Freetekno
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Freetekno (auch FreeTek) ist eine Subkultur der Techno-Bewegung, die seit Beginn der 90er Jahre besteht und eine Gegenvariante der kommerziellen Rave- und Techno-Bewegung darstellt.
Die Szene definiert sich durch ihre „Teknivals“ genannten Veranstaltungen, die überwiegend anonym geplant und unangemeldet veranstaltet werden. Die Veranstaltungsorte werden nur sehr kurzfristig über Webseiten oder Infolines bekannt gegeben. Freetekno steht einerseits in der Tradition der „Free Festivals“ der Hippiebewegung, andererseits auch in naher Verwandtschaft zur Autonomen Szene, aus deren beider Reihen sich oftmals auch die Initiatoren rekrutieren.
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[Bearbeiten] Verbreitung
Die Freetekno-Bewegung ist überwiegend in Europa, speziell in Mittel- und Osteuropa sowie in Nordamerika anzutreffen. Besonders aktive Szenen finden sich in Großbritannien, Frankreich, Italien, Österreich, Tschechien und den Niederlanden. In einigen anderen Ländern Europas, etwa in der Schweiz oder in Deutschland, nimmt an Stelle der Freetekno-Bewegung das musikalisch verwandte, aber in der Ausdrucksart und Ethik sehr differenzierte, Goa dessen Platz ein. Trotzdem gibt es auch in Deutschland eine Freetekno-Szene, wenn auch nur in geringem Umfang. „Teknivals“ wie das SouthTek und das EastTek oder Tekno-Partys im Raum Berlin, sowie Dresden beweisen dies. In der Schweiz hingegen ist Freetekno praktisch zugunsten der Goa-Szene gar nicht vertreten. In Österreich verhält es sich eher umgekehrt. Hier bestehen zahlreiche Soundsysteme, während sich Goa nur wenige Kollektive annehmen.
[Bearbeiten] Ethik
Das Motto lautet Free Tekno for Free People, was eine finanzielle wie auch politische Bedeutung hat. An Stelle des Eintritts tritt in der Regel die freiwillige Spende. Die dadurch erzielten Erlöse zielen jedoch nicht auf die Erreichung eines Gewinnes, sondern lediglich zur Finanzierung der durch die Veranstaltung entstandenen Aufwände wie Transport und je nach Legalität der Veranstaltung auch Betriebskosten (z.B. Strom, Sanitäranlagen) und Miete. Werden Überschüsse erzielt, so verbleiben diese im Soundsystem zur Wartung und Erweiterung der bereits vorhandenen Ausstattung und Technik. Der DJ als Einzelperson wird in der Freetekno-Kultur nicht als Mittelpunkt gesehen oder dargestellt, im Mittelpunkt steht die Musik. Häufig werden die DJs auch durch Tarnnetze oder gänzlich durch Boxen vom Publikum abgeschirmt. Da DJ-Starkult, wie in der kommerziellen Techno- und Housemusik üblich, nicht erwünscht ist, werden oft nicht einmal die Namen der auflegenden DJs genannt, sondern lediglich die auftretenden Systeme. Kommerziell bekannte Namen sind daher in der Szene verpönt und nur wenige Freetekno-Soundsysteme können eigene Veröffentlichungen aufweisen; weit verbreiteter sind Live-Tapes bzw. selbstgebrannte CDs. Musikalische Vertreter des Freetekno sind z.B. Spiral Tribe, Enter, Lego, Gotek, Wako oder ANT Inc.
In politischer Hinsicht bedeutet das Motto eine Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen: An einer Teknoparty bzw. einem Teknival befreit man sich vorübergehend aus dem Alltag und versetzt sich mit Hilfe des gleichmässigen Rhythmus der Musik in einen tranceähnlichen Zustand. Diese raschen - etwa 180 bpm schnellen - und gleichmässigen Beats nennt man Tribe, in Anlehnung an den Trommelrythmus von vielen indigenen Völkern, die häufig (etwa auf Papua) nur zum Rhythmus einer einzigen, schnell und gleichmässig geschlagenen, Trommel (siehe Schamanismus) tanzen. Auch das wandern eines Soundsystems von Ort zu Ort stellt eine Parallele zu (nicht sesshaften) Urvölkern dar. Diesen ethisch-politischen Hintergrund versuchen einige Soundsysteme auch darzustellen, etwa in der Namensgebung. So heißt ein ehemaliges österreichisches Soundsystem Wako, was die Kurzform von Wanderkolonie sein soll.
