Alfred Redl
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Alfred Redl (* 14. März 1864 in Lemberg, Galizien (heute Lwíw, Ukraine), † 25. Mai 1913 in Wien) war zuletzt Oberst der österreich-ungarischen Armee und Generalstabschef des VIII. Korps (Prag). Während des größten Teils seiner vorhergehenden Dienstzeit in der Spionageabwehr war er einer der wichtigsten Spione des russischen Zarenreichs.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Jugendjahre
Redl wurde 1864 als Sohn von Franz und Mathilde Redl in Lemberg (damals Hauptstadt des österreichischen Kronlandes Galizien) geboren. Sein Vater hatte zunächst die Berufsoffizierslaufbahn eingeschlagen, musste jedoch die Armee mit 31 Jahren verlassen, weil er die für eine standesgemäße Hochzeit erforderliche Heiratskaution nicht aufbringen konnte. Es gelang ihm dann eine Anstellung bei der k.k. Carl Ludwig-Bahn zu bekommen, allerdings nur in Lemberg, wo er es zum Eisenbahn-Oberinspektor brachte. Als deutschsprachiger Staatsbeamter gehörte er dort einer geduldeten Minderheit an. Die Oberschichte mit Adel und Großbürgertum bildeten die Polen, die Ruthenen (Ukrainer) waren die bäuerliche Bevölkerungsmehrheit, die vom polnischen Großgrundbesitz weitgehend unterdrückt wurde und erst im Ausgleich des Jahres 1914 ähnliche Rechte zuerkannt erhielt, wie die Bürger anderer Kronländer. (Die Stimmen der polnischen Oberschicht waren für Franz Joseph I. im Reichsrat der österreichischen Reichshälfte der Doppelmonarchie sehr wichtig, deswegen stimmte er auch zu, dass polnisch im Jahr 1868 zur galizischen Amtssprache wurde). Redls Vater war um die Karriere seiner 7 Kinder erfolgreich bemüht. Von den Söhnen wurden zwei Berufsoffiziere, einer Architekt, einer Jurist und einer Bahnbeamter wie sein Vater. Die beiden Töchter ergriffen den Lehrberuf. Die Tatsache, dass sich der Vater auch bemühte, die Kinder dreisprachig -polnisch, ruthenisch (ukrainisch/russisch) und deutsch- zu erziehen, sollte für die Karriere Rudolf Redls entscheidende Bedeutung erlangen.
Redl trat nach dem Besuch der Unterrealschule im Alter von 15 Jahren in die k.k. Kadettenschule Karthaus, die in einem Vorort von Vorort von Brünn (Brno) gelegen war, ein. Es wird angenommen, dass sich in dieser reinen Männerwelt in Zusammenhang mit der Distanz zu seiner dominanten Mutter seine homoerotische Neigung entwickelt hatte. [1] Diese Neigung -öffentlich gemacht- führte damals zur Entlassung aus dem Staatsdienst, zu gesellschaftlicher Ächtung und zu einem Gerichtsverfahren. Redl verließ Karthaus 1883 als Kadett-Offiziersstellvertreter mit „sehr gutem Erfolg“ und wurde nach vierjähriger Truppenverwendung beim Infanterieregiment Nr. 9 in Lemberg "vom Offizierskorps der Beförderung zum Leutnant für würdig empfunden." Mit einer überdurchschnittlich guten Beurteilung seiner Vorgesetzten versehen bewarb er sich um Zulassung zur Kriegsschule, der Ausbildungsstätte für Offiziere des Generalstabsdienstes. Es spricht für Redls überdurchschnittliche Fähigkeiten, dass er als Absolvent einer "gewöhnlichen" Kadettenschule nicht nur 1892 das Auswahlverfahren positiv absolvierte, dem sich jeweils mehrere hundert Offiziere stellten, sondern 1894 zu jenen 25 Offizieren gehörte, die den Lehrgang positiv abschlossen. Bereits vor seiner Einberufung musste sich Redl wegen einer syphilitischen Erkrankung in Behandlung begeben, die vor der Erfindung von Antibiotika sehr häufig einen chronischen und nicht selten tödlichen Verlauf nahm. Redls Obduktion nach seinem Selbstmord ergab, dass er nicht nur chronisch erkrankt war, sondern nicht mehr lange zu leben hatte. [2]
[Bearbeiten] Redl als Generalstabsoffizier
