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Simplicissimus - Wikipedia

Simplicissimus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Dieser Artikel behandelt die Wochenzeitschrift Simplicissimus, für den gleichnamigen Roman von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen siehe Der abenteuerliche Simplicissimus.
Simplicissimus
Simplicissimus

Der Simplicissimus (zu deutsch: der Einfältigste) war eine satirische Wochenzeitschrift, die von 1896 bis 13. September 1944 in München herausgegeben wurde. Ihr von Thomas Theodor Heine entworfenes Wappentier war eine rote Bulldogge auf schwarzem Grund.

Sie wurde von Albert Langen und Thomas Theodor Heine gegründet und war ursprünglich eigentlich nicht als Satireblatt, sondern in erster Linie als Kunst- und Literaturrevue konzipiert. Dieses Konzept wurde schnell verworfen. Der Simplicissimus startete am 4. April 1896 mit einer sehr hohen Auflage (es sollen 480.000 Exemplare gewesen sein), von den frühen Ausgaben wurden allerdings nur wenige Exemplare verkauft (Preis: 10 Pfennig), von der Erstausgabe nur rund 1.000 Stück. Zwar stieg die Beliebtheit und damit der erzielte Umsatz der Zeitschrift rapide an, es dauerte aber lange, bis sie für den Verlag profitabel wurde. Die Herausgeberschaft des Simplicissimus war somit auch für Langen mit großem finanziellen Risiko verbunden.

Beiträger und Mitarbeiter des Simplicissimus waren unter anderem Hermann Hesse, Thomas Mann, Gustav Meyrink, Georg Queri, Fanny zu Reventlow, Ludwig Thoma, Jakob Wassermann, Frank Wedekind, Karl Arnold, Franziska Bilek, George Grosz, Olaf Gulbransson, Heinrich Kley, Alfred Kubin, Rudolf Kriesch, Otto Nückel, Bruno Paul, Ferdinand von Rezniček, Wilhelm Schulz, Eduard Thöny, Rudolf Wilke, Heinrich Zille, Hugo von Hofmannsthal, Heinrich Mann. Auch Erich Kästner veröffentlichte hier einige seiner Texte: Zwischen August 1927 und Januar 1933 wurden 27 Beiträge aus seiner Feder im Simplicissimus publiziert – vornehmlich Gedichte, die nicht selten als Erstdruck erschienen und später Aufnahme in eine seiner Gedichtanthologien fanden.

Die Zeitschrift zielte auf die bürgerliche Moral, die Kirche, die wilhelminische Politik, die Beamten, das Militär und verschiedene politische Gruppierungen der Zeit. In Österreich-Ungarn wurde das Blatt verboten, Heine und Wedekind saßen zeitweise wegen Majestätsbeleidigung im Gefängnis. Des öfteren wurden Ausgaben komplett konfisziert. Bereits 1898 wurde der Herausgeber Langen zu einer Geldstrafe von 30.000 Mark verurteilt. Er lebte überdies fünf Jahre im Exil in der Schweiz, um einer Verhaftung zu entgehen. Bald jedoch wurde erkannt, dass Zensur-Prozesse den Verkauf steigerten und hervorragende Werbung für das Blatt waren. In enger Zusammenarbeit mit dem Staranwalt Max Bernstein wurden entsprechende Anzeigen provoziert und die Prozesse bereits lange im Voraus als publikumswirksame Spektakel geplant. Die juristischen Auseinandersetzungen entwickelten einen deutlichen Werbeeffekt für die Zeitschrift. Die verkaufte Auflage stieg deutlich an und erreichte im Jahr 1904 85.000 Exemplare.

1906 brachten die wichtigsten Mitarbeiter – Olaf Gulbransson, Ludwig Thoma, Bruno Paul, Th. Th. Heine, Eduard Thöny und Rudolf Wilke – Albert Langen dazu, den Simplicissimus aus seinem Verlag herauszulösen und ihn in eine eigene GmbH einzubringen, an der sie beteiligt waren (Simplicissimus-Verlag G.m.b.H. München).

Der Abstieg des Blattes begann etwa 1909. Nationalistische Töne wurden lauter, besonders gegen Serbien und Russland. Das Blatt wurde von mehreren Schicksalsschlägen getroffen: Der Zeichner Engl war schon 1907 gestorben, es folgten Publikumslieblinge wie Wilke und Reznicek, die nicht ersetzt werden konnten. Eine gewisse Routine schlich sich ein, die Auflagenziffern begannen zu sinken, während die Hefte immer dicker wurden. Die Stammautoren waren erfolgs- und geldorientiert geworden: Offen betrieben sie im Reklameteil des Blattes den Verkauf der Originalzeichnungen und suchten nach brauchbaren Witzen.

