Dienst nach Vorschrift
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Dienst nach Vorschrift bezeichnet ein Verhalten bei dem die Beschäftigten zwar ihren Arbeitsplatz nicht verlassen, bei ihrer Tätigkeit aber nur die für sie geltenden Anweisungen umsetzen oder Dienstvorschriften anwenden. Auf Eigeninitiative zur Lösung der Aufgaben, z.B. den "kurzen Dienstweg", telefonische Hinweise an Beteiligte bei Problemen, et cetera, wird verzichtet. Motto: Keine Weisung - keine Veranlassung. Zudem lassen Gesetze oder Vorschriften bewußt oder, da sie oft einfach schlecht gefasst sind, einen gewissen Auslegungs- oder Ermessensspielraum zu. Beschäftigte sind dabei nicht mehr bereit, diesen Spielraum auch in Fällen, in denen dies sinnvoll erscheint, bis an die Grenzen wahrzunehmen, zumal der Entscheidungsträger mit der weitgehenden Ausnutzung seiner Kompetenzen sich und seine Entscheidung tendenziell angreifbar macht. Als Folge verzögern sich Verfahren, sind für beide Seiten mit mehr Aufwand verbunden und erreichen oft nicht das optimale Ergebnis.
Im öffentlichen Dienst sind - zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Form der Bediensteten als unterster Ebene der Exekutive - die jeweilige Organisation und die Rechte und Pflichten der Bediensteten formal geregelt. Diese haben daher willkürliche Benachteiligungen weniger zu befürchten, so dass insbesondere im öffentlichen Dienst "Dienst nach Vorschrift" vorkommt.
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[Bearbeiten] Beispiel
- Grenzbeamte können bei der Auswahl der von ihnen durchsuchten Reisenden ihre Intuition und konkret schwer greifbare Verdachtsanzeichen ignorieren und sich auf sture Kontrollschemata beschränken mit der Folge, dass die Fahndung nach Drogen und Schmuggelware zu weniger Erfolgen führt.
[Bearbeiten] Gründe für "Dienst nach Vorschrift"
- als Mittel des Arbeitskampfes (vergleiche hierzu auch Sick-Out)
- unzufriedene Mitarbeiter verrichten "Dienst nach Vorschrift" als bewusstes Nachlassen des beruflichen Engagements. Steigerung ist die "innere Kündigung". Diese kann mit dem Burn-Out-Syndrom verwechselt werden. Nur 13 Prozent der deutschen Mitarbeiter sind emotional an ihre Unternehmen gebunden. 19 Prozent gaben an, bereits innerlich gekündigt zu haben. Befragt wurden rund 1800 Mitarbeiter deutscher Unternehmen durch das Forschungsinstitut Gallup.[1]
- "Dienst nach Vorschrift" entsteht außerdem in hierarchisch geordneten Systemen durch Überbetonen der Einhaltung von Vorschriften, auch wenn diese unsinnig oder an der entsprechenden Stelle überholt sind. In diesem Fall ist es entweder Resignation – oder Protest gegen die Behinderung des Engagements.
[Bearbeiten] Fälle die in der Öffentlichkeit bekannt wurden
- Im Jahre 2004 wollten so Finanzbeamte gegen die verordnete Verlängerung der Wochenarbeitszeit protestieren.
- Der Bundesgerichtshof sah 1973 ein derartiges Verhalten von deutschen Fluglotsen, die als Beamte nicht regulär streiken durften, als rechtswidrig an. "Dienst nach Vorschrift" ist als Arbeitskampfmittel besonders wirkungsvoll bei Berufsgruppen, die an zentralen Schaltstellen des Arbeitslebens sitzen. In Österreich, Frankreich und Spanien u.a. wird dies von den Fluglotsen auch heute noch als Arbeitskampfform praktiziert.
[Bearbeiten] "Dienst nach Vorschrift" in der Literatur
Im bereits 1931 erschienenen ersten Band von Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften wird für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg von einem – fiktiven – Streik der Telegrafenbeamten in Österreich berichtet, der mit diesem Verfahren arbeitet, dort aber Passive Resistenz genannt wird.