Nach seinem Abgang von der Kriegsschule war Redl bis 1895 im Eisenbahnbureau tätig, einer Dienststelle, die sich mit Transport- und Aufmarschplanungen beschäftigte. Dabei ging es auch darum, die Bahnstrecken möglicher Kriegsgegner auszukundschaften. Von besonderer Bedeutung war diese Aufgabe in Russland, da dort Landkarten der Geheimhaltung unterlagen und der Verlauf von Bahnstrecken vielfach nur durch persönliche Bereisung festgestellt werden konnte. Nach dieser relativ kurzen Dienstverwendung war Redl mehrere Jahre bei Truppenstäben eingesetzt, zunächst in Budapest und dann -bereits als Hauptmann- in seiner Heimatstadt Lemberg. 1899 kam der Moment, wo man ihn auf Weisung von Generalstabschef Beck auf einen Sprachkurs nach Russland schickte. In Kasan erwarb er dann jene Kenntnisse, die das Sprungbrett zu seiner Dienstverwendung in der "russischen Gruppe" des Wiener Evidenzbüros im Generalstab war, die im Jahr 1900 begann. Dieses Evidenzbüro sammelte die aus den verschiedensten Quellen stammenden Meldungen militärischer Relevanz, die täglich dem Generalstabschef und einmal wöchentlich dem Kaiser (Bis 1913 handschriftlich) vorgelegt werden mussten. Dafür standen 20 Offiziere zur Verfügung, ein Bruchteil dessen, worüber der deutsche, geschweige denn der russische Generalstab verfügte. Dieser Personal- und Geldmangel beruhte vor allem auf der Tatsache, dass das Evidenzbüro dem Außenministerium unterstand, das als k.u.k. Ministerium von den Ungarn mitfinanziert wurde, die gemeinsamen Institutionen grundsätzlich nur die geringstmöglichen Mitteln zubilligte. Redl avancierte rasch. Nach wenigen Monaten kam er bereits in das Kundschaftsbüro, das alle auswärtigen Staaten kontrollierte, 1905 wurde er Major, 1907 wurde er Leiter des Kundschaftsbüros. Wenige Monate später avancierte er zum stellvertretenden Leiter des Evidenzbüros, womit er zu den engsten Vertrauten des Generalstabschefs aufrückte. Nach seiner Beförderung zum Oberst im Mai 1912 wurde Redl am 18. Oktober desselben Jahres als Generalstabschef des VIII. Armeekorps nach Prag versetzt.
[Bearbeiten] Redl als Spion
In Russland hatte man die militärische Spionage um die Jahrhundertwende auf eine neue Basis gestellt. Die russische Staatspolizei ("Ochrana") war nun federführend für die Auslandsspionage und unterhielt Büros in Moskau, St.Petersburg und dem damals russischen Warschau. Sie arbeitete eng mit der "Abteilung für das Kundschafterwesen" im zaristischen Generalstab zusammen. Für Österreich war die Ochranaabteilung in Warschau zuständig, die eine Stärke von 50 Mann hatte, 150 gehörten zur Reserve. Chef des Kundschafterwesens war Oberst Nikolaj Batjuschin, der um 1901 eine perfekt Deutsch sprechenden Balten namens Pratt als "Urlauber" nach Wien schickte um einen hochrangigen Konfidenten des Wiener Evidenzbüros anzuwerben. Auf seiner Suche nach Schwachstellen im Privatleben der Offiziere wurde er 1903 bei Hauptmann Redl fündig, der zu dieser Zeit homosexuelle Kontakte zu einem Leutnant Meterling des Dragonerregimentes 3 unterhielt. Pratt richtete an Redl folgenden Brief: [3]
- „Ich muss mit ihnen über einen Leutnant X vom Dragonerregiment 3 sprechen. Sollten sie nicht kommen oder mir eine Falle stellen wollen, so wird der Chef des Generalstabes morgen über ihre Beziehungen zu Leutnant X. informiert werden.“
Redl kam und begann mit seiner Tätigkeit im Sinne der Ochrana. Er wurde zunächst vom russischen Militärattaché Baron de Roop persönlich betreut, eine Tätigkeit die Kaiser Franz Joseph I. seinen Militarattachés ausdrücklich verboten hatte. Nachdem de Roop das Land wegen Spionage verlassen musste übernahm die Betreuung dessen Nachfolger Oberst Mitrofan Konstantinowitsch Martschenko, der später aus gleichen Grund ausgewiesen wurde. Dieser urteilte über Redl im Oktober 1907 wie folgt:
- „tückisch, verschlossen, konzentriert und pflichtbewusst, gutes Gedächtnis... Süße, weiche, sanfte Sprache, ... eher schlau und falsch, als intelligent und talentiert. Zyniker...“
Da die Russen Redl großzügig entlohnten, war dieser nun in der Lage ein Leben zu führen, das sonst nur Aristokraten vorbehalten war. Er verkehrte in den teuersten Lokalen und leistet sich zwei Automobile der Spitzenklasse. Mit einem beträchtlichen Teil seines Geldes finanzierte er seinen Hang zu gleichgeschlechtlicher Liebe, wobei er permanenten Erpressungen ausgesetzt war. Mit den hohen Einnahmen nicht zufrieden, begann er seine Unterlagen auch dem italienischen und dem französischen Geheimdienst zu verkaufen. Er kam dadurch auf eine Jahresverdienst von ca. 50.000 Kronen.
