Bausünde
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Unter einer Bausünde versteht man ein oder mehrere Bauwerke, welche die Masse der Einwohner einer Stadt oder Region als zu dieser - unabhängig vom künstlerischen oder wirtschaftlichen Wert - stilistisch unpassend empfindet.
Auch wo erhaltene historische Stadtkerne heute mit Neubauten durchsetzt werden, wird dieser negativ behaftete Begriff angewendet. Dem scheinbaren Vorteil von einem preiswert erreichten Mehr an Platz steht eine parasitäre Wirkung dieser hohen Gebäude (meist aus Stahlbeton) gegenüber Nachbargebäuden und -grundstücken. Letztere werden verschattet und auch das Mikroklima wird negativ beeinflusst (Fallwinde), was zu einer niedrigeren Aufenthaltsqualität in der Umgebung führt. Des Weiteren werden historisch gewachsene Sichtachsen blockiert und Fluchtlinien zerstört.
![Neckarhochhäuser in Mannheim](../../../upload/thumb/a/ae/Neckarhochh%C3%A4user_Mannheim.jpg/180px-Neckarhochh%C3%A4user_Mannheim.jpg)
Nicht nur moderne Gebäude aus Stahl, Beton und Glas werden oft als Bausünden bezeichnet, zu ihrer Bauzeit galten beispielsweise der Berliner Dom oder der Eiffelturm als Schandflecke (allerdings nur für relativ kurze Zeit). Bausünden müssen darum in ihrem historischen Kontext betrachtet werden, so galten die Wohnsiedlungen der Nachkriegszeit damals als zukunftsweisend (nicht nur in den Köpfen der Architekten und Stadtplaner sondern auch für die Bevölkerung, für die die Plattenbauten meistens einen höheren Lebensstandard bedeuteten) und waren zudem kostengünstiger zu errichten als der Wiederaufbau der zerstörten Stadtkerne, die häufig noch vor dem Krieg durch unhygienische Verhältnisse aufgefallen waren. Ironischerweise gelten heute viele der Wohnsiedlungen der 1960er und 1970er Jahre als heruntergekommen. Als typische Bausünden werden die Plattenbaugroßwohnsiedlungen in Ost- und Westdeutschland der 1960er und 1970er Jahre betrachtet, die zwar damals als Zukunft des städtischen Wohnens galten, heute jedoch oft zur Ghettoisierung neigen. Während in den neuen Bundesländern seit den 1990er Jahren schon ganze Wohnblocks mangels Bewohnern abgerissen wurden, findet dies in den alten Bundesländern (noch) nur vereinzelt statt. Hier liegt aber der Hauptgrund für den Abriss in den sozialen Problemen, welche diese Viertel verursachen. So wurde z.B. in Hannover ein ganzer Hochhausblock (Klingenthal) abgetragen.
Heute ist es die Aufgabe der Denkmalpflege, weitere Zerstörungen von alter Bausubstanz zu beobachten, zu reglementieren oder ggf. zu verhindern. So konnten viele Städtebausünden verhindert werden, z.B. das so genannte Alsterzentrum in Hamburg St.Georg. Mitunter stehen frühere Bausünden, die von einem Gros der Bevölkerung noch so empfunden werden, mittlerweile selbst unter Denkmalschutz, wie die Hamburger Grindelhochhäuser, während andere, etwa die Weissen Riesen in Duisburg zum Teil leer stehen.