Charga
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Die Senke el-Charga (arabisch: الواحات الخارجة al-Wahat al-Charidscha, DMG al-Wāḥāt al-Chāriǧa, „die äußeren Oasen“, auch el-Kharga) ist die südöstlichste und zugleich größte der fünf bewohnten westägyptischen Senken. Sie befindet sich in der Libyschen Wüste im Bereich von von 26° 00' N bis 24° 30' N (Nord – Süd) bzw. 30° 25' O bis 30° 50' O (West – Ost) und erstreckt sich über eine Länge von 150 km in Nord-Süd-Richtung.
Charga liegt ca. 200 km westlich des Niltals im Gouvernorat al-Wadi al-dschadid (der Hauptort der Senke, der ebenfalls el-Charga heißt, ist zugleich Hauptstadt des Gouvernements).
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[Bearbeiten] Namensgebung
El-Chārga wird zumeist mit der ca. 190 km westlich gelegenen Senke ed-Dāchla als „Doppeloase“ zusammengefasst. In altägyptischer Zeit hieß diese Doppelsenke wḥA.t oder wḥA.t rsy.t (die Oase bzw. die südliche Oase), aber auch knm.t (südliche Oase). In griechisch-römischer Zeit heißt diese Verwaltungseinheit Oasis magna oder Oasis megale (griech. ῎Οασις μεγάλη), d.h. „die Große Oase“. Die administrative Trennung erfolgt etwa ab dem 4. Jahrhundert n. Chr., sie trägt nun ihren heutigen Namen, die „äußeren Oasen“.
[Bearbeiten] Politische und wirtschaftliche Bedeutung
Der Hauptort der Oase war Hibis, in arabischer Zeit auch el-Miamun genannt. Das Verwaltungszentrum der Doppelsenke war wohl immer in der Senke ed-Dāchla in Qalamun. Erst seit 1958 ist die Stadt el-Chārga die Hauptstadt des Gouvernements al-Wadi al-dschadid (Neues Tal), das auch die Senken ed-Dāchla und Farafra umfasst.
Die Senke verdankt ihre wirtschaftliche Bedeutung als Haltepunkt an verschiedenen Karawanenrouten nach Libyen und in den Sudan (so z.B. der Darb el-Arba'in). Zugleich ist sie Lieferant landwirtschaftlicher (Gemüse, Datteln, Wein) und mineralischer Erzeugnisse, zumindest seit dem altägyptischen Neuen Reich.
[Bearbeiten] Lage
Die Senke (geografische Lage siehe oben) erhebt sich ca. 30 bis 90 m über NN. Insbesondere im Norden und im Osten wird die Senke von Gebirgszügen begrenzt, die eine Höhe bis ca. 400 m erreichen können. Die teils schroffen Abhänge dieser Gebirgszüge erschweren auch den Zugang vom bzw. zum Niltal. Die Senke el-Chārga kann nur über folgende sieben Pässe (arabisch: نقب Naqb) erreicht werden (von Nord nach Süd):
- Naqb Ramlīya (arabisch: نقب رملية, „Sandpass“) liegt im äußersten Nordosten der Senke. Über diesen Pass führt die wohl berühmteste Piste, der 1800 km lange Darb el-Arbaʿīn von Asyut in die Region Darfur im Sudan. Die moderne Asphaltstraße von Asyut über die Stadt el-Chārga nach Bārīs folgt dieser alten Route.
- 13 km südlich des erstgenannten Passes liegt der Naqb el-Yābsa (arabisch: نقب اليابسة Naqb al-Yābsa, „Festlandpass“), der eine Alternative zum Naqb Ramlīya darstellt.
- Der Naqb er-Rufūf (arabisch: نقب الرفوف) befindet sich 45 km nordöstlich der Stadt el-Chārga. Die Pisten, die ihren Ausgangspunkt in den Orten zwischen Sohag bis Abydos haben, erreichen die Senke über diesen Pass.
- Der Naqb Umm Sirwāl (arabisch: نقب أم سِرْوال, auch Naqb Abū Sirwāl) liegt etwas südlich des Naqb Rufūf. Von der Nilortschaft Girga (südlich von Sōhāg) oder von Abydos führt die Piste Darb Girga oder Darb ed-Deir zur Stadt el-Chārga vorbei an der römischen Festung Deir el-Munira.
- Der Naqb Būlāq (arabisch: نقب بولاق) befindet sich ca. 35 km südlich des Naqb Abū Sighawāl und ca. 25 km nordnordöstlich des gleichnamigen Dorfes. Den Pass erreicht man über die Piste von Armant (er-Rizaiqāt) aus.
