Erich Mielke
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Erich Fritz Emil Mielke (* 28. Dezember 1907 in Berlin; † 21. Mai 2000 in Berlin) war nach dem Rücktritt Ernst Wollwebers ab 1957 Minister für Staatssicherheit der DDR und somit einer der Hauptverantwortlichen für den Ausbau des flächendeckenden Überwachungssystems in der DDR. Von 1953 bis 1989 war Mielke zudem Vorsitzender der Sportvereinigung Dynamo.
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Leben
Erich Mielke trat 1921 in den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) ein und absolvierte zwischen 1924 und 1927 eine Lehre als Speditionskaufmann. 1925 trat er in die Kommunistische Partei Deutschlands ein.
Nach Ausbildung und Tätigkeit als Speditionskaufmann arbeitete Erich Mielke von 1928 bis 1931 als Lokalreporter bei der kommunistischen "Roten Fahne" und gehörte dem Parteiselbstschutz an. Am 9. August 1931 erschoss er auf dem Bülowplatz in Berlin die beiden Polizisten Paul Anlauf und Franz Lenk aus dem Hinterhalt und floh daraufhin in die Sowjetunion. Für diese Morde wurde er 1934 in Abwesenheit zum Tode verurteilt.
In Moskau erhielt er von 1932 bis 1936 eine militärische Ausbildung in der Lenin-Schule und kämpfte von 1936 bis 1939 unter dem Decknamen Fritz Leissner im Spanischen Bürgerkrieg bei den Internationalen Brigaden.
Nach dem Ende des Spanischen Bürgerkrieges tauchte er unter dem Namen Richard Hebel (als angeblicher Lette) in Belgien und Frankreich unter, wo er für die Kommunistische Partei tätig war. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte er nach Berlin zurück und wurde dort Leiter der Polizeiinspektion Berlin-Lichtenberg. Außerdem wurde ihm im Zentralkomitee der KPD die Funktion des Abteilungsleiters für Polizei und Justiz übertragen. Vom Juli 1946 an war er Vizepräsident der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI), des Vorläufers des Ministeriums des Inneren. 1948 heiratete er Gertrud Müller. Im Oktober 1949 wurde Mielke Leiter der Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft (Vorläufer des MfS).
Bei der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS, „Stasi“) im Februar 1950 wurde Wilhelm Zaisser als Leiter eingesetzt und Erich Mielke, neben Joseph Gutsche und anderen, einer seiner Stellvertreter im Range eines Staatssekretärs, in diesem Jahr wurde er auch Mitglied des Zentralkomitees der SED. Nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 wurde Zaisser abgesetzt und Ernst Wollweber neuer Leiter. 1957 löste Ulbricht Wollweber ab, und Mielke wurde zum Leiter des MfS ernannt. Diese Position bekleidete er bis zum 7. November 1989. Erich Mielke war ein begeisterter Fan der Sportvereinigung Dynamo, dessen erster Vorsitzender er von 1953 bis 1989 war. Ab 1976 wurde Mielke Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED. Am 3. Dezember 1989 wurde Mielke aus der SED ausgeschlossen, am 7. Dezember kam Mielke in Untersuchungshaft wegen des Vorwurfs Schädigung der Volkswirtschaft.
„Ich liebe doch alle...“ oder Der Humanist
Am 13. November 1989 sprach Mielke zum ersten Mal überhaupt vor der DDR-Volkskammer mit den denkwürdigen Worten:
„Ich liebe – Ich liebe doch alle – alle Menschen – Na ich liebe doch – Ich setzte mich doch dafür ein!"
, was mit lautem Gelächter quittiert wurde. Mielkes Worte gehören zu den meistzitierten der Wendezeit, oft jedoch unpräzise bis falsch in der Form Ich liebe euch doch alle. Seinem Ausspruch voraus ging der Hinweis eines sächsischen LDPD-Volkskammerabgeordneten, Mielke solle in seiner (ohne Manuskript gehaltenen) Rede nicht dauernd die Anrede Genossen einflechten, da sich im Plenum eben nicht nur Genossen befänden. Das tat Mielke (siehe Wikiquote-Zitate) als eine „formale Frage“ ab, worauf sich das erste Gelächter erhob, in das hinein er, bereits stark verunsichert, den historisch überlieferten Satz sprach.
Mielke selbst sah sich als Humanist an:
„Wir sind nicht gefeit leider, dass auch mal ein Schuft noch unter uns sein kann, wir sind nicht gefeit dagegen, leider. Wenn ich das schon jetzt wüsste, dann würde er ab morgen schon nicht mehr leben. Ganz kurz - Prozess. Aber weil ich Humanist bin, deshalb habe ich solche Auffassungen. Lieber Millionen Menschen vor'm Tode retten als wie einen Banditen leben lassen, der also uns dann also die Toten bringt. ... unverständlich ... mal richtig erklären, warum man so hart sein muss. All das Geschwafel von wegen nicht Hinrichten und nicht Todesurteil – alles Käse is' Genossen. Hinrichten den Menschen ohne ... unverständlich ..., ohne Gerichtsbarkeit und so weiter."[1] – 1982, Ausschnitt eines Stasi-Tonbandprotokolls, auf einer Konferenz hoher Stasi-Offiziere, mit Bezug auf die Flucht von Werner Stiller[2].