Redl liefert so gut wie alles, was in der k.u.k. Armee der Geheimhaltung unterlag. Mobilmachungspläne, Truppenstärken, Inspektionsberichte, Festungspläne. Die Unterlagen wurden von ihm fotografiert und persönlich entwickelt. Er liefert auch österreichische Spione ans Messer, die bei den Russen generell hingerichtet wurden. ebenso alle russischen Spione in österreichischen Diensten. Darüber hinaus lieferte er von den Russen gefälschte Berichte, in denen die russischen Truppenstärken, die Qualität der Truppen und die Dauer der Mobilmachung in Richtung geringer Leistungsfähigkeit verfälscht worden war.
Natürlich waren die Rückschläge, die der österreichische Kundschafterdienst erlitt auffällig, doch Redl verstand es diese Rückschläge durch ,erfolgreiche' Aktionen zu kompensieren, die auf gefälschten Dokumenten und ,ertappten' russischen Agenten beruhten, die für Redls Auftraggeber zur Belastung geworden waren. unverständlich ist allerdings die Tatsache, dass man den aufwändigen Lebenswandel Redls niemals ernsthaft überprüfte. Einmal konnte Redl nur mit Glück einer Enttarnung entgehen. 1909 war Major Lelio Graf Spannochi Militärattaché in Moskau. [4] Spannochi hatte sich durch besondere Leistungen für diese Aufgabe qualifiziert und auch das Vertrauen des Kaisers erworben. In Moskau befreundete er sich mit dem britischen Militärattaché Guy Wyndham, der ihm eines Tages anvertraute, dass ein sehr hoher österreichischer Generalstabsoffizier den Russen alles liefern würde, was diese wünschten. Spannochi teilte dies dem Chef des Evidenzbüros Oberst Hordlicka mit, der diesen Verdacht nicht ernst nahm und ihn -nachdem Spannochi nun dem Kriegsminister persönlich Bericht erstatten wollte- bat, sich nicht an diesen, sondern an Oberst Redl zu wenden. Dieser verstand es in Zusammenarbeit mit den Russen Spannochi bloß zu stellen, seine Abberufung aus Moskau zu erreichen und seiner Karriere einen -allerdings nicht dauerhaften- Schaden zuzufügen.
[Bearbeiten] Enttarnung
Am 18.Oktober 1912 wurde Redl nach Prag versetzt , wo er als Generalstabschef des VIII.k.u.k.Korps eingesetzt wurde. Da er sich in seiner neuen Funktion kaum unauffällig mit Verbindungsleuten der Gegenseite treffen konnte, erfolgten die Geldsendungen zumeist per Post. Eine solche postlagernde Geldsendung, gerichtet an einen gewissen Nikon Nizetas, wurde vom Hauptpostamt Wien nach Ende der Behebungsfrist als unzustellbar an das Aufgabepostamt in Eydtkuhnen in Ostpreußen zurückgeschickt. Als man dort den Brief öffnete um den Absender feststellen zu können, kamen 6.000 Kronen in Noten und Adressen zum Vorschein. Der Brief wurde an den deutschen Geheimdienst weitergeleitet. Major Walter Nicolai fand im Brief zwei den Preußen und Österreichern bekannte Spionageadressen und informierte den österreichischen Major i.G. Maximilian Ronge vom Evidenzbureau. Nikolai schickte den Brief nun erneut nach Wien, wo der Chef der Staatspolizei Edmund von Gayer den Schalter für postlagernde Briefe über einen Monat lang überwachen ließ. Am 25. Mai 1913 holte Oberst Redl seine Post ab, wurde verfolgt und anhand handschriftlich ausgefüllter Abhol- und Aufgabescheine, die er weggeworfen hatte, als Oberst Redl identifiziert.
