Kalendergeschichte
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Eine Kalendergeschichte ist ein Sammelbegriff für kurze Erzählungen, die Elemente anderer epischer Kleinformen, wie z.B. des Schwanks, der Anekdote oder der Parabel, in sich vereinigen und in Kalendern und Jahrbüchern abgedruckt wurden. Da auf der Seite eines Kalenders wenig Platz ist, sind diese fast immer sehr kurz, aber auch lehrreich und unterhaltend.
Sie erzählen von eigentümlichen und belustigenden Ereignissen aus dem Alltagsleben der einfachen Leute. Die sprachliche Gestaltung ist eher simpel und an die mündliche Überlieferung angelehnt. Kalendergeschichten dienen der Unterhaltung, aber sie werden ebenso mit belehrender Absicht erzählt. Im 17. und 18. Jahrhundert waren so genannte "Volkskalender" unter der einfachen Bevölkerung weit verbreitet. Diese Kalender stellten - abgesehen von Gesangbuch und Bibel - oft das einzige Lesematerial der Bauern und Arbeiter dar.
Neben dem Verzeichnis von Tagen, Wochen und Monaten enthielten sie astronomische und meteorologische Daten oder die Angabe von kirchlichen Feiertagen, aber auch viele praktische Tipps und Hinweise, zum Beispiel Gesundheitsregeln, Lebensweisheiten und Rezepte etc.
Zudem beinhalteten die Kalender kleine, lehrsame und unterhaltsame Geschichten - die so genannten Kalendergeschichten. Sie waren volkstümlich und wirklichkeitsbezogen und dienten der Erheiterung, der Besinnung oder der religiösen Erbauung. Bis ins 19. Jahrhundert blieben diese epischen Kurztexte an die Erscheinungsform des Kalenders gebunden. Später jedoch entwickelten sie sich zu einer eigenständigen literarischen Kunstform. Siehe Anekdote oder [1].
Johann Peter Hebel hat mit seinen gesammelten Kalendergeschichten im "Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes" von 1811 diese epische Form geprägt und die ursprünglich einfache Form auf ein hohes sprachliches Niveau gebracht. Sie sind deswegen so originell, weil sie einerseits sehr volksnah geschrieben sind, andererseits aber eine raffinierte Erzähltechnik aufweisen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts überwiegen jedoch wieder die einfachen Geschichten, in der Art wie sie sich die Dörfler untereinander erzählen (z.B. bei Peter Rosegger). Im 20. Jahrhundert lassen u.a. Walter Benjamin die Kalendergeschichte wieder in ihrer künstlerischen Variante aufleben. Auch Bertolt Brecht wählt diese Form und ihre Lehrhaftigkeit zum Ausdruck seiner sozialen Verhaltenslehre.
Bekannte Autoren von Kalendergeschichten:
- Johann Peter Hebel
- Peter Rosegger
- Jeremias Gotthelf
- Bertolt Brecht: Kalendergeschichten hier nachzulesen: [2]
- Oskar Maria Graf
[Bearbeiten] Literatur
- Guido Bee. Aufklärung und narrative Form. Studien zu den Kalendertexten Johann Peter Hebels. Münster 1997.
- Jan Knopf. Geschichten zur Geschichte. Kritische Tradition des "Volkstümlichen" in den Kalendergeschichten Hebels und Brechts. Stuttgart 1973.
- Ludwig Rohner. Kalendergeschichte und Kalender. Wiesbaden 1978.