Hamburger Aufstand
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Der Hamburger Aufstand von 1923 war ein von der militanten Sektion der KPD in Hamburg, der KP Wasserkante, am 23. Oktober 1923 begonnener Aufstandsversuch, der von vornherein militärisch aussichtslos war. Er endete bereits in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober. Es wurden 24 Polizeireviere gestürmt (17 in Hamburg, sieben in der Provinz Schleswig-Holstein). Während des Aufstandes starben über 100 Menschen. Die genauen Details ebenso wie die Einschätzung der Ergebnisse des Aufstandes sind bis heute stark umstritten.
Hintergrund des Aufstands war die Krise der Weimarer Republik. In dieser Zeit kam es zu zahlreichen militanten Auseinandersetzungen. Während sich 1923 die wirtschaftliche Lage der Menschen in der Weimarer Republik rapide verschlechterte, gewann die KPD an Zulauf. Die Ruhrbesetzung hatte die politische Auseinandersetzung in Deutschland weiter radikalisiert. Im August fand ein deutschlandweiter Streik gegen den amtierenden Reichskanzler Wilhelm Cuno statt. Ende September verhängte die Reichsregierung den Ausnahmezustand über die Weimarer Republik. Am 1. Oktober kam es zum Putschversuch der Schwarzen Reichswehr. Am 13. Oktober verabschiedete der Reichstag ein Ermächtigungsgesetz das laut Initiator Gustav Stresemann die legale Diktatur ermöglichen sollte. In Hamburg stürmte eine Demonstration mehrere tausend Arbeitsloser die Bannmeile um das Rathaus, was zu dieser Zeit noch mit akuter Lebensgefahr verbunden war. In Sachsen und Thüringen bildeten sich Mitte Oktober Koalitionsregierungen unter Einschluss der KPD, was diese als Möglichkeit zur Machtübernahme ansah.
Die Haltung zu einem bewaffneten Aufstandsversuch in Deutschland war innerhalb der kommunistischen Bewegung umstritten. Während einflussreiche Mitglieder der Komintern mit dem Gedanken liebäugelten, war die deutsche KP-Führung gegen einen Aufstand. Die genauen Beweggründe der kleinen Hamburger Gruppe unter Ernst Thälmann und Hugo Urbahns, die den Aufstand plante, ist bis heute nicht vollkommen geklärt. Wahrscheinlich wollte dieser die deutsche KP-Führung durch seinen Anfang zur Aktion zwingen.
In der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober erhielten die militärischen Leiter der KP Wasserkante Einsatzbefehle durch die regionale Führung. Um 5 Uhr morgens begann der Sturm auf die Polizeireviere, um den eklatanten Mangel der Aufständischen an Waffen zu beheben. Obwohl die KP in Hamburg zu dieser Zeit etwa 14 000 Mitglieder im Gebiet hatte, nahmen nur etwa 300 aktiv am Aufstand teil. Es gelang ihnen nicht, insgesamt mehr als 250 Gewehre zu erbeuten.
Neben Hamburg waren Altona und der Kreis Stormarn Schauplatz des Umsturzversuches. So wurden die Polizeidienststellen in den stormanischen Gemeinden Bramfeld und Schiffbek überfallen und die Dienstwaffen erbeutet. In Bad Oldesloe, Ahrensburg und Rahlstedt wurden Eisenbahn- und Straßenblockaden durchgeführt. In Bargteheide wurde der Gemeindevorsteher von den Aufständischen festgenommen und eine "Sowjetrepublik Stormarn" ausgerufen.
Bis auf Barmbek, Eimsbüttel und dem stormanischen Ort Schiffbek waren die Aufstandsversuche innerhalb weniger Stunden niedergeschlagen. Einzig in Barmbek, in dem bei der letzten Wahl etwa 20% der Wähler für die KPD gestimmt hatten, erhielten die Aufständischen Hilfe aus der Bevölkerung: sowohl beim Barrikadenbau als auch bei der Verproviantierung. Hier konnten sie sich unter dauernden Schießereien den Tag über halten. Nachts verließen sie, von der Aussichtslosigkeit der Lage überzeugt, heimlich ihre Stellungen, so dass der Großangriff der Hamburger Polizei am nächsten Tag ins Leere lief.
Der Aufstand forderte insgesamt mindestens 100 Tote und über 300 Verwundete. Davon waren 17 Tote Polizisten, 24 Aufständische und 61 unbeteiligte Zivilisten. 1400 Personen wurden festgenommen. Der größte Prozess gegen insgesamt 191 Aufrührer fand ab Februar 1925 im Landgericht Altona wegen der Schiffbeker Unruhen statt. Langfristig trug der Aufstand maßgeblich dazu bei, das Klima zwischen den Arbeiterparteien zu vergiften. Die Sozialdemokraten weigerten sich in seiner Folge, bei irgendeinem Anlass mit der KPD zusammenzuarbeiten und verstärkte sofern in Regierungspositionen die Repressionen gegen die Partei, was innerhalb der KPD wiederum die Ablehnung von Republik und SPD verstärkte. Teile des bürgerlichen Lagers fühlten ihre Ängste vor Bolschewismus und Revolution bestätigt und setzten stärker auf eine antidemokratische Ordnungspolitik.
Innerhalb der KPD selbst wurde besonders nach der Wahl des Aufstandsführers Ernst Thälmann zum Vorsitzenden der Partei eine Heldenmythos um den Aufstand produziert, der besonders auf die kleine Zahl, den aussichtslosen Kampf und den Heldenmut der Aufständischen setzte. Die innerhalb der Partei vorherrschende Deutung deutete die Niederlage vor allem als Folge der zu wenig zentralisierten und zu wenig auf Parteigehorsam ausgerichteten Parteistrukturen, die folgerichtig gestärkt werden mussten.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Ruhraufstand 1920
- Märzkämpfe in Mitteldeutschland 1921
[Bearbeiten] Literatur
- Bernhard H. Bayerlein; Leonid G. Babicenko u.a. (Hrsg.): Deutscher Oktober 1923. Ein Revolutionsplan und sein Scheitern, Berlin 2003. (Archive des Kommunismus - Pfade des XX. Jahrhunderts. 3)
- Angelika Voß: Der "Hamburger Aufstand" im Oktober 1923. In: Angelika Voß, Ursula Büttner, Hermann Weber: Vom Hamburger Aufstand zur politischen Isolierung. Kommunistische Politik 1923 - 1933 in Hamburg und im Deutschen Reich, Hamburg 1983, 9-54
- Louis Biester (postum): Der Kommunistenputsch 1923. In: Jahrbuch für den Kreis Stormarn (1985), 73-76
- Stadtteilkollektiv Rotes Winterhude: Der Hamburger Aufstand - Verlauf - Mythos - Lehren. Hamburg 2003, 64 Seiten mit Fotos und Thesen zum Aufstand und zur heutigen politischen Lage von links Die Seiten 1-32 (1,21 MB) [1] und die Seiten 33-64 (1,8 MB)[2]
- Ernst Thälmanns Interpretation
- Berlin, Jörg: Staatshüter und Revolutionsverfechter. Arbeiterparteien in der Nachkriegszeit; in: Ulrich Bauche u.a. (Hrsg.): „Wir sind die Kraft.“ Arbeiterbewegung in Hamburg von den Anfängen bis 1945; Katalogbuch zur Ausstellung des Museums für Hamburgische Geschichte, VSA Hamburg 19883 S. 103-131. ISBN 3-87975-355-5