Ad-hoc-Publizität
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Ad-hoc-Publizität nennt man die Publizitätspflichten von Emittenten. Sie sind im deutschen Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) geregelt.
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[Bearbeiten] Ad-hoc-Meldung
§ 15 WpHG verpflichtet die Emittenten zur sofortigen Veröffentlichung solcher Tatsachen, die den Börsenkurs der zugelassenen Wertpapiere eines Unternehmens erheblich beeinflussen oder im Fall zugelassener Schuldverschreibungen die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen nachzukommen, beeinträchtigen können.[1] Diese Publizitätspflicht soll verhindern, dass Informationen Insidern vorbehalten bleiben, die diese zu eigenem Vorteil ausnutzen könnten (Insiderhandel). Ziel ist es, die Informationen möglichst allen Marktteilnehmern zur gleichen Zeit zugänglich zu machen.
Häufig verbreiten Aktiengesellschaften auf diese Weise Neuigkeiten zu Unternehmenszahlen oder bedeutsame Geschäftsabschlüsse. Sie können je nach Einschätzung der Marktteilnehmer ein Steigen oder ein Sinken des Aktienkurses an der Börse zur Folge haben.
[Bearbeiten] Verfahren
Die Nachrichten sind vor der Veröffentlichung zuerst der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – bis 1. Januar 2002 Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel – und den Börsenführungen bekannt zu geben. Diese entscheiden, ob der Aktienkurs ausgesetzt werden muss. Die Veröffentlichung ist entweder in einem überregionalen Börsenpflichtblatt oder über ein elektronisch betriebenes, weit verbreitetes Informationsverbreitungssystem in deutscher Sprache vorzunehmen. In der Praxis erfolgt die Veröffentlichung über einen Ad hoc-Dienstleister.
[Bearbeiten] Schadensersatzpflicht
Verletzt der Emittent die Publizitätspflicht, so ist er gemäß § 37b WpHG einem Dritten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Dritte die Wertpapiere nach der Unterlassung erwirbt und bei Bekanntwerden der Tatsache noch Inhaber der Wertpapiere ist oder die Wertpapiere vor dem Eintritt der Tatsache erwirbt und nach der Unterlassung veräußert.[2] Ebenso besteht gem. § 37c WpHG Schadensersatzpflicht, wenn unwahre Tatsachen veröffentlicht werden und der Dritte die Wertpapiere nach der Veröffentlichung erwirbt und er bei dem Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Tatsache noch Inhaber der Wertpapiere ist oder die Wertpapiere vor der Veröffentlichung erwirbt und vor dem Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Tatsache veräußert. Die Schadensersatzansprüche sind ausgeschlossen, wenn der Emittenten nachweist, dass er die Unrichtigkeit der Tatsache nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht oder wenn der Dritte die verschwiegene Tatsache oder die Unrichtigkeit der veröffentlichten Information gekannt hat.[3] Nebem dem Unternehmen selbst (dem Emittenten) kann auch eine persönliche Haftung der Vorstände in Betracht kommen. Eine solche Haftung kann nach bisheriger Rechtsprechung nur auf das allgemeine Deliktsrecht des BGB gestützt werden. In Betracht kommt insbesondere eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB. [4][5] Allerdings wird vermehrt und mit guten Gründen auch eine Schadensersatzpflicht nach den Grundsätzen der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung befürwortet. [6] Besondere Schwierigkeiten bereitet allerdings insoweit der Nachweis der Kausalität, also der Nachweis des Anlegers, dass seine Kaufentscheidung durch die Informationspflichtverletzung beeinflusst war. Gelingt der Kausalitätsbeweis, dann kann der Anleger verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Wertpapiere nicht erworben. Er erhält dann den Erwerbspreis vom Beklagten erstattet, muss diesem freilich die Übertragung der Aktien anbieten. Hat der Anleger die Aktien zwischenzeitlich verkauft, ist der Verkaufserlös auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen.
[Bearbeiten] Missbrauch
Die große Beachtung von Ad-hoc-Meldungen im Kapitalmarkt verleitet manche Emittenten dazu, Ad-hoc-Meldungen zu PR-Zwecken zu nutzen. Zur Zeit des Neuen Marktes war diese Praxis weit verbreitet: Die Zahl der jährlich veröffentlichten adhoc-Meldungen verfünffachte sich in den Jahren 1995-2000[7]. Eine empirische Studie von André Güttler belegt den Missbrauch von Ad-hoc-Meldungen durch Teilnehmer des Neuen Marktes.[8]
Mit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz (2002) präzisierte der Gesetzgeber den zulässigen Inhalt von Ad-hoc-Meldungen. Die Veröffentlichung sonstiger Angaben, die nicht unter die Veröffentlichungspflicht fallen, ist seither untersagt und kann mit Bußgeldern geahndet werden. Agenturen wie die DGAP reagierten darauf mit der Einrichtung paralleler Verbreitungskanäle für Pressemeldungen. Durch diese Maßnahmen konnte der Missbrauch der Ad-hoc-Publizität eingedämmt, wenn auch nicht vollständig verhindert werden.
Ein kurzer Absatz mit allgemeinen Angaben zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens ist in Ad-hoc-Meldungen nach wie vor üblich und wird toleriert.
[Bearbeiten] Literatur
- Volker Schlittgen: "Die Ad-hoc-Publizität nach Paragraph 15 WpHG". Heidelberg, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-631-35348-0
- Peter Ch. Hsu: "Ad-hoc-Publizität : Bekanntgabe von kursrelevanten Tatsachen ; ein Mindeststandard kapitalmarktgerechter Unternehmenspublizität". Zürich, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-7255-3990-1
- K. F. Johannes Hewicker:"Ad-hoc-Publizität: Die Haftung des Vorstandes". Kiel, Univ., Diss., 2005 ISBN 3-8300-2041-4
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ § 15 WpHG
- ↑ § 37b WpHG
- ↑ § 37c WpHG
- ↑ § 826 BGB
- ↑ BGH, Urteil v. 19. Juli 2004, Az. II ZR 402/02 - Infomatec)
- ↑ K F Hewicker, Ad-hoc-Publizität: Die Haftung des Vorstandes, Verlag Dr. Kovac, 2005, ISBN 3-8300-2041-4
- ↑ Presseportal: Ad-hoc-Praxis in der Kritik
- ↑ Studie André Güttler (PDF)
[Bearbeiten] Weblinks
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