[Bearbeiten] Der Vertuschungsversuch
Für den vor allem bei den Ungarn, aber auch im Außenministerium nicht unumstrittenen Chef des k.u.k. Generalstabes, Franz Conrad von Hötzendorf war dies ein doppelter Schlag. Neben dem Geheimnisverrat drohte nun ein peinlicher Prozess, der die Versäumnisse des Generalstabes bei der Auswahl und Überprüfung von Offizieren in Schlüsselpositionen aufgedeckt und vor allem den Ungarn viel Munition geliefert hätte, die möglicherweise zum Sturz des Generalstabschefs selbst hätten führen können. Er befahl deshalb höchste Geheimhaltung. Eine Offiziersdelegation sollte Redl heimlich in seinem Hotel aufsuchen und ihm einen Selbstmord nahelegen. Die Delegation fand Redl, der seine Enttarnung ahnte, bei Selbstmordvorbereitungen in seinem Hotelzimmer. Er gestand seinem ehemaligen Mitarbeiter Ronge, dass er „in den Jahren 1910 und 1911 fremde Staaten im Großen bedient“ und ohne Komplizen gearbeitet hatte. Mit dieser kurzen Falschaussage gab man sich zufrieden, übergab im eine Pistole und zog sich dann zurück, um „dem Verbrecher sodann die Möglichkeit zu geben, seinem Leben ein rasches Ende zu bereiten“ Man wartete bis in die Morgenstunden, in denen man dann seinen Tod feststellte. Franz Conrad von Hötzendorf war zufrieden und schickte an den Thronfolger Franz Ferdinand in seiner Eigenschaft als Generalinspekteur der k.u.k. Armee ein Telegramm, in dem er mitteilte, dass sich Redl "aus bisher unbekannter Ursache" erschossen habe, der Kaiser wurde in ähnlicher Form ,informiert'.
[Bearbeiten] Die Aufdeckung
Die Kommission wurde nun unverzüglich nach Prag geschickt, um dort Redls Unterkunft zu untersuchen und Spuren zu sichern. Sie traf dort um die Mittagszeit des Selbstmordtages ein. Da es Sonntag war, konnte man keinen dienstlichen Handwerker auftreiben, der in der Lage war Türen und andere verschlossenen Behältnisse zu öffnen, man liess deshalb einen zivilen Schlosser holen, der diese Arbeit verrichtete. Dieser versäumte dadurch als Teammitglied ein wichtiges Fußballspiel und wurde deshalb vom Ehrenobmann des FC "Sturm" Egon Erwin Kisch , auch als "rasender Reporter" bekannt, gerügt. Als er den Grund des Fernbleibens und alle Details erfahren hatte, war es ihm klar, dass es sich um Oberst Redl, Spionage und Homosexualität handeln musste. Aufgrund der Zensur brachte er diese Sensationsmeldung als Dementi in der Montagausgabe der Zeitung Bohemia. Es wäre unrichtig, schrieb Kisch, dass Redl wegen Spionage für Russland Selbstmord begangen habe, man habe nach Verfehlungen ganz anderer Art geforscht. Erst über sie erfuhren Kaiser und Thronfolger von den Hintergründen des Selbstmordes. Dieser Bericht schlug wie eine Bombe ein, ein Heer von Reportern begann sich des Falles anzunehmen. Das Kriegsministerium reagierte erst drei Tage später mit der Meldung , Redl habe sich das Leben genommen, "als man im Begriffe war" ihn wegen homosexueller Verfehlungen und Geheimnisverrat an fremde Mächte zu überführen. Auch später wird das Ministerium die Tatsache verschweigen, dass man Redl zum Selbstmord gedrängt und dadurch die Aufklärung des Falles verhindert habe. der Leiter des evidenzbüros Urbanski wird später angeben, er habe einen schonungslosen Berichth abgeliefert, dieser sei jedoch von der Militärkanzlei des Thronfolgers verharmlost worden. Die österreichische Abwehr stellte bei der Aufarbeitung des Falles fest, dass Redls Konto bei der Neuen Wiener Sparkasse seit Anfang 1907 in auffallend schneller Folge Einlagen verzeichnete, die sich von 1905 bis 1913 auf insgesamt 116.700 Kronen beliefen. Der Zeitraum und die Höhe der Einlagen wies daher auf länger andauernde und wichtigere Verratshandlungen hin, als Redl sie in der Nacht vor seinem Tod eingeräumt hatte. Genauere Aufklärung war jedoch wegen Redls Tod nicht mehr möglich.
