Comando Vermelho
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Das Comando Vermelho (dt. "Rotes Kommando") ist eine Verbrecherorganisation, die vor allem im Handel mit illegalen Drogen in der brasilianischen Stadt Rio de Janeiro aktiv ist. Schätzungen der brasilianischen Polizei zufolge wird das Comando Vermelho (CV) in Rio von etwa 5000 teilweise mit Kriegswaffen ausgerüsteten Kriminellen gebildet. Es kontrolliert ca. 40 % des lokalen Marktes für illegale Drogen.
Das Comando Vermelho entstand ab den späten 1970er Jahren in brasilianischen Gefängnissen, namentlich im Gefängnis der Ilha Grande (Bundesstaat Rio de Janeiro), wo politische Gefangene der Militärdiktatur in Brasilien und gewöhnliche Kriminelle unter problematischen Bedingungen zusammenleben mussten. Die Politischen Gefangenen versuchten in dieser Situation, politisches Denken und die Idee einer aktiven Solidarität zwischen ihren Zellengenossen zu verbreiten. Die Organisation erfüllte so ursprünglich die Funktion einer Widerstandsgruppe und Schutzgemeinschaft der Häftlinge gegen Übergriffe durch Aufseher und Mitgefangene. Auf diese teilweise ideologisch geprägte Anfangszeit verweist das heute noch verwendete Motto des Kommandos "Paz, Justiça e Liberdade" ("Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit"), das etwa durch die als Territorialmarkierungen gedachten Graffiti an Drogenverkaufsplätzen in Rio de Janeiro verbreitet wird.
Größte Sichtbarkeit erlangt das Comando Vermelho in den Armenvierteln Rio de Janeiros, wo es eine territoriale Herrschaft anstrebt und diese mit Waffengewalt gegen die Polizei und andere Drogenbanden verteidigt. Die Bewohner der Armenviertel geraten dabei immer wieder zwischen die Fronten, müssen letztlich aber die Drogenhändler als Autorität in ihrem Viertel anerkennen und sich mit diesen arrangieren. Die so in vielen Fällen entstehende Kooperation zwischen Bewohnern und Drogenhändlern in Armenvierteln brasilianischer Großstädte wird außerdem dadurch gefördert, dass letztere eine Art von Gewaltmonopol durchsetzen, das einen teilweise wirksameren Schutz vor Kriminalität und einigen Formen von Gewalt als der durch den brasilianischen Staat garantiert, und in einigen Fällen gewisse ansonsten nicht vorhandene soziale und karitative Funktionen übernehmen. Diese Entwicklung wird durch die bis in höchste Ränge hinaufreichende Korruption innerhalb der brasilianischen Polizei und deren brutales und illegales Vorgehen in den Armenvierteln noch einmal verstärkt. Andererseits ist es in einigen Armenvierteln Rio de Janeiros auch schon zur Gründung von Gruppierungen ("Milícias") gekommen, welche den Drogenhandel durch Waffengewalt bekämpfen (siehe unten).
Vielen Jugendlichen aus armen Familien erscheint der illegale Drogenhandel als eine attraktive Verdienstmöglichkeit, die ihnen nicht nur ein vergleichsweise hohes Einkommen sondern auch eine Steigerung des Selbstwertgefühls und des Sozialprestiges sichert. Angesichts der elenden Lebensumstände einer großen Anzahl von Kindern und Jugendlichen in Brasilien, die ohne ökonomische Perspektiven aufwachsen, wird diese Attraktivität auch nicht durch die geringe Lebenserwartung eines Drogenhändlers in den Reihen des Comando Vermelho oder einer vergleichbaren Organisation gemindert: Die Mehrheit der in den Drogenhandel in Rio Involvierten findet den Tod in Auseinandersetzungen mit Rivalen oder der Polizei, ehe sie das 25. Lebensjahr vollendet hat. Die jugendlichen Angehörigen des CV nennen sich "soldados do morro" (Ghettosoldaten)und tragen ihre Schnellfeuergewehre öffentlich als Insignien ihrer Macht.
Das CV steht in Rivalität mit anderen Drogenbanden wie dem Terçeiro Comando (TC) und den Amigos dos Amigos (ADA). Die Favela Complexo da Maré beispielsweise wird im Norden vom Comando Vermelho und im Süden vom Terceiro Comando beherrscht, das Tragen falscher Farben (etwa rot für Comando Vermelho) kann dort Folterung und Mord nach sich ziehen.
