Insolvenzanfechtung
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Ziel der Insolvenzanfechtung ist es, Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen, welche die Gläubiger eines Insolvenzschuldners benachteiligen. Mit der Insolvenzanfechtung verwandt ist die Anfechtung Gläubiger benachteiligender Rechtshandlungen außerhalb des Insolvenzverfahrens nach dem Anfechtungsgesetz.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Anfechtung nach §§ 129 ff. Insolvenzordnung
Im Insolvenzverfahren ist der Insolvenzverwalter berechtigt, für die Insolvenzmasse nachteilige Handlungen des Schuldners anzufechten. Die Folgen einer Verschiebung von Vermögensteilen zu Lasten einzelner oder aller Gläubiger können auf diese Weise rückgängig gemacht werden. Damit soll eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger gewährleistet werden.
Durch die Insolvenzanfechtung sollen bestimmte Vermögensverschiebungen vor dem Insolvenzantrag korrigiert werden, die Wirkungen der Insolvenzeröffnung werden also nach vorne verschoben. Die Insolvenzmasse wird mit ähnlichen Zielen durch die Rückschlagsperre (§ 88 InsO) vor Vollstreckungen im letzten Monat vor Verfahrenseröffnung und durch die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (§ 21 InsO) geschützt.
Die Grundkonzeption der Insolvenzanfechtung ist, dass Gläubiger, die besonderes Wissen über die wirtschaftliche Situation des späteren Schuldners ausnutzten, nicht besser behandelt werden sollen als die restlichen Gläubiger. Besonders Sozialversicherungsträger und Finanzbehörden, die selbst Vollstreckungstitel erlassen können, sind in einer guten Position, um den Schuldner unter Druck zu setzen. Zur Schonung der Staatsfinanzen war in der Diskussion, die Anfechtbarkeit von Druckzahlungen an öffentliche Kassen zu Lasten der anderen Gläubiger einzuschränken; dies ist jedoch auf vehemente Kritik gestoßen und letztlich im Bundestag abgelehnt worden.
[Bearbeiten] Anfechtbare Handlungen
Anders als bei der Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB können bei der Insolvenzanfechtung nicht nur Willenserklärungen angefochten werden, sondern alle „Rechtshandlungen“. Davon sind insbesondere auch Maßnahmen in der Zwangsvollstreckung und Unterlassungen umfasst.
[Bearbeiten] Anfechtungsgründe
Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners sind anfechtbar, wenn sie in zeitlicher Nähe zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unter Bedingungen, die eine Rückgewähr an die Insolvenzmasse und ein Zurückstehen der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes als gerechtfertigt erscheinen lassen, erfolgt sind.
Im Einzelnen sind in §§ 129 ff. InsO die folgenden Tatbestände geregelt:
- Kongruente Deckung (§ 130 InsO): insbesondere Zahlungen auf fällige Schulden kurz vor der Insolvenz
- Inkongruente Deckung (§ 131 InsO): insbesondere Zahlungen auf nicht fällige Schulden kurz vor der Insolvenz
- Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen (§ 132 InsO) kurz vor der Insolvenz
- Vorsätzliche Benachteiligung (§ 133 InsO) in den letzten zehn Jahren vor der Insolvenz
- Unentgeltliche Leistungen (§ 134 InsO) in den letzten vier Jahren vor der Insolvenz
- Besicherung oder Tilgung kapitalersetzender Darlehen (§ 135 InsO) in den letzten zehn Jahren vor der Insolvenz
Werden in anderer Weise Vermögensgegenstände zum Nachteil der Gläubiger weggegeben, ist diese Masseschmälerung grundsätzlich wirksam.
[Bearbeiten] Cash Pooling
Anfechtbar nach § 134 InsO sind nach einem Urteil des BGH[1] auch Zahlungen einer später insolvent werdenden Gesellschaft, die diese im Rahmen eines Cash-Pooling-Verfahrens auf die Verbindlichkeiten einer anderen, bereits zum Zahlungszeitpunkt zahlungsunfähigen Gesellschaft leistet. Dies ist vor allem deshalb beachtlich, weil diese Zahlungen auch dann vom Zahlungsempfänger zurückgewährt werden müssen, wenn dieser erst Monate später von der Insolvenz seines Geschäftspartners erfährt.
[Bearbeiten] Wirkungen der Anfechtung
Durch die Insolvenzanfechtung entsteht ein schuldrechtlicher Rückgewähranspruch auf Leistung an die Insolvenzmasse. Diesen Anspruch kann der Insolvenzverwalter einziehen, das heißt er kann außerprozessual vom Anfechtungsgegner dessen Erfüllung verlangen oder, wenn nicht freiwillig geleistet wird, den Anspruch durch Erhebung einer Leistungsklage geltend machen.
Die Insolvenzanfechtung unterscheidet sich also von der Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB dadurch, dass sie nicht wie diese unmittelbar Rechtsänderungen durch Ausübung eines Gestaltungsrechts bewirkt, sondern dass ein Anspruch auf Rückgewähr zur Insolvenzmasse entsteht. Der Wirkungsweise des Anfechtungsrechts wird man sprachlich daher besser gerecht, wenn man sagt, der Insolvenzverwalter könne ein Anfechtungsrecht, die Anfechtbarkeit (vgl. § 145 Abs. 1 InsO) oder einen Anfechtungsanspruch (vgl. § 146 Abs. 1 InsO) geltend machen, als mit dem Ausdruck, der Insolvenzverwalter könne anfechten (so aber der Wortlaut in § 129 Abs. 1 InsO).
[Bearbeiten] Anfechtung nach §§ 1 ff. Anfechtungsgesetz
Außerhalb des Insolvenzverfahrens können einzelne Gläubiger ebenfalls bestimmte Rechtshandlungen des Schuldners anfechten. Dies bietet sich insbesondere dann an, wenn abzusehen ist, dass sich ein Insolvenzverfahren für den Gläubiger nicht lohnt. Häufig ist das der Fall bei einer natürlichen Person oder einer vermögenslosen Kapitalgesellschaft als Schuldner.
Für die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen außerhalb der Insolvenzverfahrens gelten ganz ähnliche Tatbestandsvoraussetzungen wie für die Insolvenzanfechtung. Sie sind in den §§ 1-8 des Anfechtungsgesetzes geregelt.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Urteil vom 3. März 2005 – IX ZR 441/00 – auf bundesgerichtshof.de (PDF), bestätigt durch Urteil vom 30. März 2006 – IX ZR 84/05 –
[Bearbeiten] Weblinks
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