Dandy
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Der Begriff Dandy kam Mitte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts auf und bezeichnet nach Friedrich Kluges etymologischem Lexikon „junge Leute, die in auffälliger Bekleidung Kirche oder Jahrmarkt besuchen“.
Im Gegensatz zum Maccaroni, der die Mode der südlichen Länder nachzuahmen versucht, zum Beau oder zum deutschen Pendant, dem Stutzer, verabscheut der Dandy alles Grelle, Laute, Parfümierte. Er ist gelegentlich ein Snob. Er kultiviert seine Kleidung und sein Auftreten. Die jederzeit passende elegante Kleidung zum Zeitvertreib kombiniert mit den formvollendeten Manieren eines Gentleman wird zum einzigen Lebenszweck erhoben. Die Niederungen anstrengender Erwerbsarbeit passen hingegen nicht zum großstädtischen, verweichlichten echten Dandy.
Berühmte Vertreter waren Beau Nash, Beau Brummell, Charles Baudelaire, Lord Byron, der Fürst Hermann von Pückler-Muskau, Benjamin Disraeli, später auch die Vertreter des Ästhetizismus wie Oscar Wilde, James McNeill Whistler und Max Beerbohm. Einer der bekanntesten Dandys des 20. Jahrhunderts war der Prince of Wales (kurzzeitig König Edward VIII.), späterer Herzog von Windsor. Auch der US-amerikanische Schriftsteller Tom Wolfe tritt mit seinen typischen weißen Anzügen als moderner Dandy auf.
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[Bearbeiten] Geschichte
Im 18. Jahrhundert lehnten die Engländer die französische Hofkultur zunehmend ab. Das neue Körperbewusstsein, das sich durch die Beschäftigung mit antiker Plastik herausbildete, fand seine Umsetzung in der Schneiderei. Diese Einflüsse ließen den modernen Herrenanzug entstehen, der körpernah geschnitten die V-Silhouette des Mannes hervorhob und der meist aus festem Stoff in gedeckten Farben bestand und bis heute besteht.
Dieser Anzug wurde vom ersten berühmten Dandy Beau Brummell auf die Spitze getrieben, der als erster Vertreter des Dandytums gilt. Er propagierte bereits die neue Schlichtheit, als adlige Kreise noch ganz der höfischen französischen Mode folgten. Viele Legenden ranken sich um seine Person. So soll er seine Handschuhe stets von zwei verschiedenen Fabrikanten hergestellt haben lassen (bei d´Aurevilly werden vier Künstler erwähnt, einer für den Daumen, drei für die restliche Hand; Jules Barbey d`Aurevilly: Über das Dandytum; Matthes & Seitz Berlin Verlagsgesellschaft mbH, Berlin, 2006), einer für die Daumen, die beherrschte er besonders gut, ein anderer für den Rest. Er hatte drei Frisöre: Einen für die Stirn, einen für die Seiten und einen für den Hinterkopf (die Perücke kam mit seinem Einfluss aus der Mode). Er wechselte, entgegen den Gepflogenheiten seiner Zeit, mehrmals täglich seine Wäsche, dabei verachtete er Schmuck und Parfüm. Diesen Aufwand, den er trieb, sah man nicht auf den ersten Blick, umso argwöhnischer wurde er von Zeitgenossen betrachtet. Er endete im Irrenhaus in Caen, nachdem er sein geerbtes Vermögen verausgabte, und von Gläubigern verfolgt wurde. Anekdoten und Aufsätze sind von Beau Brummell, Charles Baudelaire, Fürst Hermann von Pückler-Muskau, Max Beerbohm und Virginia Woolf überliefert.
Oscar Wilde, Max Beerbohm, Aubrey Beardsley und andere Vertreter des Ästhetizismus propagierten gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen neuen Stil: Samtene Kniehosen und Westen, niederliegende Hemdkragen und große Sonnenblumen wurden zu ihren äußerlichen Kennzeichen. Sie öffneten die von bürgerlicher Enge und vom Moralismus geprägte viktorianische Gesellschaft für eine neue Sinnlichkeit in Farben und Formen. Damit vertraten auch sie eine ritualisierte Ästhetik und richteten sich gegen den herrschenden Mainstream.
Viele Dandys waren Künstler, Schriftsteller oder Essayisten und vertraten ihren Stil auch literarisch. Dandyismus ist eine Lebenseinstellung, zu der Selbstinszenierung, Schlagfertigkeit sowie ein eher ungezwungenes Verhältnis zum Geld (viele hatten Spielschulden) gehören. Ebenfalls wichtig ist die Unabhängigkeit von bürgerlichen Zwängen wie Brotberuf oder Ehe.