- Der Naqb el-Gāgā (auch Naqb el-Jaja, arabisch: نقب الجاجا) liegt nordöstlich des Dorfes el-Gāgā und wird von Pisten aus Farschut (zwischen Qina und Abydos) oder Armant benutzt. Die heutige Asphaltstraße führt entlang der antiken Piste Darb el-Gāgā über diesen Pass zum Dorf el-Gāgā. Die Eisenbahnlinie Luxor – Qina – el-Chārga verläuft ebenfalls über diesen Pass, aber zumeist weit nördlicher als die Straße, und gelangt zwischen el-Gāgā und Būlāq in die Senke.
- Der südlichste Pass ist der Naqb Dūsch (arabisch: نقب دوش) nordnordöstlich des gleichnamigen Dorfes. Pisten von Edfu und Esna aus erreichen hier die Senke.
Die Nachbarsenke ed-Dāchla erreicht man über zwei Pisten von el-Chārga aus, und zwar über die Pisten Darb ʿAin Amūr im Norden oder den Darb el-Ghubbarī im Süden. Die moderne Asphaltstraße folgt dem Darb el-Ghubbarī, in früheren Zeiten war wohl der Darb ʿAin Amūr der beliebtere, weil ʿAin Amūr über einen Brunnen verfügte.
Die Ausläufer der Wanderdüne Ghurd Abū Muḥarrik (arabisch: غرد أبو محرّك) passieren die Senke westlich der Straße nach Bārīs, dem zweitgrößten Ort der Senke.
[Bearbeiten] Wirtschaft
Der bedeutendste Wirtschaftszweig ist der Phosphatabbau in den Minen im Nordwesten der Senke.
Die meisten Einheimischen sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Zu den wichtigsten Erzeugnissen zählen Datteln, Weizen, Reis und Gemüse.
Das Handwerk fertigt Erzeugnisse hauptsächlich für den lokalen Markt. Aus den Palmblättern werden Tragekörbe, Taschen und Untersetzer geflochten. Aus den getrockneten Stängeln der Palmblätter werden Käfige für Kleintiere gefertigt. Aus Ton werden Keramikgefäße für den täglichen Bedarf hergestellt. Ton und Beton dienen Künstlern auch zur Herstellung von Skulpturen; der bekannteste Vertreter ist der Künstler Mabrouk. Zu weiteren Erzeugnissen gehören auch traditionelle Kleidung und Silberschmuck wie Armreifen und Nasenringe. Das traditionelle Handwerk wird wieder gefördert. Deren Erzeugnisse wie Teppiche und Töpferwaren können auch von Touristen erworben werden.
[Bearbeiten] Geschichte
Die Senke ist mindestens seit dem Paläolithikum (Altsteinzeit) besiedelt, wohl nicht so sehr die Senke selbst als vielmehr die Berghänge. Das Klima unterschied sich vom heutigen deutlich: die sich damals abwechselnden Trocken- und Feuchtzeiten ermöglichten eine Steppenlandschaft mit zugehöriger Tierwelt (Gazellen, Strauße usw.). Die Hinterlassenschaften dieser Siedler, z.B. in 'Ain Umm ed-Dabādib, sind vorwiegend Feuersteinwerkzeuge. Aus dem Neolithikum (Jungsteinzeit) stammen neben Feuersteinwerkzeugen auch Felszeichnungen, z.B. am Dschabal at-Tair und südlich des Darb el-Ghubbarī auf halben Weg nach ed-Dāchla.
Aus altägyptischen Zeiten, zumindest zwischen dem Alten und dem Neuen Reich, fehlen (noch) archäologische Zeugnisse. Das alte Ägypten trieb Handel mit seinen Nachbarn im heutigen Libyen und Sudan. Mit dem Esel als damals einzig bekanntem Lasttier – das Kamel wird erst unter den Persern eingeführt – konnte man Wegstrecken über 200 km kaum durchführen, nach spätestens drei Tagen braucht ein Esel Wasser. Alle Karawanen müssen über el-Chārga geführt und hier Rast gemacht haben. Als Indizien sollen hier die erst 1971/1972 entdeckte Mastabagräber und der Gouverneurspalast von Balat in ed-Dāchla aus der 6. Dynastie, die Biografie des Herchuf an seinem Grabe 34n in Qubbet el-Hawa, in der er Transporte entlang der Oasenstraße, dem Darb el-Arba'in, nennt und die ebenfalls aus der 6. Dynastie stammt. Im Neuen Reich gibt es Berichte über die Lieferung landwirtschaftlicher und mineralischer Erzeugnisse aus el-Chārga in den thebanischen Gräbern bzw. im Luxor-Tempel. Die Nähe zu Luxor und die Tatsache, dass in el-Chārga dieselben Hauptgötter wie in Theben verehrt wurden, lässt die Vermutung gerecht erscheinen, das die ersten Heiligtümer in el-Chārga bereits im Neuen Reich errichtet wurden.