[Bearbeiten] Militärische Folgen
Nachdem man in seinem Nachlass die „Kriegsordre de Bataille“, die Mobilisierungsanweisungen für alle Eventualfälle, das „Reservathandbuch“, Maßnahmen der Spionageabwehr in Galizien, Deckadressen fremder Generalstäbe, Spionagekorrespondenzen, Dokumente über das Kundschaftswesen u.a. gefunden hatte, ging man vom größten anzunehmenden Schaden – dem Verrat der österreichischen Aufmarschplanung gegen Russland — aus. Die gefundenen Unterlagen stellten die erforderlichen Kräfte zur Eröffnung von kriegerischen Operationen und ihre Verteilung im Raum dar. Diese Annahme wurde durch russische Historiker inzwischen bestätigt.
Da sich die Affäre trotz Redls Selbstmord nicht vertuschen ließ und ans Licht kam – nach Kischs Darstellung, weil der Schlosser plauderte, der den Ermittlern Zutritt zu Redls Wohnung in Prag verschafft hatte – bemühte sich der österreichische Geheimdienst nach Kräften, die Angelegenheit in der Öffentlichkeit herunterzuspielen. Es wurde von einer ersten Spur der Spionage im März 1912 gesprochen, Redls gesteigerter Geldbedarf „im Zusammenhang mit seiner verhängnisvollen Leidenschaft“ gesetzt und durch einen veröffentlichten Obduktionsbericht eine krankhafte Veränderung seines Gehirns konstatiert. Parallel wurde versucht, so schnell wie möglich die Aufmarschplanung zu überarbeiten, der russischen Seite aber zu suggerieren, der verratene Plan sei noch in Geltung.
Es wird angenommen, dass Redls Verrat zu den Niederlagen Österreich-Ungarns während der ersten Monate des Ersten Weltkriegs beitrug, da die von ihm verratenen Pläne sehr umfangreich waren und nicht ohne weiteres in der Zeit zwischen seinem Selbstmord und dem Ausbruch des Kriegs geändert werden konnten. Da Redl außerdem österreichische und deutsche Spione in Russland auffliegen ließ und so die massive Aufrüstung der russischen Armee nach Kräften abschirmte, erhielt Österreich-Ungarn eine viel zu optimistische Vorstellung von den Kräfteverhältnissen. Der österreichische Abgeordnete zum Reichsrat Graf Adalbert Sternberg äußerte sich nach dem Ersten Weltkrieg hierzu (und in Hinblick auf den Verrat Redls an dem russischen Generalstabsoberst Kyrill Petrowitsch Laikow, der Österreich nicht weniger als den gesamten russischen Aufmarschplan angeboten haben soll) wie folgt:
- „Dieser Schurke [Redl] hat jeden österreichischen Spion denunziert, denn der Fall des russischen Obersten [Laikow] wiederholte sich mehrmals. Redl lieferte unsere Geheimnisse den Russen aus und verhinderte, dass wir die russischen Geheimnisse durch Spione erfuhren. So blieb den Österreichern und Deutschen im Jahre 1914 die Existenz von 75 Divisionen, die mehr als die gesamte österreichisch-ungarische Armee ausmachten, unbekannt...“
Von Sternberg geht so weit, die Folgen des Falles Redl wie folgt zu analysieren: „Hätten wir klargesehen, dann hätten unsere Generäle den Hofwürdenträger nicht zur Kriegserklärung getrieben.“
Andererseits vertraute der zaristische Generalstab offenbar ebenfalls auf die unveränderte Gültigkeit des von ihm gekauften Aufmarschplans und war überrascht, als die österreich-ungarische Hauptmacht 100 bis 200 km weiter westlich als angenommen vordrang, was zu den schmerzlichen Schlägen bei den Schlachten von Krasnik und Komarow führte.
