Dekolonisation Afrikas
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Die Dekolonisation Afrikas setzte allgemein nach dem Zweiten Weltkrieg ein (obwohl es vorher schon unabhängige afrikanische Staaten gegeben hatte) und endete 1976. Sie bedeutete das Ende der kolonialen Ära weltweit.
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[Bearbeiten] Kolonialpolitik nach 1945
Als in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts die europäische Wirtschaft wieder in Schwung kam, wurde in den Kolonialländern zum ersten Mal über die Entlassung der afrikanischen Kolonien in die Unabhängigkeit debattiert. Dabei ging es insbesondere um die Frage der Rentabilität der Kolonien für die Mutterländer. Der Entschluss zur Dekolonisation kam primär aus volkswirtschaftlichen Gründen, denn die Mutterländer konnten ihre Kolonien nicht mehr finanzieren. Also war man allgemein zu dem Schluss gekommen, dass es wirtschaftlich günstiger wäre, sich politisch aus Afrika zurückzuziehen.
Zudem sahen sich die europäischen Machthaber vom aufstrebenden Nationalismus in den Kolonien immer mehr bedroht. Ein Kampf um die Herrschaft mit militärischen Mitteln oder auch eine Umstrukturierung der Kolonialreiche kamen auf lange Sicht nicht in Frage. Daher ging man etwa ab 1950 daran, die Staaten in die Unabhängigkeit zu entlassen.
Bei der Machtübergabe waren die Kolonialherren immer darauf bedacht, Regierungen zu fördern bzw. zu installieren, die ihnen genehm waren. Europa wollte zwar ein demokratisches Afrika, aber auf allen Einfluss verzichten wollte man auch nicht.
[Bearbeiten] Der Weg in die Unabhängigkeit
[Bearbeiten] Britische Kolonien
Die Briten erwogen als erste Kolonialmacht eine weitgehende Dekolonisation Afrikas. Sie wollten eine allmähliche Machtübergabe an gemäßigte, demokratische Regierungen. Vor allem war man darauf bedacht, Gewalttätigkeiten zu vermeiden – wenn auch mit wenig Erfolg. Denn in vielen ehemals britisch-regierten Staaten kam es zu blutigen Auseinandersetzungen. In Kenia musste 1956 der Mau-Mau-Aufstand niedergeschlagen werden. Die Wahlen in Nigeria 1951 schürten regionale Konflikte. In Südrhodesien erklärten weiße Siedler einseitig die Unabhängigkeit, was zu Eskalationen mit den afrikanischen Nationalisten unter Robert Mugabe führte. Auch die Zentralafrikanische Föderation zersplitterte an nationalistischen Streitereien.
Die meisten ehemaligen Kolonien Großbritanniens wurden in den Commonwealth of Nations eingebunden.
[Bearbeiten] Französische Kolonien
Frankreich hatte zunächst ganz andere Pläne. Man wollte die Kolonien politisch noch enger an sich binden. Dem standen jedoch die Unabhängigkeitsbestrebungen in den Kolonien im Weg. Spätestens nach dem verlorenen Unabhängigkeitskrieg in Algerien (1954-62) kamen die Franzosen von ihrer kolonialistischen Politik ab – nicht zuletzt deswegen, weil ein weiteres Blutvergießen in Frankreich auf breite Ablehnung gestoßen wäre. Inwiefern die Unabhängigkeit der Kolonien von den Einheimischen gewünscht wurde ist nicht ganz gewiss. Als die französischen Kolonien 1958 in einem Referendum vor die Wahl gestellt wurden, zog nämlich der überwiegende Teil der Bevölkerung eine weitere Anbindung an Frankreich der völligen Eigenständigkeit vor. Zwei Jahre später jedoch war das französische Kolonialreich Geschichte. Einzig das turbulente Algerien hatte noch bis 1962 den Status einer Kolonie.