Die ältesten Tempel der Senke el-Chārga, nämlich der von Hibis und Ghweita, haben ihre Ursprünge in der Äthiopier- bzw. Saitenzeit (25. bzw. 26. Dynastie), auch wenn die Inschriften erst aus persischer Zeit stammen. Aus saitischer und persischer Zeit liegen Zeugnisse vor, die aus allen Teilen der Senke stammen, d.h., die gesamte Senke stand im Einflussbereich der jeweiligen Herrscher.
Seine Blüte erreicht die Senke in griechischer bzw. noch deutlicher in römischer Zeit. Die Römer unterhalten in Ägypten zwei Legionen Soldaten, in der Senke el-Chārga wohl bis zu 1000 Soldaten. Neben Militärposten und Garnisonen werden Siedlungen, Tempel und Aquädukte (arabisch: قناة Qanāt) insbesondere im Nordteil der Senke erweitert oder neu angelegt. Die Festungen gehörten zu einem großen Festungssystem in Nordafrika. Die Aufgabe des hiesigen Militärs bestand in der Überwachung der Karawanenwege zum Niltal, nach ed-Dāchla und nach dem Sudan. Über die Festungen ist recht wenig bekannt, da sie von den Wissenschaftlern weitgehend ignoriert werden.
Auch als Verbannungsort dient die Senke seit römischer Zeit, häufig für die verfolgten Christen. Seit dem 3. Jahrhundert (n. Chr.) gibt es hier die ersten Christen, zu den berühmtesten Verbannten zählen Athanasius und Nestorius. Am Ende des vierten Jahrhunderts sind el-Chārga und ed-Dāchla fast vollständig christlich. Zahlreiche bedeutende Monumente wie der Friedhof el-Bagawāt und das Kloster 'Ain Mustafa Kaschif zeugen von dieser Zeit. El-Chārga wird zudem Bischofssitz. Immer wieder erfolgende Angriffe aus Nubien und Libyen und zunehmende Feindlichkeiten mit den Muslimen lassen das Christentum und den Bischofssitz im 14. Jahrhundert erlöschen.
Im Mittelalter ist die Senke teilweise verwaist, erst in mameluckischer Zeit werden hier wieder Soldaten zur Bewachung der Karawanenwege stationiert. Der Darb el-Arba'in ist noch bis ins 19. Jahrhundert in Nutzung. Die Karawanenwege werden nicht nur für den Handel genutzt, sondern dienen auch als Wege für Mekka-Pilger aus Nordafrika. In osmanischer Zeit wurden in der Senke sechs Zollstationen (von Süd nach Nord: el-Maks el-Qibli, el-Maks el-Bahri, 'Ain Schams ed-Din, Qasr ez-Zaiyan, el-Ghweita und 'Ain Mustafa Kaschif) betrieben. Während der britischen Okkupation Ägyptens werden hier ebenfalls Soldaten stationiert, die hier feindliche Angriffe aus dem Sudan und aus Libyen abwehren sollen.
1958 erlebt das damalige kleine Dorf Qasr el-Chārga einen bedeutenden Aufschwung. Unter Nasser wird das Gouvernement al-Wadi al-dschadid gebildet, zu dem auch die Senken ed-Dāchla und Farafra gehören, und el-Chārga wird zu dessen Hauptstadt ausgebaut.
[Bearbeiten] Forschungsgeschichte
Die frühesten Reisenden wie z.B. der französische Reisende Poncet (1698) interessieren sich hauptsächlich für den Darb el-Arba'in, die Senke selbst bietet wenig Sehenswertes. Der Anfang des 19. Jahrhunderts gilt als große Zeit der Entdeckungen in der Libyschen Wüste. Der Franzose Cailliaud entdeckt 1818 den Hībis-Tempel, ihm folgen Edmondstone (1819), die Briten Gardner Wilkinson (1825) und Hoskins (1832), die Deutschen Brugsch (1850 – 1880, erste wissenschaftliche Beschreibung des Hībis-Tempels), Rohlfs (1874), Schweinfurth (1875), von Bock (1888/9 und 1897/8, Beschreibung des Friedhofs el-Bagawāt), die britischen Kartografen Beadnell und Ball (1898), die amerikanischen Ägyptologen Winlock und Davies (1909 – 1913, 1926 – 1939, Beschreibung des Hībis-Tempels) und 1936 der deutsche Ägyptologe Naumann (Beschreibung der Tempel von el-Chārga).