Charakteristisch sind Mielkes Ansichten zu Republikflucht und Grenzregime:
„Ich will euch überhaupt mal etwas sagen Genossen, wenn man schon schießt dann muss man dat so machen, dass nicht der Betreffene noch bei wegkommt sondern dann muss er eben dableiben bei uns. Ja so ist die Sache, wat is denn das, 70 Schuß loszuballern und der rennt nach drüben und die machen ne Riesenkampagne.“ [3]
„Leistner ist Mielke“ – das ungeklärte Verschwinden Willi Kreikemeyers
Im Zusammenhang mit der Kampagne um den „erfundenen Spion“ Noel H. Field entstand 1950 eine paradoxe Situation, in der der erklärte Stalin-Bewunderer, „alte Tschekist" und „Schüler Berijas“ Erich Mielke selbst zum Stalinismus-Opfer hätte werden können. Noel Field hatte in der Schweiz antifaschistische Emigranten unterstützt. Seine „Enttarnung“ als Spion war der Aufhänger für politische Schauprozesse gegen die suspekten Westemigranten. Willi Kreikemeyer, jetzt Chef der Deutschen Reichsbahn, war enger Mitarbeiter von Field gewesen. Bei einer Vernehmung wurde ihm eine Liste mit Decknamen von Leuten vorgelegt, die von Field unterstützt worden waren. Gutgläubig ordnete Kreikemeyer den Decknamen „Leistner“ Erich Mielke zu. Theoretisch hätte diese Information Mielkes Karriereende, wenn nicht sein Todesurteil besiegeln müssen: wer behauptete, mit der „ruhmreichen Sowjetarmee“ nach Deutschland zurück gekommen zu sein, in Wahrheit aber im westlichen Exil Kontakt zu einem amerikanischen Spion unterhalten hatte, war nach damaligen Maßstäben ein Verräter. Aber nicht Mielke, sondern Kreikemeyer verschwand auf Nimmerwiedersehen im Gefängnis. Mielke besuchte ihn in seiner Zelle und versprach ihm baldige Freilassung – er müsse nur alles aufschreiben, was er wisse. Dieses bis heute erhaltene schrifliche Geständnis ist das letzte Lebenszeichen Kreikemeyers. Kreikemeyers Frau wurde sieben Jahre später, nach ihrer 37. schriftlichen Anfrage, mitgeteilt, ihr Mann habe sich bereits kurze Zeit nach seiner Verhaftung in seiner Zelle erhängt. Diese offizielle Version wirkt konstruiert - u.a. weil der Totenschein erst 1957 ausgestellt wurde. Wahrscheinlicher - aber nicht beweisbar - ist, daß Mielke den Mann, der ihm gefährlich werden konnte, ermorden ließ.
Das Ministerium für Staatssicherheit
Die im Volksmund „Stasi“ genannte Staatssicherheit wuchs unter seiner Verantwortung oktopusartig in sämtliche Gesellschaftsbereiche hinein, und selbst im Privaten konnte niemand vor Bespitzelung und Verrat sicher sein. Besonders bekannt wurde der Fall von Vera Lengsfeld (1990 bis 2005 MdB), die von ihrem Ehemann bespitzelt wurde. Ein weiteres prominentes Opfer war Robert Havemann, der zeitweise von etwa 100 Stasi-Mitarbeitern überwacht wurde.
1989 beschäftigte das MfS etwa 91.000 hauptamtliche und 173.000 inoffizielle Mitarbeiter (IM). 1976 gab Mielke an die HA I, Abt. Äußere Abwehr den Befehl, den Hamburger Michael Gartenschläger festzunehmen bzw. zu töten. Gartenschläger hatte im Jahre 1976 die völkerrechtswidrigen Selbstschussanlagen (betitelt mit dem Euphemismus Splitterminen) von einem Grenzzaun der DDR abgebaut und damit die DDR-Führung international angeprangert. Am 30. April 1976 wurde Michael Gartenschläger von einem Stasi-Sonderkommando erschossen.
Nach der Wende
Wegen zweifachen vollendeten Mordes an Polizisten und eines versuchten Mordes aus dem Jahr 1931 wurde Erich Mielke am 26. Oktober 1993 zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt (wegen Haftunfähigkeit wurde er bereits 1995 vorzeitig auf Bewährung entlassen). Er lebte zuletzt als Rentner in Berlin-Wartenberg und starb am 21. Mai 2000 im Alter von 92 Jahren in einem Altenpflegeheim in Berlin-Hohenschönhausen. Erich Mielkes sterbliche Überreste wurden in einem anonymen Urnengrab auf dem Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde beigesetzt.
Literatur
- Wolfgang Kießling „Leistner ist Mielke. Schatten einer gefälschten Biographie“, Berlin 1998, ISBN: 3-7466-8036-0 Rezension
- Wilfriede Otto: Erich Mielke. Biographie. Aufstieg und Fall eines Tschekisten. Dietz Verlag, Berlin 2000, ISBN 978-3320019761
Weblinks
- Literatur von und über Erich Mielke im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MielkeErich/
- Mielkes Grabrede Juni 2000
- Chronik der Wende – Biographie
- Strafverfahren gegen Erich Mielke wegen Heimtückemord am Bülow-Platz in Berlin am 9. August 1931 (BGH-Urteil)
Quellen
- ↑ Originalton Erich Mielke, wiedergegeben in MDR / ARTE: Alltag einer Behörde - Das Ministerium für Staatssicherheit
- ↑ Stasi-Ausstellung Leipzig
- ↑ Originalton Erich Mielke, wiedergegeben in ZDF: Goodbye DDR, Teil 2 Mielke und die Freiheit
Wilhelm Zaisser | Ernst Wollweber | Erich Mielke | Wolfgang Schwanitz (Leiter des AfNS)
Personendaten | |
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NAME | Mielke, Erich |
KURZBESCHREIBUNG | Minister für Staatssicherheit der DDR |
GEBURTSDATUM | 28. Dezember 1907 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 21. Mai 2000 |
STERBEORT | Berlin |