrkamp Verlag (Johann Heinrich Suhrkamp), Britischer Sektor, Nr. 1
- Bertelsmann Verlag (1946, Heinrich Mohn), Nr. NN
- Ernst Rowohlt (27. März 1946), Nr. NN
[Bearbeiten] Französische Besatzungszone
In der französischen Besatzungszone erhalten etwa 200 Verlage Lizenzen, wobei das Zensurverfahren strenger als in der amerikanischen und in der britischen Besatzungszone gehandhabt wird, so dass sogar politisch völlig unverfängliche Titel, wie Heinrich Heines „Buch der Lieder“ und Immanuel Kants „Zum ewigen Frieden“ nicht verlegt werden dürfen.
- Rainer Wunderlich Verlag (1945, Hermann Leins), Nr. 1
- Hatje Canz Verlag (1945, Gerd Hatje), Nr. NN
[Bearbeiten] Sowjetische Besatzungszone
- Neuer Weg, der spätere Dietz Verlag (30. Juli 1945), Nr. 1
- Verlag C.F. Peters (1946, Dr.Johannes Petschull), Nr. NN
- Aufbau Verlag (16. August 1945), Nr. NN
- E.A. Seemann Verlag (Irmgard Nussbaum-Seemann), Nr. 109
- F.A. Brockhaus Verlag Leipzig (Fritz Brockhaus, Hans Brockhaus und Karl Jäger), Nr. 344
- Karl Baedeker Verlag Leipzig, Nr. 345
- Insel Verlag Leipzig (25. Februar 1947 Anton Kippenberg, ab 26. Oktober 1950 Richard Köhler), Nr. 351
- Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, Nr. 363
- Hinstorff Verlag (1947), Nr. NN
[Bearbeiten] Lizenzierungspolitik
In allen Besatzungszonen sollte die Erteilung von Verlagslizenzen verhindern, dass faschistische und militaristische Literatur auf den Buchmarkt kommt. Während es dann in der alten Bundesrepublik im Ergebnis des Inkrafttretens des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 zum formalen Wegfall jeglicher Zensur kam (Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG), verlief die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone in eine andere Richtung.
Dort wurden die Verlagslizenzen ähnlich wie in den westlichen Besatzungszonen zunächst ausschließlich von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) erteilt. Die Privatverlage unterstanden dann aber bereits ab 3. Juni 1946 dem in Ost-Berlin tätigen „Kulturellen Beirat“, der u. a. aus Vertretern der Landesregierungen, Parteien, Massenorganisationen, Universitäten und Kirchen bestand. Er entschied über Druckgenehmigungen und Papierzuteilungen. Ihm mussten die Manuskripte vor der Veröffentlichung zur inhaltlichen Begutachtung vorgelegt werden. Damit war eine Vorzensur gesichert.
Mit der Einrichtung des Kulturellen Beirats wurde zwar die zunächst angestrebte schrittweise Ausschaltung aller private Verlage zugunsten der inzwischen in großer Anzahl tätigen volkseigenen (VEB) und der im Eigentum von systemkonformen Parteien und Institutionen stehenden Verlage aufgegeben. Allerdings kam es dann 1951 aufgrund staatlichen Drucks doch dazu, dass von 120 Privatverlagen nur noch 20 übrig blieben. Nachfolger des Kulturellen Beirat wurde 1951 das Amt für Literatur und Verlagswesen (ALV) im Rang eines Staatssekretariats, das schließlich 1956 aufgelöst wurde, wobei seine Aufgaben und die Hauptverwaltung Literatur und Buchwesen (ab 1963 Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel) übernommen wurden.
Somit hielt man in der DDR nach der Aufhebung des Besatzungsstatuts an der Lizenzierung der Verlagserzeugnisse fest. Dadurch war die Ausübung der nach Artikel 27 Absatz 2 der DDR-Verfassungstext formal nicht vorgesehenen Zensur aller Publikationen und die Auswahl der noch zugelassenen privaten Verleger entsprechend der politischen Opportunität bis zum Ende der Staatlichkeit der DDR gewährleistet.
[Bearbeiten] Literatur
- Sabine Knopf, Volker Titel: Der Leipziger Gutenbergweg. Geschichte und Topographie einer Buchstadt. Sax-Verlag Beucha 2001, 200 S., ISBN 3-934544-04-5
- Thomas Keiderling: F.A. Brockhaus 1905 - 2005. Leipzig Mannheim 2005