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Empfang bei der Welt - Wikipedia

Empfang bei der Welt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Heinrich Mann im Jahr 1906
Heinrich Mann im Jahr 1906

Empfang bei der Welt ist ein Roman von Heinrich Mann, vom April 1941 bis zum 8. Juni 1945 im Exil geschrieben und 1956 postum veröffentlicht.

Der 90-jährige Balthasar hat einen größeren Goldschatz in Weinfässern seines Kellers versteckt. Der 50-jährige Sohn Arthur, der als Geschäftsmann immer Geld braucht, kommt für Balthasar als Erbe nicht in Betracht. Zunächst soll der 20-jährige Enkel André erben, doch das Gold fällt an Stephanie, die 18-jährige Verlobte Andrés. Das junge Liebespaar verzichtet auf das ganze Edelmetall.
Eine Zahl in runden Klammern verweist auf die Seite in der Quelle oder der Literaturstelle.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Genre

Diese Gesellschaftssatire (Schröter, 145) ist polyglott. Neben dem Deutschen dominieren französische Einsprengsel. Der Roman kann gelesen werden als deutliche Zeitkritik, als Krimi oder als Liebesgeschichte.

  • Gesellschaftsroman: Auf dem Empfang, den Impresario Arthur in seinem Hause gibt, soll vornehmlich Geld ergattert werden für den Bau eines Opernhauses. Bevor der Empfang sich auflöst, will Arthur, der Existenzkämpfer im Erwerbsleben (28), die Schecks einsammeln.
  • Kriminalroman: Meisterdieb Poulailler mit dem höflich harten Kavaliersgesicht (302), der eleganteste Mann dieses weitläufigen Empfanges von Kunst und Finanz, versucht, die anwesende Crème de la Crème um ihre Wertsachen zu erleichtern. Bandit Nolus, eigentlich Bankier, schreckt vor Scheckbetrügerei nicht zurück.
  • Liebesroman: Heinrich Mann erzählt - im Innersten anrührend - die Geschichte der Liebe von André und Stephanie.

Von der Romanstruktur her geht es aber um drei große Auftritte, die Balthasar in weniger als vierundzwanzig Stunden hat (343).

[Bearbeiten] Handlung

[Bearbeiten] Erster Auftritt

Balthasar begreift sich als Toter. Folgerichtig lädt er zu seinem 90. Geburtstag auf dem Friedhof liegendes Personal zu einer Völlerei der Gespenster ein. Diese Mittagsgäste erscheinen naturgemäß als Geister. Auch der quicklebendige Konzertagent Arthur schaut vorbei. Er will sehen, was es beim Vater zu erben geben wird. Weil er den Greis erfolglos anpumpt, schimpft er ihn einen Geizhals. Arthur will doch nur sein Unternehmen erweitern (48). Inständig bittet er das Geburtstagskind, auf dem Empfang bei der Welt, der noch am Abend steigen soll, zu erscheinen. Balthasar kann seinen Sohn nicht verstehen. Der Alte war nie ein Existenzkämpfer, sondern der Staat drängte ihm seinerzeit Vermögenswerte auf - so wird es wenigstens dem Leser mehrfach dargestellt.
Der blutjunge Geburtstagsgast André, der ohne Überzeugung als Plakatmaler in einer Konservenfabrik arbeitet, möchte überhaupt nichts vom Großvater erben. Er porträtiert den Jubilar nur. Lediglich der Enkel wird vom Großvater in den Weinkeller geführt. Der Alte faselt, er wolle in seinem Golde begraben sein, wolle es sogar mitnehmen (74). André findet ein Goldstück.

