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Arbeitshaus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Arbeitshaus stellte eines der wesentlichen Merkmale armenpolitischer Bemühungen des 17. und 18. Jahrhunderts dar: Man schuf ein Versorgungshaus, in welchem von Armut betroffene Menschen Aufnahme finden sollten und holte sie gleichzeitig von der Straße. Gleichzeitig machte man sich das Arbeitspotential dieser Menschen zunutze, indem sie sich der manufakturellen Produktionsweise, die die Haupteinnahme des absolutistischen Staates bildete, zur Verfügung stellen mussten. Der Wandel vom herumziehenden Bettler zum wirtschaftlich verwendbaren Untertan sollte hierbei durch Methoden der Arbeitserziehung erreicht werden.

Das erste europäische Arbeitshaus wurde 1555 in England gegründet (London). Wenig später folgten Häuser in den Niederlanden (Amsterdam). Die ersten deutschen Gründungen waren in Bremen (1609), Lübeck (1613) und Hamburg (1620). Auffallend ist die Verbreitung in protestantischen Gegenden. Das hing vermutlich mit einem neuen Verständnis von Arbeit zusammen, das durch Martin Luther, besonders aber Johannes Calvin geprägt wurde: Durch die Reformation entstand eine Frömmigkeit, welche durch Arbeit, die gläubig dienend verrichtet wurde, und durch damit erworbenes Vermögen als Zeichen göttlichen Wohlgefallens bewiesen werden konnte.

Trotz offizieller Unterscheidungen zwischen Arbeitshäusern, Zuchthäusern oder anderen möglichen Bezeichnungen (Manufakturhaus, Werkhaus, Korrektionshaus) war die Benennung nicht unbedingt ein Hinweis auf die tatsächliche „Konzeption“, die sich hinter einer Einrichtung verbarg. Auch Häuser, in denen die Aufnahme angeblich freiwillig war, konnten Insassen haben, die durch Razzien und ohne, dass sie es gewollt hatten, dort inhaftiert wurden. So wurde beispielsweise das „Militärische Arbeitshaus München“ – seiner Konzeption nach ein freiwilliger Aufenthaltsort – am Neujahrstag 1790 mit einer Razzia auf die Münchner Bettler eröffnet.

Quantitativ spielten die Arbeitshäuser keine große Rolle. Vermutlich erfassten sie keinen nennenswerten Teil der Armutsbevölkerung. Trotzdem hatten sie indirekt disziplinierende Wirksamkeit, da sie offensichtlich eine Abschreckungsmaßnahme des absolutistischen Staates darstellten.

Da die Arbeitshäuser in erster Linie als armenpolitische Maßnahme gedacht waren, versammelten sich in ihnen nahezu alle Außenseiter, die das absolutistische Zeitalter hervorgebracht hatte: Bettler, Dirnen, ehemalige Soldaten, Handwerker ohne Anstellung, Straffällige oder Waisenkinder. Das einzig verbindende Element war ihr Arbeitspotential. Eine Trennung der Gruppen nach Geschlecht oder Alter war nur in manchen Häusern gegeben.

Die Häuser wurden in der Regel von einem Inspektor geleitet, der für die ökonomischen Belange zuständig war. Ein Werk- oder Zuchtmeister führte die Aufsicht über die Insassen. Außerdem wurden Gesellen oder andere Hilfskräfte beschäftigt. Fast immer gehörte auch ein Geistlicher oder Prediger zum Personal. Die Häuser trugen sich selten selbst, sondern wurden neben den Produktionseinnahmen von staatlicher Seite bezuschusst sowie von Erträgen aus Lotteriegewinnen, Kollekten und landesherrlichen bzw. städtischen Spenden. Auf diese Weise wurden sie zu Konkurrenzunternehmen zum Handwerk, was von den Zünften sehr kritisch gesehen wurde.

[Bearbeiten] Arbeitshaus im deutschen Strafrecht

Schon lange vor dem 19. Jahrhundert bildete die Annahme, dass Armut zumindest teilweise selbstverschuldet sei, die Grundlage der strafrechtlichen Disziplinierung durch Einweisung in das Arbeitshaus. Das Strafrecht muss daher als Gegenstück zu den entsprechenden gesetzlichen Regelungen und Bemühungen der Armenfürsorge (vgl. hier besonders das Elberfelder System) betrachtet werden.