[Bearbeiten] Portugiesische, italienische, spanische und belgische Kolonien
Auch die Besitzungen Portugals, Italiens, Spaniens und Belgiens mussten unter dem Druck der Unabhängigkeitsbewegung der Gesellschaften und der wirtschaftlich prekären Lage in die Eigenständigkeit entlassen werden. Das unter Mussolini von Italien besetzte Libyen hatte 1951 seine Souveränität erhalten, 1960 folgte Somalia. Die Militärdiktatur Salazars, Portugal, hingegen hielt ihre Kolonien Angola und Mosambik, erst der Sturz des Estado Novo durch die portugiesischen Nelkenrevolution brachte 1975 den Kolonien die Freiheit. Spanien gab seine afrikanischen Kolonien Äquatorialguinea und Westsahara kurz vor dem Tod des Diktators Franco überstürzt auf und ließ dabei zum Teil verheerende politische Zustände zurück; Westsahara wurde kurz nach dem spanischen Abzug von Marokko okkupiert.
Ein Desaster besonderen Ausmaßes war die Dekolonisation von Belgisch-Kongo. Dessen Bevölkerung hatte nie Erfahrung mit demokratischer Organisation sammeln können, denn bis 1960 war sie von jeder politischen Partizipation ausgeschlossen. Die ersten freien Wahlen, bei denen über 100 „Parteien“ antraten, verliefen katastrophal. Die stimmenstärkste Partei Patrice Lumumbas verfügte über nur 33 von 137 Mandaten. Seine zentralistischen Pläne begünstigten die separatistischen Tendenzen in der schwer kontrollierbaren Provinz.
[Bearbeiten] Probleme der Dekolonisation
Generell gilt, dass die von den europäischen Kolonialmächten gezogenen Grenzen meistens auch die späteren Staatsgrenzen bildeten. Sie wurden aber bei der Eroberung willkürlich, ohne Rücksicht auf bereits bestehende Stammes- bzw. Völkergrenzen gezogen. Als Ergebnis sind nahezu alle afrikanischen Staaten Vielvölkerstaaten mit den sich daraus ergebenden Problemen. Ein Keim für die heute verbreitete Instabilität vieler Afrikanischer Länder wurde dadurch gelegt. Die einzige übergreifende Institution ist oft das Militär.
Auf Grund der kolonialen Verwaltung, die meist eine Selbstverwaltung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit ausschloss, fehlte in vielen Ländern eine demokratische Tradition, die die Bildung von Diktaturen nach der Unabhängigkeit stark begünstigte.
Ein weiteres Problem bildet die wirtschaftliche Ausrichtung fast aller Kolonien als Rohstofflieferant, vor allem für Lebens- und Genussmittel sowie für Bergbauprodukte. Das verarbeitende Gewerbe wurde stets vernachlässigt. Daran hat sich auch nach der Unabhängigkeit nur wenig geändert. Viele afrikanische Volkswirtschaften sind daher auf Gedeih und Verderb den Weltmarktpreisen ausgeliefert, die sie nicht selbst bestimmen können.
[Bearbeiten] Staaten nach Jahr ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit
Jahr | Staat(en) |
---|---|
1922 | Ägypten |
1951 | Libyen |
1956 | Sudan, Marokko, Tunesien |
1957 | Ghana |
1958 | Guinea |
1960 | Madagaskar, Mauretanien, Mali, Niger, Tschad, Zentralafrikanische Republik, Kongo (Zaire), Republik Kongo, Gabun, Kamerun, Nigeria, Dahomey (Benin), Togo, Obervolta (Burkina Faso), Elfenbeinküste, Senegal, Somalia |
1961 | Sierra Leone, Tanganjika (Tansania) |
1962 | Algerien, Uganda, Ruanda, Burundi |
1963 | Kenia |
1964 | Sambia, Malawi |
1965 | Simbabwe, Gambia |
1966 | Botswana, Lesotho |
1968 | Swasiland, Äquatorialguinea |
1974 | Guinea-Bissau |
1975 | Angola, Mosambik |
1976 | Sahara |
1977 | Djibuti |
1990 | Namibia |
[Bearbeiten] Literatur
- Franz Ansprenger: Politische Geschichte Afrikas im 20. Jahrhundert, C.H.Beck, München, 1992
- John Iliffe: Geschichte Afrikas, C.H.Beck, München 1997