[Bearbeiten] Zweiter Auftritt

Erst ganz am Ende des Empfangs bei der Welt hat Balthasar im Hause des Sohnes Arthur seinen nächsten großen Auftritt.
Zuvor begeistert der bucklige 58-jährige weltberühmte Tenor Tamburini das Publikum mit seiner Kunst. Allein dieses Wunder von Stimme hat das neue Opernhaus gerettet. Im Konzertsaal herrscht keine menschenfreundliche Luft. Das bunt gemischte Publikum, die wirtschaftliche, kulturelle und menschliche Auslese, aber auch die große, nachlässige, präsidentielle Nutte, möchte dem ältlichen Krüppel den Buckel, diese Mascotte (158), streicheln. Der Zwerg Tamburini trifft auf eine ehemalige Kollegin, die schöne Melusine, die Mutter Stephanies, jetzt Banquière im Bankhaus Barber und Nolus. Ihr Name bei der Bühne ist längst verwelkt. Beide reden von Herrlichkeit und Schande: Tamburini, der berühmte Sänger, hat die herrliche Stimme und den Buckel. Bei der Melusine ist es umgekehrt - ihr ging die Stimme verloren, doch sie behielt ihre Prachtgestalt. Arthur liebt Melusine.
Stephanie, Sekretärin im selben Konserventrust wie André, wird vom bärtigen Konservenpräsidenten auf dem Empfang gefeuert, nachdem ihr ein offenes Wort herausgerutscht ist (135). Gastgeber Arthur versucht vergeblich, den Konservengreis zur Zurücknahme der Entlassung zu bewegen.
Endlich tritt Balthasar auf. Arthur bedankt sich beim Vater: Du allein bist die große Attraktion. Der Alte mit dem grand cordon an seinem ehrwürdigen Hals (201) schweigt eindrucksvoll. Der verantwortliche Unternehmer Arthur sorgt dafür, dass das überlebensgroße Ordengestirn von einem wohlgezielten Lichtstrahl getroffen wird. Balthasar thront wie Goethe. Bevor der Greis abgeht, enterbt er noch rasch André und hinterlässt Stephanie seinen Weinkeller.
Melusine, auf der Jagd nach dem Geld in der Welt der Existenzkämpfe nicht glücklich geworden, nimmt Schlafpillen. Der Frauenkenner und Kunsthändler Arthur, überreizt vom Existenzkampf, nimmt die begehrenswerte und auf einmal anlehnungsbedürftige Melusine auf der harten Treppe. Arthur möchte Melusine hinterher unbedingt ehelichen.

[Bearbeiten] Dritter Auftritt

Stephanie dringt zusammen mit André zu ihrem Erbe, den goldgefüllten Weinfässern in Balthasars Keller, vor. Balthasar, ermattet vom Edelmetall Umschaufeln, liegt mausetot auf einem Haufen Gold. Aus den hinterlassenen Papieren des Verblichenen geht mancherlei hervor. Stephanie erbt außer dem Golde auch noch das Haus. Der Inhaber des grand cordon wurde seines Lebens erst froh, nachdem er sein Gold sicher versteckt hatte und den Armen spielen konnte. Das ging so weit, dass er sich von der Haushälterin aushalten ließ. André und Stephanie verlassen den Keller ohne einen Blick zurück.
Stephanie erbt unter einer Bedingung: Die Keusche hat sich mit André zu lieben. Der unternehmungslustige Bursche schreitet frisch zur Tat. Stephanie lässt sich auf den Rücken werfen und legt ihren Verlobten ihrerseits in Fesseln des Fleisches (346). Die Bedingung des Erblassers ist erfüllt. Stephanie behält das Haus und will das Gold Arthur geben. Der Unternehmer wird es bald vollständig verspekuliert haben. In dem Haus Balthasars mit André wohnen - Stephanie ist es unheimlich mit ihrem Zuviel von Glück: Die Luft beginnt dem jungen Paar zu klingen. Die Himmel werden tönend (370).

[Bearbeiten] Zitate

  • Unrecht leiden ist besser, als Unrecht tun (50).
  • Die Zeit ist nichts Wirkliches (62).
  • Echte Fruchtbarkeit trägt in sich ihren Lohn (98).
  • Wo ich sitze, ist immer oben (117).
  • Wer mich von mir selbst befreit, der ist mein Freund (159).
  • Wir kennen uns vom Wegsehen (207).
  • Das Gesetz des Don Juan, die Häßlichen nicht auslassen! (208)
  • Den Tod besiegt die Liebe allein (230).

