Personenkult
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Personenkult (als Begriff geprägt durch Chruschtschow im Jahre 1956 in seiner Rede auf dem 20. Parteitag der KPdSU) ist eine in religiöse Dimensionen ragende bzw. die Religion ersetzende Verehrung von lebenden Führerfiguren im Bereich der Gesellschaft und Politik.

Wohl kommt es in Diktaturen oft zu einer gewissen Form des Personenkultes um den Diktator. Ausgeprägten "Personenkult" gab es etwa im Römischen Reich um Caesar (siehe auch 46 v. Chr.), im deutschen Nationalsozialismus um Adolf Hitler, in nationalistischen Diktaturen wie um Saddam Hussein im Irak.

Personenkult in sozialistischen Diktaturen meinte in der DDR-Diktion die Herrschaft Stalins in der Sowjetunion und davon abgeleitet in den anderen Staaten des sozialistischen Lagers (Beispiele siehe unter Stalinstadt), um Mao Zedong in der Volksrepublik China, um Bolesław Bierut in Polen, um Nicolae Ceauşescu in Rumänien, um Enver Hoxha in Albanien und heute noch sowohl in Nordkorea um Vater und Sohn Kim als auch in Turkmenistan um "Türkmenbaşy" Saparmyrat Nyýazow.
Merkmale von Personenkult können sein:
- übertrieben devote Haltung aller öffentlich auftretenden Personen zum Führer
- unkritische Rezeption aller Äußerungen der gehuldigten Person in der Öffentlichkeit
- Verfolgung kritischer Haltungen gegenüber der gehuldigten Person, teilweise mit Gefahr für Leben und Gesundheit des Kritikers, Verhaftung oder "Verschwindenlassen" von Regimekritikern
- übertriebene Präsenz von Bildnissen und Losungen (Huldigungen an diese Person oder Aussprüche derselben), zum Beispiel in Privathäusern, Schulen oder Betrieben, sowie in sämtlichen Medien
- Benennung von Betrieben, öffentlichen Gebäuden, Schulen, Straßen, Plätzen, Sportstätten, Städten nach dem Führer (zum Beispiel Stalinstadt)
- Herstellung von (bei kritischer Betrachtung oft absurden) Zusammenhängen zwischen der Person des Führers und sämtlichen Lebensbereichen.
Nach Ende der Herrschaft des Diktators setzt in der Regel eine Umkehrung ein: Umbenennungen werden rückgängig gemacht (siehe die Stalinstädte), öffentliche Bildnisse entfernt, mit dem Personenkult verbundene Schriften und Kunstwerke aus dem öffentlichen Raum (Büchereien, Galerien) entfernt. Siehe unter Entstalinisierung.

Beispiele für bis heute anhaltenden Personenkult sind Nordkorea (Kim Il Sung, Kim Jong Il) und Turkmenistan, um dessen kürzlich verstorbenen Präsidenten Saparmyrat Nyýazow, der sich selber den Beinamen Türkmenbaşy („Führer aller Turkmenen“) gegeben hatte, ein ausgeprägter Personenkult betrieben wurde. Nach Nyýazow wurden u.a. die Stadt Türkmenbaşy, Schulen und Flughäfen benannt, und er wird in der Nationalhymne glorifiziert. Bilder und (teilweise goldene) Statuen des Präsidenten finden sich überall in Turkmenistan. Sogar die Monate und die Wochentage wurden zu Ehren von Nyýazow umbenannt. Der Monat Januar wurde in "Türkmenbaşy" umbenannt, der April nach dem Namen seiner Mutter. Das angeblich von Nyýazow verfasste Buch Ruhnama stellt für Bildungseinrichtungen in Turkmenistan eine Pflichtlektüre dar und liegt in den Moscheen neben dem Koran aus.
Eine besondere Form des Personenkultes tritt auch heute noch in Kuba um Ernesto Che Guevara auf, der eine geradezu sakrale Verehrung genießt. So wird in Schulen, öffentlichen Ämtern, Universitäten, usw. stets Guevara neben Castro angebracht. Insofern als Guevara keine lebende Person ist, ist hierbei allerdings die strikte Definition eines Personenkultes nicht erfüllt. Auch um den Papst wird ein Personenkult betrieben, so werden Gebrauchsgegenstände wie Tassen, Glässer, CDs, T-Shirts und Christbaumkugeln mit dem Bildnis des Papstes im Vatikan zum Verkauf angeboten, besonders ausgeprägt war dies bei Johannes Paul II., allerdings fehlt hier das Element des Zwanges.
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In demokratischen Staaten sind der Selbstdarstellung vom Partei- und Staatsführern Grenzen gesetzt. Es können sich - besonders in Notzeiten - einige charakteristische Elemente des Personenkults ausprägen, die aber nicht unausweichlich sind (zum Beispiel Gleichschaltung der Medien).
In vielen Nationalstaaten entsteht aber dennoch, häufig unbemerkt, ein Kult um die Ahnen der Nation (Hermannsdenkmal), deren Gründer (Bismarck-Kult, Lenin-Kult, George Washington in der USA) oder sogenannte Nationalhelden wie z.B. der Vorkriegskult um Nogi Maresuke in Japan. Diese Verehrung bereits verstorbener Personen unterscheidet sich aber in einigen wichtigen Grundzügen vom eigentlichen Personenkult, der sich auf einen lebenden Führer bezieht.
In arabischen Diktaturen wie Saudi-Arabien, Kuwait, Libyen (Muammar al-Ghaddafi) ist die Bezeichnung Personenkult zumindest problematisch, da der strikte Monotheismus des Islam einem allzu ausgeprägten Personenkult Grenzen setzt.
Personenkult ist zu unterscheiden sowohl vom Starkult als auch von der Heiligenverehrung.
[Bearbeiten] Literatur
Balázs Ápor, Jan C. Behrends u.a. (Hg.): The Leader Cult in Communist Dictatorships. Stalin and the Eastern Bloc, New York: Palgrave 2004.