[Bearbeiten] Musikstile
Die im Freetekno gespielten Musikrichtungen weisen als gemeinsames Merkmal relativ hohe Geschwindigkeiten (im Verhältnis zu in kommerziellen Clubs gespielten Techno-Stilen) auf und bewegen sich in den meisten Fällen irgendwo zwischen 160 und 190 bpm. Zu diesem Grundbeat/-rhythmus gesellen sich verschiedene, manchmal experimentelle miteinander verknüpfte, Versatzstücke aus Acid-House bzw. Acid Techno, Goa, Gabba aber auch Breakcore. Seltener werden auch andere Musikrichtungen zu Tekno vermischt, etwa Drum'n'Bass (Drumtek) oder beschleunigte und mit härteren Beats unterlegte Old-School Techno-Platten. Aus bekannteren Veröffentlichungen der elektronischen Musik, aber auch aus Filmen, werden häufig Ausschnitte eingemischt - meist verzerrt, mit veränderter Geschwindigkeit oder sonstigen Effekten verändert.
[Bearbeiten] Teknivals und Teknopartys
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Die meisten Tekno-Partys werden von den Soundsystemen mit ihren DJs und ihrer Ausrüstung in der jeweiligen Region selbst organisiert. Vor allem in den Sommermonaten finden im Freien auch besonders große Tekno-Partys mit internationalen Soundsystemen und Tausenden von Besuchern statt, die in Anlehnung an das Musikfestival „Teknival“ genannt werden und bis zu einer Woche oder länger dauern. Eine eigene nomadenhafte Kultur von Soundsystemen (auch „Tribes“ genannt) hat sich entwickelt, die wie Traveller mit ihren Wohnwagen und umgebauten LKWs wochen- oder monatelang von einem Teknival zum nächsten fahren. Veranstaltungsorte sind oft ausgefallene Plätze wie ehemalige Militäranlagen, Burgen und Schlösser, Industrieruinen, entlegene Strände und ähnliches, wo mit den Besuchern ausgelassen gefeiert werden kann. Die aus DJs, Produzenten und Helfern bestehenden Soundsysteme verfügen zumeist über ein großes Potential an mobilen Lautsprecheranlagen, Strom-Aggregaten, Zelten und ähnlichem, um ihre Veranstaltungen spontan und autonom durchzuführen.
In diesen Fällen werden die Partys nicht angemeldet, da gesetzliche Bestimmungen über den Ablauf von Großveranstaltungen nicht ohne großen finanziellen Aufwand eingehalten werden könnten, und sind daher illegal, was immer wieder zu Problemen mit der Polizei führt. Nur wenige Tekno-Partys werden in regulären Veranstaltungslokalen, also legal, abgehalten, was auch daran liegt, dass geeignete Orte selten und meist zu teuer sind. Der unangemeldete, „illegale“ Rahmen der Veranstaltungen sowie die Tatsache, dass an Stelle eines fixen Eintritts die freiwillige Spende tritt, ist für viele Veranstalter und auch für die Akzeptanz innerhalb der Szene ein wichtiges Kriterium (siehe auch Abschnitt „Ethik“). Für die betroffenen Gemeinden und Landstriche jedoch, in denen sich urplötzlich mitunter Tausende Partywilliger einfinden, die tagelang ohne oder nur mit einem Mindestmaß an sanitären Einrichtungen oder Lebensmittelvorräten campieren, stellen sich gerade die größeren Teknivals als ernsthafte Probleme dar. Freilich haben in den anderthalb Jahrzehnten des Bestehens dieser Nischenkultur viele Veranstalter inzwischen legale Rahmenbedingungen für ihre Veranstaltungen geschaffen, so dass Freetekno nicht zwangsläufig nur illegal bzw. ungenehmigt stattfindet.
Das wohl bekannteste Teknival trägt den Namen CzechTek. Die nicht immer angemeldete Veranstaltung wird seit 1994 jährlich in Tschechien, zuletzt 2006 am Truppenübungsplatz Hradiště, veranstaltet. Als größte Besucherzahl wurden seitdem 30.000 Besucher (offiziell) bzw. 50.000 Besucher (inoffiziell) genannt. Wesentlich kleiner sind die entsprechenden regelmäßigen, meist unangemeldeten Zusammenkünfte in Deutschland, z.B. das SouthTek oder das EastTek, die aber beide auch schon Tausende von Besuchern angezogen haben. In Frankreich zog ein schlicht „Teknival“ betiteltes jährliches Freetekno-Festival mehrfach 10.000 Besucher an. Auch in Italien, etwas stärker im Norden und im Raum Rom, finden regelmäßig größere, mehrtägige Teknivals statt.