Dennoch finden sich in den Jahren zwischen 1909 und 1914 innerhalb der nunmehr um das Doppelte angewachsenen Hefte (von 8 auf 16 Seiten) einige der besten Zeichnungen und Texte des Blattes. Victor Auburtin war in dieser Periode Autor und bereicherte das Blatt durch zahlreiche später berühmt gewordene Beiträge.

Während des Ersten Weltkrieges gab der Simplicissimus im Rahmen der allgemeinen Kriegsbegeisterung seinen kritischen Ton auf und wurde propagandistisch. Die völlige Abkehr von allen Traditionen schockierte die linksintellektuelle Welt, fand aber auch Fürsprecher - selbst Thomas Mann verteidigte die schrille Kriegshetze. Gerade der Simplicissimus wurde später für viele Lyriker zum Verhängnis, weil man an ihm am peinlichsten die geistige Verblendung nachvollziehen konnte, die die Intelligenz Deutschlands erfasste. Trotzdem gibt es vereinzelt erschütternde Texte über den Kriegsalltag.

In der Zeit der Weimarer Republik versuchte das Blatt seinen alten Biss wiederzufinden - allerdings erst nach langem Zaudern. Die Jahrgänge 1919-24 irritieren durch schroffe Kontraste: Einerseits herrscht immer noch extremer Hass gegen die Alliierten, vor allem Frankreich und Russland vor. Oft gelangen die Hefte nicht - trotz vieler einzelner Höhepunkte - über einen mäßigen Witzblattcharakter hinaus.

Ab etwa 1924, mit Beginn der Chefredaktion von Hermann Sinsheimer lassen sich dank seiner guten Kontakte viele demokratische Künstler und Schriftsteller wieder von der Legende „Simpl“ verführen. Käthe Kollwitz ist wieder dabei, ebenso Joachim Ringelnatz und vereinzelt Kurt Tucholsky.

1929, als Hermann Sinsheimer die Chefredaktion abgibt und der radikaldemokratische Franz Schoenberner das Ruder übernimmt, erlebt der Simplicissimus bis zum Februar 1933 wenige Glanzjahre, in denen er das Vorkriegsniveau wieder erreicht. Auffallend ist das nun wieder sehr hohe Niveau der Autoren, neben Erich Kästner publizieren hier auch Mascha Kaleko, Theodor Lessing, Hans Natonek, Mynona und viele andere. Der reformierte Simpl nahm vor allem extreme politische Positionen aufs Korn. So geriet er bald in Konflikt mit den Nationalsozialisten. Im Februar 1933 wurde die Redaktion von der SA verwüstet. Nach Hitlers Machtübernahme wurde die Redaktion „gleichgeschaltet“: sie hatte sich jeglicher Kritik am Regime zu enthalten. Als Jude wurde Th. Th. Heine aus der Redaktion gedrängt und musste ins Exil; Gulbransson, Thöny und Arnold blieben und passten sich mehr oder weniger an. Erich Schilling, vor 1933 in seinen Zeichnungen einer der glühendsten Verächter der Nazis, wurde nun deren Propagandist.

Die wenig erforschten Nazi-Jahrgänge sind trotz ihrer Propangandazeichnungen ein hochinteressantes Zeugnis der Alltagskultur im Dritten Reich. Anders als im 1. Weltkrieg setzte man eher auf brave Unterhaltung und Plauderton - die idyllische Lyrik wirkt angesichts der Verhältnisse geradezu grotesk - aber der Simplicissimus blieb auch eine Insel für neutrale Künstler: Alfred Kubin veröffentlichte hier bis in die letzten Jahrgänge hinein Zeichnungen, man findet Texte vom Weltbühneautor Hans Reimann und vom jungen Wolfgang Borchert. Fasznierend sind auch die zahlreichen erotischen, an amerikanische Pin-Ups angelehnten Zeichnungen von Kurt Heiligenstaedt. Beliebt war die Zeitschrift ab den späten dreißiger Jahren vor allem wegen der originellen Zeichnerin Franziska Bilek, die zu den Begründern des modernen deutschen Cartoons gehört, und wegen der humoristischen Gedichte von Eugen Roth.

Am 13. September 1944 erschien die letzte Nummer mit einer sonderbaren ganzseitigen Zeichnung von Nückel, „Gespensterschlacht“, auf der unkommentiert eine Ruine mit den Skelletten von Kriegern zu sehen ist. Eines schwenkt eine Piratenflagge - ein letzter Gruß des alten oppositionellen Simpl-Geistes, der unbeachtet in den Wirren des „totalen Krieges“ die Zensur passieren konnte.