[Bearbeiten] Andere Angaben zum Fall Redl
Es wird mitunter auch angenommen, dass Redl überhaupt keine bedeutende Rolle gespielt hatte. Ihm aber die Schuld an den Niederlagen der deutschen Armee gab.
Philip Knightley: „(...) die allgemein akzeptierte Version über seine Enttarnung, seine Festsetzung, seinen Tod und das Ausmaß seines Verrats, das heißt, seine Bedeutung als Spion, liest sich ganz so, als sei sie geschrieben worden, um die Schlagkraft der österreichischen Spionageabwehr herauszustreichen und die demütigenden Niederlagen der Donaumonarchie zu Beginn des Krieges zu beschönigen.“
Als ebenso unglaubwürdig gilt der Bericht Egon Erwin Kischs. Das „Lexikon der Spionage im 20. Jahrhundert“ schreibt:
„Die angebliche Beteiligung des Reporters Egon Erwin Kisch (Prager Bohemia und Auslandskorrespondent des 'Berliner Tagblattes') an der Aufdeckung beruht auf seiner eigenen späteren Darstellung, für die es keine Beweise gibt.“
Die Darstellung, nach der Redl an den vernichtenden Niederlagen der österreichisch-ungarischen Armee Schuld sei, wird von beiden Büchern als sehr vage beschrieben. Wirklich nachweisbar ist anscheinend nur eine Tätigkeit als Agent.
[Bearbeiten] Verfilmungen
- Ö 1925: Oberst Redl, Regie Hans Otto Löwenstein, Darsteller: Robert Valberg
- Ö 1955: Spionage, Regie: Franz Antel, Darsteller: Ewald Balser, Rudolf Forster, Gerhard Riedmann, Oskar Werner; authentische Nacherzählung von Alfred Redls Spionagetätigkeit, Rekonstruierung der historischen und psychologischen Hintergründe des Geschehens;
- Ö 1985: Oberst Redl, Regie: István Szabó, Darsteller: Klaus Maria Brandauer, Armin Mueller-Stahl, Gudrun Landgrebe; Oscar-nominierte Verfilmung des Spionagefalls Alfred Redl;
[Bearbeiten] Literatur
- Janusz Piekalkiewicz: Weltgeschichte der Spionage, S.255-265: Das k.u.k Evidenzbureau. Südwest Verlag, München 1988. ISBN 3-933366-31-3
- Egon Erwin Kisch schrieb im Jahr 1924 den Bericht Der Fall des Generalstabschefs Redl, der heute unter dem Titel Wie ich erfuhr, dass Redl ein Spion war publiziert ist. ISBN 3-608-95569-0
- Stefan Zweig hat in seinem Werk Die Welt von Gestern dem Fall Redl drei Seiten gewidmet (Kapitel "Glanz und Schatten über Europa"). ISBN 3-596-21152-2
- Georg Markus: Der Fall Redl liefert seriöse Informationen unter Mitverwendung russischer Literatur. ISBN 3-548-34354-6
- Eric Walz: Schwule Schurken, 2002. ISBN 3-935596-04-9
- Maximilian Ronge: Kriegs- und Industrie-Spionage: Zwölf Jahre Kundschaftsdienst (Amalthea-Verlag, Zürich 1930)
- Tristan Busch beschreibt den Fall Redl im Dritten Kapitel (Verbrüderung der Verräter) seines Buches Entlarvter Geheimdienst (Pegasus Verlag Zürich 1946)
- Phillip Knightley Die Geschichte der Spionage im 20. Jahrhundert (Verlag Volk und Welt, Berlin 1990)
- Helmut Roewer, Stefan Schäfer, Matthias Uhl, Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert (F.A.Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München 2003)
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Alfred Redl im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Oberst Redl (1925) in der Internet Movie Database
- Spionage (1955) in der Internet Movie Database
- Oberst Redl (1985) in der Internet Movie Database
Personendaten | |
---|---|
NAME | Redl, Alfred |
KURZBESCHREIBUNG | Oberst der österreichisch-ungarischen Armee und russischer Spion |
GEBURTSDATUM | 14. März 1864 |
GEBURTSORT | Lemberg (Galizien), heute Lwíw, Ukraine |
STERBEDATUM | 25. Mai 1913 |
STERBEORT | Wien |