Immer wieder werden große wie kleine Teknivals von den örtlichen Polizeikräften unter zum Teil massiver Verstärkung durch Sondereinsatzkräfte geräumt. Traurige Bekanntheit erlangte hierbei die Räumung des CzechTek am 30. Juli 2005, wo mehr als 1.000 Polizisten mit Schlagstöcken, Tränengas und Blendgranaten gegen 5.000 Teilnehmer vorgingen, was zu über 100 verletzten Besucher und 90 verletzten Polizisten führte. Der Premierminister Jiří Paroubek und sein Innenminister rechtfertigten die Maßnahmen der Polizei mit provokanten, unbelegten und teils auch offensichtlich unrichtigen Behauptungen, wie „gegen eine durch Drogen und Alkohol provozierte Welle der Gewalt“ und „gegen die Verbreitung von Aids, Gelbsucht und Salmonellen“ einzutreten, was ihnen neben Demonstrationen in mehreren Großstädten Tschechiens sowie vor der tschechischen Botschaft während der Berliner Fuckparade auch innenpolitische Turbulenzen einbrachte.[1]
Während legale Partys bedenkenlos beworben und angekündigt werden können, können illegale Partys nur innerhalb der Gemeinschaft, etwa per Mundpropaganda, angekündigt werden, um der Polizei keine Möglichkeit zu geben, von der Veranstaltung zu erfahren. Auch in einschlägigen Internetforen, die zum Teil nur für angemeldete Benutzer oder Benutzer mit speziellen Zugriffsrechten zugänglich sind, werden Tekno-Partys angekündigt. In der Regel wird jede Tekno-Party auch in Form von Flyern, die alle notwendigen Informationen mit Ausnahme des Veranstaltungsortes enthalten, angekündigt. Dieser kann dann durch Nachfragen im Bekanntenkreis, der möglicherweise bereits durch Mundpropaganda informiert wurde, oder durch das Anrufen einer auf dem Flyer angegebenen Mobiltelefonnummer – der so genannten Infoline – in Erfahrung gebracht werden. Solche Flyer werden üblicherweise auf legalen Tekno-Partys oder ähnlichen Veranstaltungen verteilt. Die Infoline bezeichnet sowohl eine Mobiltelefonnummer als auch die Sprachboxansage, die nach dem Wählen dieser Nummer ertönt. Infolines informieren den Anrufenden über die Wegbeschreibung zu einer Veranstaltung. Erst wenige Stunden oder unmittelbar vor Beginn der Veranstaltung spricht einer der Veranstalter die Wegbeschreibung auf die Sprachbox und schaltet danach das Handy ab, sodass jeder Anrufer die Sprachbox zu hören bekommt.
[Bearbeiten] Künstlerische Ausprägung, Dekoration und Erscheinungsbild
Kennzeichnend für die Freetekno-Bewegung sind, abgesehen von der Musik, die in schwarz-weiß und psychodelischen Formen wie Spiralen gehaltenen Grafiken, die sowohl auf Kleidungsstücken, Aufnähern, Buttons, Platten, Planen und Transparenten als auch auf Flyern zu finden sind. Beliebt ist auch das Jonglieren von Fackeln, leuchtenden Keulen oder Pois, das regelmäßig auf Teknopartys zu sehen ist. Auf manchen Teknivals sind Feuershows fixer Programmpunkt.
Teknopartys selbst sind häufig mit Tarnnetzen und den bereits erwähnten Transparenten, die auch abstrakte Figuren, fiktive Maschinen und Roboter, die in der Regel einen düsteren bis dämonischen Eindruck vermitteln, aufweisen, dekoriert. Eingesetzte Lichteffekte bei den Indoor-Veranstaltungen variieren von klassischem Stroboskop- und bunten Scheinwerfer-Einsatz bis zur Laser-Installationen. Nebelmaschinen sorgen häufig für zusätzliche Effekte.
Besucher von Tekno-Partys weisen zu einem großen Teil in ihrer Bekleidung wesentliche Ähnlichkeiten auf. So sind weite Army-Hosen, in dunkelgrün oder Camouflage gehalten, ein typisches äußeres Merkmal. Bei männlichen Besuchern sind zumindest in kalten Monaten Kapuzenpullover und dunkle Kleidung die Regel. Besucherinnen fallen hingegen häufig durch andere äußere Merkmale wie Piercings, Tattoos, gefärbte Haare und Dreadlocks auf. Geschlechterübergreifend prägen Turn- und Skaterschuhe das Erscheinungsbild. Pullover, T-Shirts, Taschen und Rucksäcke sind häufig mit Tekno-Motiven – also schwarz-weiße Grafiken – gestaltet und dekoriert. Ein Gutteil der Freetekno-Community verzichtet jedoch auch weitgehend auf genannte Kleidung und Erscheinungsmerkmale, sei es um sich nicht in eine Schublade einordnen zu lassen oder um seinen individuellen Stil zu pflegen.
Siehe auch: Techno-Kunst
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ CzechTek: Polizeieinsatz endet blutig, ein Partyteilnehmer tot Zeitungsartikel von Tschechien-online.org, 31. Juli 2005