Weithin unbekannt blieb der Versuch einer Emigrationsausgabe des Simplicissimus, die in Prag von Januar bis September 1934 erschien; sie war auf Deutsch und Tschechisch geschrieben. Noch zu Langens Lebzeiten gab es vor dem Ersten Weltkrieg einige Nummern einer sogenannten „edition française“, bei der die Bildunterschriften durch französische Übersetzungen überklebt wurden. Dafür musste sich Langen allerdings heftige Vorwürfe gefallen lassen: exportierte Kritik an den Zuständen im Reich spiele nur dem Erbfeind in die Hände.

Die Zeitschrift ist auch Namensgeber des 1903 gegründeten Künstlerlokals Simplicissimus in München Schwabing (heute Stadtbezirk Maxvorstadt). Teile des Simplicissimus-Kreises gehörten dort zu den Stammgästen. In Wien existiert das Kabarett Simpl mit der Bulldogge als Wahrzeichen noch heute mit Erfolg.

Von 1946 bis 1950 erschien in München Der Simpl, der aussah wie der Simplicissimus, wegen ungeklärten Copyright-Problemen sich aber nicht so nennen durfte.

Unter dem Zeichen der Bulldogge versuchte Olaf Iversen in der Nachkriegszeit erfolglos einen Neustart; die letzte Ausgabe erschien 1967.

Im Jahre 1997 gab es einen erneuten Versuch einer Neuauflage der Zeitschrift, eine Koproduktion von Berlin und Wien. Mitte des Jahres 1998 wurde auch sie wegen finanzieller Probleme eingestellt.

Heute ist der Name Simplicissimus noch in der Figur Simpli eines Webtoons des Künstlers Samb vertreten, welcher eindeutig eine Ableitung des Namens der Zeitschrift ist und dessen Aussagen auch dem Stil der Zeitschrift entsprechen. Auch Simpli, ist sehr „einfältig“ und kritisch, beziehungsweise er übt kritik an vielen Gruppen und dem Bürgertum.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Literatur

  • Simplicissimus. Bilder aus dem „Simplicissimus“. Herausgegeben von Herbert Reinoß unter Verwendung einer Auswahl von Rolf Hochhuth. Hannover 1970
  • Simplicissimus, ISSN 0583 323X
  • Simplicissimus.Eine Auswahl der Jahrgänge 1896-1914 von Richard Christ.Rütten & Loening(DDR) 1978
  • Simplicissimus. Eine satirische Zeitschrift München 1896 - 1944, Katalog der Ausstellung im Haus der Kunst München 19. November 1977 bis 15. Januar 1978. Einleitung von Golo Mann
  • Kinder im Simplicissimus. Auswahl und Texte von Dagmar von Kessel-Thöny. Atzbach 1978
  • Hasso Zimdars: Die Zeitschrift ‚Simplicissimus‘. Ihre Karikaturen. Bonn (Diss.) 1972.
  • Facsimilie Querschnitt durch den Simplicissimus. Herausgegeben von Christian Schütze. Einleitung von Golo Mann. Bern u.a. (Scherz) 1963.

[Bearbeiten] Das Digitalisierungsprojekt

Die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar hat in Zusammenarbeit mit der RHTW Aachen und dem Deutschen Literaturarchiv Marbach eine vollständige Digitalisierung aller Jahrgänge von 1896- 1944 vorgenommen. Sie sind seit Februar 2007 im Netz zu finden und leicht abrufbar. Damit wird neben dem konservativen Kladderadatsch ein zweites satirisches Periodikum im Netz komplett einsehbar.

[Bearbeiten] Die wichtigsten Pseudonyme des Simplicissimus

  • Cri-Cri - Edgar Steiger
  • Dr. Owlglass - Hans Erich Blaich
  • Emanuel - Peter Scher
  • Hase - Ludwig Thoma Das ist ein in der Literatur weit verbreitetet Irrtum. Prof. Bernhard Gajek, der Regensburger Ludwig-Thoma-Kenner hat mir bestätigt (Brief vom 3. Januar 2001), dass die „Hase“-Gedichte im „Simplicissimus“ nicht von Ludwig Thoma, sondern von Korfiz Holm stammen. Es geht auch aus den Briefen von Korfiz Holm an Albert Langen hervor (Dr. Thomas Raff, München).
  • Hieronymus Jobs - Frank Wedekind
  • Mikado - Karl Edler von Planitz
  • Pan - Willy Ganske
  • Ratatöskr - Hans Erich Blaich
  • Peter Schlamminger - Ludwig Thoma
  • Peter Schlemihl - Ludwig Thoma
  • Theobald Tiger - Kurt Tucholsky
  • Zwickauer - Edgar Steiger

[Bearbeiten] Weblinks

commons:Hauptseite
Commons
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ISSN: 0583-323X

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