Der Weg zum Friedhof
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Der Weg zum Friedhof ist eine Novelle von Thomas Mann aus dem Jahr 1900.
Erstmals erschien sie im Simplicissimus, München, Jg. 5, Nr. 30, am 20. September 1900. Die erste Buchveröffentlichung folgte 1903 (Tristan. Sechs Novellen); 1922 wurde die Erzählung in Novellen. Band I übernommen, 1945 in Ausgewählte Erzählungen und 1958 in die Stockholmer Gesamtausgabe.
[Bearbeiten] Inhalt
An einem schönen Tag befindet sich Lobgott Piepsam auf einem Fußweg, der, parallel zur Fahrstraße, zum Friedhof führt. Piepsam ist vom Leben mehr als stiefmütterlich behandelt worden; er hat Frau und Kinder verloren und sich dem Alkohol ergeben. Plötzlich hört er hinter sich das Geräusch eines herannahenden Fahrrades, stellt fest, dass ein unbedeutender junger Mann auf dem Sattel sitzt, der offenbar nur zum Vergnügen und ohne ernsthafte Sorgen zu kennen ein wenig in die Weltgeschichte hineinkutschiert, und blockiert daraufhin, so gut es geht, den Weg. Der Radfahrer, der pflichtgemäß geklingelt hat, rollt verärgert in langsamem Tempo an Piepsam vorbei und hört deshalb, wie dieser das Nummernschild des Fahrrades laut abliest. Er fragt nach, was Piepsam gesagt habe, und es kommt zu einem erbitterten Dialog: Piepsam besteht darauf, er werde den Radler anzeigen, weil er nicht die Straße benutzt habe, dieser sieht dies überhaupt nicht ein, da zahlreiche Spuren im Kies darauf hinweisen, dass alle Radfahrer diesen Fußweg benutzen. Schließlich macht er, gleichgültig gegenüber der Erbitterung des älteren Mannes, dem Gespräch ein Ende und will, immer noch auf dem Fußweg, davonfahren. Nun aber steigert sich Piepsams Zornausbruch zum Tobsuchtsanfall. Er versucht vergeblich, sich an das davonfahrende Rad anzuhängen und es anzuhalten und stößt wilde Schmähungen gegen den sorglosen Jüngling aus, der ein so viel besseres Los gezogen zu haben scheint, als er selbst. Das Rad ist längst in der Ferne verschwunden, da bricht Piepsam, regelrecht von seinem Zorn erstickt, tot zusammen, und wird kurz darauf von zwei routinierten Sanitätern in den Krankenwagen, den zwei hübsche, blanke Pferde ziehen, geschoben, wie man einen Laib Brot in den Backofen schiebt. Auch nach seinem Tode also wird Piepsam als Person vollkommen ignoriert und nur wie eine lästige Sache aus dem Wege geräumt.
Vergleichbar ist dieser vereinsamte Protagonist etwa mit dem Sonderling Tobias Mindernickel aus der gleichnamigen Novelle Manns. Auch Tobias, über dessen Vorleben man freilich nichts erfährt, hat keine Kontakte zur Gesellschaft und wird von dieser nur als Spottobjekt wahrgenommen, was sich bei ihm allerdings nicht in einem spektakulären Tod der eigenen Person auswirkt, aber ebenfalls zu einem grotesken Ende führt.