[Bearbeiten] Exilliteratur

Vor 1933, da Heinrich Mann ein funktionierender deutscher Büchermarkt offen stand, produzierte der Autor manchmal mit leichter Hand, sprich: ungewöhnlich rasch. So schrieb und veröffentlichte er z.B. Ein ernstes Leben in nur einem Jahr. Ganz anderes Schreibverhalten Heinrich Manns ist im kalifornischen Exil beobachtbar. Kein Leser kann übersehen - an dem Romantext wurde jahrelang gefeilt. Charakteristisch für dieses Spätwerk, den vorletzten der Romane des Autors, ist das chronische Sinnieren, das gelegentlich ansteckend wirkt.

[Bearbeiten] Syntax und Semantik

Der Roman liest sich nicht so leicht wie z.B. der o.g. Ein ernstes Leben. Der Leser trifft mitunter auf einen Satz, der den Lesefluss aufhält und eine Frage provoziert der Art: Ist dieser Satz im Deutschen überhaupt möglich? Die Überzahl der gemeinten Sätze ist zwar annehmbar, doch das Lesevergnügen leidet. Die schwierige Lektüre erfordert "Forschungsarbeit", wenn am Ende des Absatzes über den Sinn des soeben Gelesenen vor der "Weiterarbeit" gegrübelt werden muss.

[Bearbeiten] Gesellschaftskritik

Der titelgebende Ausdruck Empfang bei der Welt wird im Text verwendet, wenn Arthur kapitalkräftige Vertreter aus Wirtschaft und Hochfinanz in seinem Hause zu einem rauschenden Ball empfängt, bei dem es - unter gar nicht sparsamen Einsatz von Nutten (135) und anderen Künstlerinnen - darum geht, den vermögenden Herrschaften das Geld aus der Tasche zu ziehen (146), (148). Heinrich Mann stellt klar, die Geldspenden kommen keineswegs von den reichen Herrschaften, sondern von jenen Menschen, die die dem Geld äquivalenten Werte erarbeitet haben.

[Bearbeiten] Personen und Ereignisse

  • Arthur Schopenhauer gab seinen Vornamen für Balthasars Sohn. Der Vater sagt: Diesen Sohn habe ich nach dem Philosophen der Erlösung, des Nichtwollens, Nichtmehrseins - Arthur genannt (50).
  • Hitler wird im Text genannt (118). Das Faible des Diktators für das zarte Geschlecht wird verspottet.
  • Möchten Sie nicht Ihr Stalingrad erleben! ruft Stephanie dem Meisterdieb Poulailler zu (301).

[Bearbeiten] Namen

[Bearbeiten] Selbstzeugnisse

  • Der Roman spielt, man weiß nicht wo, in einer international, aber einmütig absterbenden Gesellschaft (aus einem Brief vom 31. Januar 1948 an Karl Lemke, zitiert in Schröter, 145).
  • "Empfang bei der Welt" geht auch im Zustand und Geschehen dem "Atem" voran. Der erste zeigt den Verfall, der zweite die ausgebrochene Katastrophe (aus einem Brief vom 26. August 1947 an Karl Lemke, zitiert in Ebersbach, 299).

[Bearbeiten] Rezeption

[Bearbeiten] Literatur

Quelle

  • Heinrich Mann: Empfang bei der Welt. Roman. Band 14: Heinrich Mann: Gesammelte Werke. 370 Seiten. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1967

Ausgaben

Sekundärliteratur

  • Klaus Schröter: Heinrich Mann. S.145 - 148. Reinbek bei Hamburg 1967, ISBN 3-499-50125-2
  • Sigrid Anger (Hrsg.): Heinrich Mann. 1871 - 1950. Werk und Leben in Dokumenten und Bildern. S.334. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1977, 586 Seiten.
  • Volker Ebersbach: Heinrich Mann. S.294 - 299. Philipp Reclam jun. Leipzig 1978, 392 Seiten.
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A - Z. S.410. Stuttgart 2004, ISBN 3-520-83704-8

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