Zwölf Stämme (Glaubensgemeinschaft)
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Die Zwölf Stämme (nicht üblich: „12 Stämme“) sind eine christliche Glaubensgemeinschaft, die sich als bibeltreu und in der Tradition des Urchristentums sieht. Sie nennt sich nach den Zwölf Stämmen Israels aus dem Tanach, der hebräischen Bibel, und den zwölf Aposteln, die Jesus von Nazaret in seine Nachfolge berief.
Die Anhänger dieser Gemeinschaft schicken ihre Kinder nicht in staatliche Schulen. Diese Schulverweigerung steht häufig im Mittelpunkt der Kritik an ihnen.
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[Bearbeiten] Geschichte
Gegründet wurde die Glaubensgemeinschaft in den 1970er Jahren von einer kleinen Gruppe in den USA. Entsprechende Gruppen gibt es mittlerweile in Europa, Nordamerika, Südamerika und Australien. Darin leben weltweit nach eigenen Angaben um die zweitausend Männer, Frauen und Kinder.
[Bearbeiten] Glauben
Grundlage des Glaubens der Zwölf Stämme ist die Bibel, Altes wie Neues Testament, die sie in allen Teilen als wörtlich zu nehmendes und heute gültiges Wort Gottes auslegen. Sie gelten daher als Fundamentalisten.
[Bearbeiten] Lebensweise
Die Zwölf Stämme leben und arbeiten zusammen in Kommunen. Diese sind streng hierarchisch gegliedert. Die männlichen Leiter nennen sich „Hirten“, und die einfachen Mitglieder heißen „Schafherde“. Sie erhalten keinerlei Zugang zu Medien und werden davon abgeschirmt, so dass sie nur die Informationen erhalten, die die „Hirten“ ihnen predigen.
Der Tagesablauf ist streng reguliert und beginnt mit einem gemeinschaftlichen Morgentreffen. Männer tragen in aller Regel Bärte und langes Haar. Dies wird biblisch und aus der Tradition des Judentums heraus begründet, Frauen tragen keine Hosen. Die Untergebenen müssen hart und lange arbeiten, bekommen keinen Lohn, keine Krankenversicherung und keine medizinische Versorgung.
[Bearbeiten] Konflikt mit dem deutschen Staat wegen Schulpflicht
Die Kinder der Gemeinschaft sollen „unbeeinflusst von modernen Strömungen“ streng nach biblischen Grundsätzen aufwachsen. Der staatliche Schulunterricht wird unter anderem wegen des Sexualkundeunterrichts und der Vermittlung der Evolutionslehre abgelehnt. Sexualkunde wird vorwiegend aus moralisch-pädagogischen Gründen abgelehnt; die Evolutionstheorie wird als Widerspruch zu biblischen Schöpfungsaussagen interpretiert und deshalb abgelehnt (siehe auch Kreationismus). Stattdessen werden die Kinder in der Gemeinschaft selbst unterrichtet.
Damit geriet die Gruppe in Konflikt mit der staatlichen Schulpflicht. Im Winter 2003 kam es zu ersten Verfahren und Einsätzen gegen eine Gruppe bibeltreuer Christen aus Deutschland, die ihre Kinder von der Schule abgemeldet hatte. Alle Verfahren gingen jeweils mit Entscheidungen gegen den Heimunterricht aus. Es wurden Buß- und Zwangsgelder von über 130.000 Euro gegen die Glaubensgemeinschaft verhängt, jedoch nie bezahlt. Die Anfechtungsklagen wurden vom Gericht abgewiesen.
Im Oktober 2004 eskalierte dieser Streit: Nachdem die Erziehungsberechtigten wiederholt eine Aufforderung des Schulamts im Landkreis Donau-Ries, ihre Kinder in die staatliche Schule zu schicken, ignorierten, wurden mehrere Väter in einer spektakulären Polizeiaktion in Erzwingungshaft genommen. Zur Zeit gibt es Versuche, den Konflikt mit den Behörden zu bereinigen. Im Gespräch mit dem bayrischen Kultusministerium wurde zum Beispiel der Besuch eines Schulpsychologen in Erwägung gezogen, um einen Eindruck vom Leistungsstand der Kinder zu erhalten. Die Debatte um die Zwölf Stämme löst immer wieder Debatten um die Einschränkung von Religionsfreiheit und Erziehung aus. Inzwischen dürfen die Eltern der Gruppe ihre Kinder selber unterrichten, unter Aufsicht des Kulturministeriums. Im Februar 2006 wurde der Glaubensgemeinschaft unter Auflagen vom bayrischen Staat eine eigene Schule genehmigt.