In den 1970-er und 1980-er Jahren werden die Tempel vom Flugsand befreit. Seit dem gibt es auch wieder archäologische Forschungen und weitere Freilegungen.
[Bearbeiten] Zeugnisse
Seit der Vorgeschichte bis in die christliche Zeit hinein gibt es Felszeichnungen. Die bedeutendsten befinden sich im Abu-Tartur-Plateau, im Dschabal et-Tair und im Dschabal Tafnis.
Aus der pharaonischer Spätzeit stammen die Tempelanlagen von Hibis, an-Nadura, al-Ghweita, Qasr az-Zaiyan, Qasr Dusch, ʿAin Chanafis und 'Ain Manawir. Sie wurden bis in römische Zeit genutzt. In römischer Zeit wurde in dieser Senke ein umfangreiches Festungssystem samt Siedlungen angelegt, zu dem u.a. die Festungen von 'Ain Umm ad-Dabadib, Qasr al-Labacha, Qasr al-Gibb, Qasr as-Sumeira und Dair al-Munira gehören.
Die Senke gehört zu den bedeutendsten Siedlungsplätzen der Christen in der Libyschen Wüste. Zu den bedeutenden Denkmälen zählen der Friedhof al-Bagawat, die Klöster 'Ain Mustafa Kaschif und ʿAin Saʿaf bzw. die Kirche von 'Ain Schams ad-Din.
Aus islamisch-arabischer Zeit gibt es nur wenige Zeugnisse in der Stadt el-Charga. Dies sind das Minarett el-Maheibis aus aiyubidischer Zeit und das Grab des Scheichs 'Abd Allah.
Aus jüngster Zeit stammt die unvollendete Dorfanlage von Neu-Baris (arabisch: باريس الجديدة, DMG Bārīs al-Ǧadīda) des ägyptischen Star-Architekten Hassan Fathy (1900 – 1989).
[Bearbeiten] Verkehrsanbindung
Vier der großen Senken sind über eine Ringstraße mit dem Niltal verbunden. Öffentliche Verkehrsmittel (Busse) verkehren nach ed-Dachla, Farafra, Bahariyya, Asyut und Kairo. Eine weitere Anbindung gibt es nach Luxor, hier verkehren aber keine öffentlichen Verkehrsmittel.
Seit 1996 besteht eine Eisenbahnverbindung (450 km) von Charga nach Qina und Luxor im Niltal. Eine Zugverbindung gibt es einmal wöchentlich.
Ca. 5 km nördlich der Stadt el-Charga gibt es weiterhin einen Flughafen, der einmal wöchentlich von Kairo aus angeflogen wird.
[Bearbeiten] Literatur
- Populärwissenschaftliche Darstellungen:
- Vivian, Cassandra : The Western Desert of Egypt : An Explorer’s Handbook, Kairo : The American University in Cairo Press, 2000, ISBN 977-424-527-X, Seiten 52 – 105 (in Englisch).
- Willeitner, Joachim : Die ägyptischen Oasen : Städte, Tempel und Gräber in der Libyschen Wüste, Mainz : von Zabern, 2003, (Zaberns Bildbände zur Archäologie), ISBN 3-8053-2915-6, Seiten 22 – 53.
- Hölbl, Günther : Altägypten im Römischen Reich ; 3: Heiligtümer und religiöses Leben in den ägyptischen Wüsten und Oasen, Mainz : von Zabern, 2005, (Zaberns Bildbände zur Archäologie), ISBN 3-8053-3512-1, Seiten 35 – 72.
- Wissenschaftliche Darstellungen:
- Eine der wenigen Darstellungen zu den Tempeln von el-Chārga findet man in: Naumann, Rudolf: Bauwerke der Oase Khargeh. In: Mitteilungen des Deutschen Instituts für ägyptische Altertumskunde in Kairo, Band 8 (1939), Seiten 1 – 16, Tafeln 1 – 11.
- Eine Beschreibung prähistorischer Funde von el-Chārga findet man in: Caton-Thompson, Gertrude : Kharga Oasis in prehistory, London : Univ., 1952 (in Englisch).
- Eine Übersichtsdarstellung der römischen Festungsbauten von el-Chārga findet man in: Reddé, Michel : Sites militaires romains de l’oasis de Kharga, In: Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale, Band 99 (1999), Seiten 377 – 396 (in Französisch).
[Bearbeiten] Weblinks
- Chārga – Reiseinformationen bei Wikivoyage
Koordinaten: 25° 20' n. Br., 30° 36' ö. L.