Geldentwertung
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Geldentwertung ist in der Volkswirtschaftslehre ein Prozess, bei dem Geld an Wert verliert, also der Geldwert sinkt. Diesen Prozess bezeichnet man auch als Inflation. In modernen Volkswirtschaften kann man den Geldwert allerdings nicht messen, weil Geld selbst als Wertstandard dient. Deshalb wird der Geldwert meist durch die Kaufkraft des Geldes gemessen. Daran wird kritisiert, dass der so gemessene Geldwert nicht der Marktwert des Geldes sei, der wie alle Marktwerte von Angebot und Nachfrage bestimmt werde.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geldwert
Zur Bestimmung des Geldwerts muss man zunächst zwischen einem Geldsystem mit einem nicht-monetären Wertmaßstab und einem Geldsystem mit monetärem Wertmaß unterscheiden.
[Bearbeiten] Geldwert bei nicht-monetärem Wertmaßstab
Ist das Geld nicht selbst Wertmaßstab, sondern dient es lediglich als Tauschmittel, so kann man den Marktwert des Geldes als Preis ausgedrückt in dem Wertstandard messen. So diente im frühen römischen Reich zum Beispiel ein Standard-Rind als Wertmaßstab, als Tauschmittel wurden Münzen verwendet. Auch in Ländern mit hoher Inflation kann man beobachten, dass das Geld seine Tauschmittelfunktion behält, aber ein anderes Gut als Wertmaßstab verwendet wird. So diente etwa in Argentinien lange der US-Dollar als Wertmaßstab, mit dem die Wirtschaftseinheiten rechneten und planten, während mit dem Peso weiterhin bezahlt wurde. In der Türkei wurde auch bis vor wenigen Jahren der US-Dollar und die Deutsche Mark als Wertstandard angesehen, während die Türkische Lira nur noch als Tauschmittel benutzt wurde. Der Geldwert des Peso und der Lira konnte also am Devisenmarkt über den Dollarkurs gemessen werden.
[Bearbeiten] Geldwert bei monetärem Wertmaßstab
Meist dient Geld aber selbst als Wertmaßstab, daher kann der Geldwert in diesem Fall nicht gemessen werden, vielmehr ist er definiert. In einer solchen Wirtschaft herrscht Geldillusion. Man behilft sich zur Bestimmung des Geldwertes meist mit der Messung der Kaufkraft des Geldes, die man über die Ermittlung des Preisniveaus erhält. Wird in einer Währung der Geldwert so gemessen, so handelt es sich um eine Indexwährung. Der Euro ist daher eine Indexwährung. Der so bestimmte Geldwert ist allerdings nicht der Marktwert des Geldes, der sich aus der Geldnachfrage und dem Geldangebot ergibt. Die Geldnachfrage ist die Menge Geldes, gegen die die Wirtschaftseinheiten in einer bestimmten Periode planen, Güter zu verkaufen. Das Geldangebot ist die Menge Geldes, mit der die Wirtschaftseinheiten in einer Periode planen, Güter zu kaufen.
[Bearbeiten] Geldwertstabilität
Aus den Erfahrungen massiver Geldentwertungen in Hyperinflationen und den negativen Folgen eines steigenden Geldwerts in Deflationen zog man den Schluss, dass der Geldwert möglichst stabil zu halten sei. Das ergibt sich allerdings auch schon daraus, dass Geld als Maßeinheit dienen soll, eine Maßeinheit soll sich nicht ändern. Das kann man sich anhand anderer Maßeinheiten, etwa dem Meter oder der Sekunde klar machen. Diese wurden einmal definiert und ändern sich danach nicht mehr. In einer Indexwährung gilt das Geld dann als stabil, wenn sich dessen Kaufkraft nicht ändert. Nach der Geldtheorie ist der Geldwert dann stabil, wenn das Verhältnis von Geldangebot und Geldnachfrage konstant bleibt.
[Bearbeiten] Ursachen der Geldentwertung
Nach der Geldtheorie kommt es zu einer Geldentwertung, wenn es ein Überangebot an Geld gibt. Ein solches Überangebot kann sich sowohl aus realwirtschaftlichen Störungen als auch durch Störungen im Geldsektor ergeben, was man in der Quantitätsgleichung sehr gut erkennen kann.
