Demokratischer Zentralismus
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Der Demokratische Zentralismus bezeichnet ein Organisations- und Führungsprinzip, das von Lenin umfassend beschrieben wurde und dadurch die Grundlage der Herrschaftssysteme der realsozialistischen Staaten wurde. Hauptpunkt des Demokratischen Zentralismus ist der hierarchisch-zentralistische Aufbau von Staat und Partei, so dass jede Entscheidung einer Parteiinstanz von der nächsthöheren bestätigt werden muss.
Dieses Prinzip wurde geschichtlich verbunden mit einer starken Disziplinierung nachgeordneter Stellen, die an Entscheidungen höherer Instanzen streng gebunden waren, wodurch sich der Demokratische Zentralismus im Regelfall zu einem autokratischen Zentralismus entwickelte.
[Bearbeiten] Demokratischer Zentralismus bei Lenin
Das Prinzip des „Demokratischen Zentralismus“ wurde von Lenin in seinem Buch „Was tun?“ (1901/1902) entwickelt, in dem er sich an der SPD in Deutschland orientierte. Lenin forderte in diesem Buch eine Zentralisierung des Parteiapparats, eine strenge Parteidisziplin, also die Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit, die Rechenschaftspflicht und die Absetzbarkeit der Leitung.
Der leninistische Parteiaufbau wurde in der Schrift „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“ (1904) weiter präzisiert. Darin schrieb Lenin, der Aufbau der Partei sei in gewisser Weise bürokratisch, da sie faktisch von oben nach unten aufgebaut sei.
Zwar wollte Lenin keine Fraktionsbildung innerhalb der revolutionären Partei, jedoch akzeptierte er die Freiheit des Wortes, das heißt der Kritik.
Die Idee des Demokratischen Zentralismus trug auf dem II. Kongress der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) am 30. Juli 1903 in London maßgeblich zur Spaltung in Bolschewiki (=Mehrheitler), die Befürworter, und Menschewiki (=Minderheitler), die Gegner der leninschen Doktrin, bei. Im Lauf der Zeit verschaffte diese Doktrin der Kompromisslosigkeit und Radikalität den Bolschewiki einen enormen Zulauf. Besonders Rosa Luxemburg und Leo Trotzki kritisierten das Prinzip des Demokratischen Zentralismus.
In Deutschland führte 1919 unter anderem die Diskussion über den Demokratischen Zentralismus zur Spaltung der KPD und zur Gründung der KAPD sowie zur Entwicklung des Rätekommunismus. Der Rätekommunismus sieht im leninschen Parteiaufbau die Grundlage des Stalinismus gelegt
Unter Stalin wurde die Partei schließlich zum Monolith. Jegliche Kritik und Diskussion wurde unterdrückt und Stalin setzte sich zum Absolutum (Personenkult).
Unter Lenins Teilnahme wurde auf dem zweiten Kongreß der Kommunistischen Internationale 1920 der Demokratische Zentralismus angenommen und wurde somit für alle Kommunistischen Parteien verbindlich.
[Bearbeiten] Demokratischer Zentralismus in der DDR
In der DDR verstand man unter demokratischem Zentralismus auch die Organisationsform der Massenorganisationen und des Staates in bewusstem agitatorischem Kontrast zum Führerprinzip und zur bürgerlichen Demokratie. Als Prinzipien wurden folgende Punkte beschrieben:
- Wählbarkeit der Leitungen
- Rechenschaftspflicht und Absetzbarkeit aller Leitungsorgane
- ständige Kontrolle dieser Leitungsorgane durch die Wähler
- Weisungsbefugnis übergeordneter gegenüber nachgeordneten Organen
- Mitwirkung aller bei der Lösung aller grundlegenden Aufgaben
Als Ebenen wurden dabei die Grundorganisation (unterste Ebene entweder Betriebe, Schulen, oder abgegrenzte Territorien), Kreis, Bezirk und Zentrale verstanden. Gewählte Leitungen wurden durch hauptamtliche Mitarbeiter wie beispielsweise Instrukteure ergänzt. Zusammen mit der Kaderarbeit, durch die gezielt Personen für Leitungen lanciert wurden, wurden die demokratischen Formen bis zur Bedeutungslosigkeit ausgehöhlt. Eine Aufgabe dieser Formen erfolgte jedoch erst im Rahmen der Wende.