Auf der Galerie
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Laut Tagebuchprotokoll Kafkas vom November 1911 geht das Thema auf einen Traum zurück, den er im Zusammenhang mit einer jungen Schweizer Bekannten hatte.
Es handelt sich nicht um eine Erzählung mit fortlaufender Handlung. Vielmehr werden zwei extreme Varianten einer (Künstler)-Existenz aus der inneren Sicht eines bestimmten Zuschauers, des Galeriebesuchers, dargeboten.
Eine Variante zeichnet das Bild einer kranken, bedauernswerten, kindlichen Kunstreiterin, die von den äußeren Umständen, insbesondere vom Direktor, gnadenlos zu immer weiteren, endlosen Aktionen getrieben wird. Der junge Galeriebesucher könnte sich dann in die Manege werfen und all dem ein Ende machen.
Die zweite Variante stellt eine vitale, schöne Dame als Reiterin voller Würde dar, die glücklich in ihrem Beruf ist. Alle, besonders der Direktor, bemühen sich liebevoll und besorgt um sie. Da legt der Galeriebesucher das Gesicht auf die Brüstung und er weint, ohne es zu wissen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Sprachliche Gestaltung
Der erste Teil mit der Negativdarstellung ist im Konjunktiv, der zweite Teil ist im Indikativ abgefasst. So erscheint die entschlossene Reaktion des Galeriebesuchers im ersten - nur möglichen Teil - logisch nachvollziehbar. Sein unbewusstes Weinen in der Realität des zweiten Teils ist rätselhaft. Insgesamt ist die Sprache des Prosastücks in beiden Teilen unruhig und getrieben. Die Sätze werden immer weiter verlängert und in sich geschachtelt. Im ersten Teil scheint die sprachliche Gestaltung das böse Voranpeitschen der Künstlerin auszudrücken. Im zweiten Teil verdeutlicht sie die Euphorie.
[Bearbeiten] Eine Deutung
Auf der Galerie zeigt die konträren Seiten eines Künstlerdaseins, das im Licht der Öffentlichkeit steht, aus dem Blickwinkel eines Galeriebesuchers. Es ist müßig, die Frage zu stellen, welche Variante realer ist. Eher fragt es sich, welche eigene Sicht auf die Dinge für einen Betrachter oder Künstler möglich ist. Welche Sichtweise er grundsätzlich einnimmt, dürfte kaum seiner willentlichen Kontrolle unterliegen. Er kann sich zwanghaft die Welt quälend und "ausweglos denken" und wird sie dann auch so darstellen. Oder er kann das positive Gegenteil betonen. Beide Variante sind hier pathetisch überzeichnet. Es ist eine plakativ beschriebene Ambivalenz von gut und böse, freudig und deprimiert.
Kafka entwickelt hier beides in seiner Wirkung auf einen bestimmten Zuschauer auf der Galerie, der allein für sich steht und keine Verbindung zu einem sonstigen Publikum hat. Beim schlimmen Schicksal der Reiterin kann er eine Heldenrolle einnehmen und sie retten. Eine geheime Konkurrenz zwischen ihm und dem Direktor steht im Raum. Bei der anderen Variante, die fast bis zum Überdruss nur Schönes beinhaltet, weint dieser Zuschauer. Sind es Glückstränen oder trauert er, da er weiß, dass dies nur ein Fassade ist und sich die Reiterin in Wirklichkeit so fühlt, wie im ersten Fall beschrieben? Da er jedoch "weint, ohne es zu wissen", scheint er zwar davon zu wissen, dies aber nur unbewusst, da ihm eine andere Realität vorgespielt wird. Aus diesem Grund ist es ihm auch nicht möglich ihr zu helfen und sie zu retten.
Ähnlich wie in Kafkas Erzählungen Ein Hungerkünstler, Erstes Leid oder Ein Bericht für eine Akademie wird in dem vorliegenden Prosastück die Variete- und Zirkuswelt als Schauplatz für die Künstlerproblematik gewählt.
[Bearbeiten] Weblinks
Wikisource: Auf der Galerie – Quellentexte |
- Text des Prosastückes Auf der Galerie
- Als mp3 Hörbuch auf librivox, gelesen von Thorsten Herbold oder mit Musik bei www.theateraufcd.de
[Bearbeiten] Quellen
- Franz Kafka: Sämtliche Erzählungen. Herausgegeben von Paul Raabe. Frankfurt am Main und Hamburg: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1970, ISBN 3-596-21078-X.
- Franz Kafka: Der ewige Sohn, Peter-André Alt Verlag C.H. Beck München 2005 ISBN 3-406-53441-4
- Urban, Cerstin: Franz Kafka: Erzählungen II. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 344). Hollfeld: Bange Verlag 2004. ISBN 978-3-8044-1756-4
Der neue Advokat | Ein Landarzt | Auf der Galerie | Ein altes Blatt | Vor dem Gesetz | Schakale und Araber | Ein Besuch im Bergwerk | Das nächste Dorf | Eine kaiserliche Botschaft | Die Sorge des Hausvaters | Elf Söhne | Ein Brudermord | Ein Traum | Ein Bericht für eine Akademie