[Bearbeiten] Realwirtschaftliche Störungen
Steigt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Gütern und damit die Geldmenge, genauer das Geldangebot, ohne dass das Handelsvolumen, also das realwirtschaftliche Güterangebot, im gleichen Maße steigt, so kommt es zu einem Überangebot an Geld, der Geldwert sinkt. Nach dem zweiten Weltkrieg war in Deutschland durch Kriegsszerstörungen und Demontage das Güterangebot und damit die Geldnachfrage stark zurückgegeangen. Da das Geldangebot nicht entsprechend verringert werden konnte, kam es erneut zu einem Inflationsschub. Statt der Reichsmark wurde die Zigarette zum Wertstandard. Erst mit der Währungsreform von 1948 wurde in den westlichen Zonen das Geldüberangebot beendet.
[Bearbeiten] Störungen im Geldsektor
Wird die Geldmenge und damit das Geldangebot erhöht, ohne dass die Geldnachfrage, also das Angebot an Realgütern in gleichem Ausmaß steigt, so sinkt der Geldwert. Hyperinflationen sind häufig Folgen dieses Mechanismus. Zur Sicherung der Reparationsansprüche gegen das Deutsche Reich besetzten 1923 die Franzosen das Ruhrgebiet. Die Reichsregierung rief zum passiven Widerstand und Generalstreik auf. Folglich sank die Güterproduktion. Um weiterhin zahlungsfähig zu bleiben, ließ die Regierung von der Reichsbank vermehrt Banknoten drucken, die Geldmenge und Geldangebot stiegen also bei verringertem Güterangebot. Neben der Inflation sank auch der Devisenkurs der Reichsmark. Folglich musste immer mehr Geld gedruckt werden, um die in Goldwährung zu begleichenden Reparationszahlungen leisten zu können. Schließlich kostete auf dem Devisenmarkt ein US-Dollar 4,2 Billionen Reichsmark.
[Bearbeiten] Geldpolitik zur Bekämpfung der Geldentwertung
Nach der herrschenden Geldtheorie ist es die wesentliche Aufgabe der Geldpolitik, den Geldwert zu stabilisieren. In einer Indexwährung wie dem Euro soll vor allem das Preisniveau stabilisiert werden. Nach der Geldtheorie kann aber die Stabilisierung des Preisniveaus nicht in jedem Fall die Geldwertstabilität gewährleisten. Das lässt sich mit einfachen Beispielen verdeutlichen:
In einer Volkswirtschaft steige - z. B. durch erfolgreiche Kartellbildung - das gehandelte Wertvolumen, wobei der Mengenzuwachs unterproportional sei. Die Geldnachfrage steigt. Verfolgt die Notenbank eine Politik der Preisstabilität, erhöht sie das Geldangebot nicht entsprechend und verhindert so das höhere Umsatzvolumen, die Menge der absetzbaren Güter sinkt, es kommt zur Rezession. Der Geldwert - definiert als Marktwert des Geldes - ist gestiegen, obwohl das Preisniveau konstant geblieben ist.
Durch eine Naturkatastrophe gehe die produzierbare Menge zurück, die Produktionskosten steigen. Die Geldnachfrage bleibt konstant. Es käme zu Preissteigerungen, die die Notenbank aber durch Verringerung der Geldmenge, also des Geldangebots, verhindert. Dadurch steigt der Geldwert. Bei stabilem Geldwert wären die Preise gestiegen, die absetzbare Menge wäre nicht so stark gesunken, die Rezession wird verstärkt.
Folgerung: Das Preisniveau kann auch bei nicht stabilem Geldwert stabil sein. Das Ziel der Preisniveaustabilität macht regulierende Währungspolitik daher fehleranfällig, seine Verwendung kann dem Wirtschaftswachstum schaden. Die Bedingung für Geldwertstabilität ist deshalb nicht Preisniveaustabilität, sondern Geldnachfrageänderungen durch entsprechende Geldangebotsänderungen zu kompensieren.
Daher versuchen die Notenbanken, die Geldmenge entsprechend dem Wirtschaftswachstum zu erhöhen plus einer allerdings wissenschaftlich unfundierten "natürlichen Teuerungsrate", die im Falle der EZB 2% beträgt. Allerdings sind bekanntlich die Prognosen des Wirtschaftswachstums nicht immer zutreffend. Daher verfolgte die Zentralbank der USA unter Alan Greenspan kein striktes Ziel der Preisniveaustabilität, wie es die EZB tut, bei der andere Ziele wie Wirtschaftswachstum nur eine Nebenrolle spielen. Die USA erreichten ein wesentlich höheres Wirtschaftswachstum als die Eurozone. Auch die Bundesbank hatte laut Bundesbankgesetz noch die Aufgabe, „die Währung zu sichern“, während die EZB nach ihrer Satzung als Hauptziel Preisniveaustabilität gewährleisten soll.
[Bearbeiten] Literatur
- Hans H. Lechner: Währungspolitik. De Gruyter, 1988, ISBN 3-11-007412-5