Mit der Gründung des deutschen Reiches wurden Armutszustände wie Landstreicherei, Bettelei und Obdachlosigkeit sowie Verhaltensweisen wie „Spiel, Trunk und Müßiggang“ oder „Arbeitsscheu“ übergreifend auf nationalstaatlicher Ebene kriminalisiert. Rechtliche Grundlage bildete der § 361 des Strafgesetzbuches von 1871, der diese auch als „Asozialität“ bezeichneten Verhaltensweisen neben Haftstrafen mit der Sanktion einer korrektionellen Nachhaft im Arbeitshaus belegte. Der Zwang zur Arbeit in den Arbeitshäusern wurde ergänzt durch den armenpolitischen Arbeitszwang. Das heißt, dass die Unterstützung der Armen an die Verpflichtung geknüpft war, ihre Arbeitskraft entsprechend ihren Fähigkeiten einzusetzen. Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht führte zur Einweisung ins Arbeitshaus. Grundlage für diese Verfahrensweise war das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz (UWG) von 1870. Ein solcher „Unterstützungswohnsitz“ diente nicht nur der Aufteilung von Zuständigkeiten sondern vor allem der Kontrolle der Fürsorgeempfänger. Er wurde durch zweijährigen Aufenthalt, Heirat oder Abstammung erworben und berechtigte zu einer geringen Unterstützung durch den Ortsarmenverband.

Am 24. November 1933 wurde durch das "Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung" die Maßregeln der Sicherung und Besserung in das Strafgesetzbuch eingeführt. Neben den heute noch zulässigen Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus, in einer Entziehungsanstalt oder in Sicherungsverwahrung war auch die Unterbringung in einem Arbeitshaus (§ 42d) vorgesehen.

In ein Arbeitshaus konnte eingewiesen werden, wer wegen „Bettelns, Landstreicherei, Gewerbsunzucht, Arbeitsscheuheit oder Trunk- oder Spielsucht und Müßiggang“ verurteilt wurde (sogenannte „Asoziale“). Nach § 42d StGB war Unterbringung bei erstmaliger Verurteilung auf maximal zwei Jahre befristet, bei erneuter Verurteilung auf bis zu vier Jahre. Das Arbeitshaus sollte dazu dienen, „zur Arbeit anzuhalten und an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen“.

Ein bereits erfolgter Aufenthalt in einem Arbeitshaus konnte als Grundlage für die Einweisung als Asozialer in eines der Konzentrationslager durch die zuständige Gestapo-Stelle dienen. Dies ist beispielsweise vielfach im Rahmen der »Aktion Arbeitsscheu Reich« geschehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Einweisung in ein Arbeitshaus in der amerikanischen Besatzungszone vorübergehend abgeschafft aber nach der Gründung der Bundesrepublik wieder in allen ehemaligen Westzonen eingeführt. Nach der Regelung des Strafgesetzbuches konnten nun weiterhin wegen Bettelei, Landstreicherei und Gewerbsunzucht verurteilte Straftäter in das Arbeitshaus eingewiesen werden. Die Fristen für die Erst- und die weiteren Unterbringungen galten wie 1933-1945. Auch am Ziel des Arbeitshauses, nämlich an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen und zur Arbeit anzuhalten, wurde festgehalten. 1969 wurde das Arbeitshaus als Maßregel abgeschafft.

Vgl. den etwas ungenaueren Begriff Arbeitslager.

[Bearbeiten] Literatur

  • Wolfgang Ayaß: Das Arbeitshaus Breitenau. Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Zuhälter und Fürsorgeempfänger in der Korrektions- und Landarmenanstalt Breitenau (1874 - 1949), Kassel 1992 (Diss.)
  • Michel Foucault: Überwachen und Strafen, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976 ISBN 3-518-27784-7
  • Christian Mahrzahn: Das Zucht- und Arbeitshaus, Bremen 1981
  • Christoph Sachße, Florian Tennstedt: Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Vom Spätmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg, Stuttgart u.a. 1980
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