Der Dandy ist ein typisches Phänomen des „fin de siècle“. Seiner Lebensphilosophie liegt die Annahme zugrunde, dass die Welt in ihrer Ordnung schlecht und zum Untergang bestimmt ist. Politisches oder soziales Engagement, selbst die Einhaltung der bürgerlichen Normen sind daher nicht nur sinnlos, sondern geradezu Ausdruck kleinbürgerlicher Verblendetheit. Mangels Sinnhaftigkeit wendet sich der Dandy der Form, der Hülle, sich selbst zu. Eine narzisstische Inszenierung zu einer Avantgarde der Dekadenz sind daher sein Ausdrucksmittel.
Eine modernere Form des Dandytums ist Camp (Kunst).
[Bearbeiten] Zitate
- Der Dandy ist ein Mann, dessen Status, Arbeit und Existenz im Tragen von Kleidung besteht. Er widmet jedes Vermögen seiner Seele, seines Geistes, seiner Geldbörse und seiner Person heldenhaft der Kunst, seine Kleidung gut zu tragen: Während die anderen sich kleiden um zu leben, lebt er, um sich zu kleiden. - Thomas Carlyle in Sartor Resartus, 1834.
- Der Dandy muss sein ganzes Streben darauf richten, ohne Unterlass erhaben zu sein, er muss leben und schlafen vor einem Spiegel. Charles Baudelaire, Tagebücher
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Barbey d'Aurevilly: Du dandysme et de George Brummell, Paris, 1997 [deutsche Fassung: Vom Dandytum und von G. Brummell. Ins Deutsche übertragen und eingeleitet von Richard von Schaukal. München: Georg Müller, 1909; Nachauflage: Nördlingen: Greno, 1987. ISBN 3-89190-807-5]
- Barbey d'Aurevilly, Über das Dandytum, Aus dem Französischen von Gernot Krämer, Matthes & Seitz, Berlin 2006, ISBN 3-88221-878-9
- Max Beerbohm: Dandys. Ausgesuchte Essays und Erzählungen, Zürich: Haffmans, 1989, ISBN 3-251-20072-0
- Günter Erbe: Dandys - Virtuosen der Lebenskunst, Böhlau, 2002, ISBN 3-412-05602-2
- Hiltrud Gnüg: Kult der Kälte. Der klassische Dandy im Spiegel der Weltliteratur, 1988, ISBN 3-476-00641-7
- Verena von der Heyden-Rynsch (Hrsg.): Riten der Selbstauflösung, München: Matthes & Seitz, 1982.
- Otto Mann: Der Dandy. Ein Kulturproblem der Moderne. Reihe: Heidelberg: Rothe, 1962.
- Hermann von Pückler-Muskau: Briefe eines Verstorbenen. Insel, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-458-32919-6
- Oda Schaefer (Hrsg.): Der Dandy. München: Piper, 1964.
- Hans J. Schickedanz (Hrsg.): Der Dandy. Texte und Bilder aus dem 19. Jahrhundert. Dortmund: Harenberg, 1980, ISBN 3-88379-173-3
- Hans J. Schickedanz: Ästhetische Rebellion und rebellische Ästheten, Frankfurt/Main: Lang, 2000, ISBN 3631357885
- Gerd Stein (Hrsg.): Dandy – Snob – Flaneur. Dekadenz und Exzentrik. Sozialcharaktere des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 2, Frankfurt/Main, 1985
- Oswald Wiener: Eine Art Einzige in: Riten der Selbstauflösung (s.o.) sowie in ders.: Literarische Aufsätze, Wien: Löcker, 1998
- Montandon, Alain (Hrsg.) L'honnête homme et le dandy (Franz.) Gunter Narr, Tübingen 1993 (Reihe: études littéraires françaises, 54) Kongressbericht. ISBN 3823346075
- Thomas Kastura (Hrsg.): Dandys, Goldmann Verlag, 2001, ISBN 3-442-07735-4
Texte von Alexander Puschkin, Oscar Wilde, Marcel Proust, Tom Wolfe, Evelyn Waugh und vielen anderen
[Bearbeiten] Medizin
In der Medizin wird der teilweise etwas wogende und ausladende Gang von Schwindelpatienten mit beidseitigem Gleichgewichtsausfall in Anspielung auf die vermeintliche Gehweise homosexueller Männer als Dandy-Phänomen bezeichnet.