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[Bearbeiten] Fernandinho Beira-Mar und Elias Maluco
Berüchtigte Führer des CV sind Fernandinho Beira-Mar und Elias Maluco. Fernandinho Beira-Mar alias Luiz Fernando da Costa wurde in Duque de Caxias/Baixada Fluminense geboren. Seine Mutter wurde 1992 bei einem Autounfall getötet. Beira-Mar begann schon früh mit gestohlenen Waffen des Heeres zu handeln und wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Bei seiner Entlassung mit 20 Jahren kam er an die Spitze des Comando Vermelhos in seiner Favela Beira Mar. In den Jahren 1990-95 öffnete Beira-Mar in den Favelas Morel, Rocinha, Chapéu Mangueira und Vidigal neue Vertriebswege für Kokain aus Kolumbien. Ein Großteil des Kokains und der Waffen wurden per Schiff im Hafen von Rio de Janeiro gelöscht. 1996 wurde Beira-Mar erneut verhaftet und saß in einem Gefängnis in Belo Horizonte ein. 1997 konnte er fliehen und lebte in Paraguay, Uruguay und Bolivien. Beira-Mar knüpfte Geschäftsbeziehungen zur kolumbianischen FARC und führte auch auf dem Landweg Kokaintransporte im großen Umfang nach Brasilien durch. 2001 wurde er in einer konzertierten Aktion des kolumbianischen Heeres und der US-Drogenbehörde DEA festgenommen und nach Brasilien ausgeliefert. Beira-Mar sitzt momentan im Hochsicherheitsgefängnis von Rio de Janeiro Bangu I ein und steuert den Drogenhandel von seinem Mobiltelefon aus.
Elias Maluco mit bürgerlichem Namen Elias Pereira da Silva war die rechte Hand von Beira-Mar und kontrollierte den Drogenhandel in den Favelas von Ramos (Complexo do Alemão) und Penha (Vila Cruzeiro einer der gefährlichsten Gegenden Brasiliens). Er galt als einer der grausamsten und skrupellosesten Führer des Comando Vermelho. So soll Elias Maluco den Globo-Reporter Tim Lopez 2002 bei seinen Recherchearbeiten über Baile Funk Parties, Prostituition und dem sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen in den Favelas des Complexo do Alemão von einem Killerkommando entführt und von Elias Maluco eigenhändig mit dem Samuraischwert enthauptet worden sein, da dieser die Drogengeschäfte durch Investigativjournalismus gestört sah. Elias Maluco wurde in seiner Favela da Grota aufgespürt und in Sicherheitsverwahrung des Gefängnisses Bangu I gebracht.
[Bearbeiten] Territorien des Comando Vermelho in Rio de Janeiro
Complexo do Alemão, Mangueira, Jacarézinho, Complexo da Maré, Vidigal, Pavão-Pavãozinho, Cidade de Deus, Vigário Geral, Salgueiro, Nova Holanda, Parque União
[Bearbeiten] Verfeindete Fraktionen
Terçeiro Comando (TC): Splittergruppe des CV. Entstand in den 90er Jahren und ist aktiv in Nordwest-Rio (Baixada Fluminense) und in der Peripherie. Im Laufe der Gefängnisrevolten 2002 in der Strafanstalt Bangu I wurde der Anführer Uê ermordet. Das Terçeiro Comando und die Amigos dos Amigos lieferten sich brutale Bandenkriege mit dem CV in der Favela Roçinha. Aus dem TC löste sich eine weitere Splittergruppe das Terçeiro Comando Puro (TCP) unter den Anführern Robinho, Pinga und Facão. Das TC beherrscht folgende Favelas: Acarí, Dendê, Baixa do Sapateiro, Timbau, Roquete Pinto und teilweise Complexo da Maré.
Amigos dos Amigos: Im Nordwesten Rios entstand eine weitere Fraktion: die Amigos dos Amigos (ADA) unter den Anführern Celsinho da Vintém, Sassá und Linho. Die ADA beherrschen teilweise Straßenzüge in der Roçinha und im Complexo da Maré, sowie in den Favelas Morro dos Macacos, Vila dos Pinheiros, Vila do João, Conjunto Esperança sowie Salsa e Merengue.
[Bearbeiten] Aktuelles
Nach Angaben der brasilianischen Tageszeitung A Folha de São Paulo vom 29. Dezember 2006 wurde in Rio de Janeiro eine Anschlagsserie gegen Polizeistationen und andere zivile Einrichtungen verübt, der über 18 Personen zum Opfer fielen. Der Anschlagsserie ging eine massive Polizeipräsenz kurz vor den Feiertagen des Jahreswechsels voraus, wobei 10 Favelas durch die Militärpolizei besetzt wurden. In der Favela Vila Cruzeiro und sogar in einem bekannten Einkaufszentrum kam es zu zahlreichen Schießereien. Gesteuert wurden diese Aktionen vermutlich vom Comando Vermelho, wobei inhaftierte Anführer verschärfte Haftregelungen im neuen Jahr befürchteten.
In den vom Drogenhandel kontrollierten Armenvierteln Rio de Janeiros kommt es zunehmend zu Angriffen von sogenannten "Milícias", welche die Mitglieder der Drogenbanden angreifen und vertreiben. Mehrere Dutzend Favelas sollen bereits von diesen Milizen beherrscht werden. Es wird vermutet, dass die Milizen von Polizeibeamten in Zivil gesteuert oder sogar gebildet werden. Berichten zufolge verlangen sie von den Bewohnern der von ihnen kontrollierten Viertel eine Art Sicherheitsabgabe. Fälle von Übergriffen gegen nicht zahlungsbereite Bewohner sind bekannt geworden.[1]
[Bearbeiten] Fußnoten
[Bearbeiten] Siehe auch
City of God (Kinofilm) Primeiro Comando da Capital