Klaus Mehnert
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Klaus Mehnert (* 10. Oktober 1906 in Moskau; † 2. Januar 1984 in Freudenstadt) war ein politischer Journalist.
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[Bearbeiten] Biographie
Sein Vater Hermann war Kunstdruckereibesitzer und Maler in Moskau und fiel im Ersten Weltkrieg 1917 als Soldat der deutschen Armee in Flandern. Die Mutter Luise (1882-1946) war eine Tochter von Ludwig Heuss aus Nagold, der Schokoladenfabrikant und Kaufmann in Moskau war. Nach Schulbesuch in Stuttgart und Studienjahren in Tübingen, München und Berkeley/Kalifornien promovierte Klaus Mehnert in Berlin mit einer Arbeit über den "Einfluss des Russisch-Japanischen Krieges auf die große Politik".
1928 bis 1929 bereiste er Amerika, Japan, China und die Sowjetunion. Danach arbeitete er als Sekretär des deutschen akademischen Austauschdienstes in Berlin sowie vorübergehend als Bergmann auf einer Zeche in Dortmund. 1931 bis 1934 war er Generalsekretär der "Deutschen Gesellschaft zum Studium Osteuropas" in Berlin und zugleich Redakteur der Zeitschrift "Osteuropa". In diesen Jahren verbrachte Mehnert die Sommermonate in der Sowjetunion. Mehnert heiratete 1933 Enid Keyes († 1955), die Tochter eines Rechtsanwalts in Berkeley.
Von 1934 bis 1936 als Korrespondent für deutsche Zeitungen in Moskau tätig, bereiste er erneut China, Japan und Amerika. 1936 bis 1937 lehrte er als Gastprofessor in Berkeley/Kalifornien neuere Geschichte und Politikwissenschaft, 1937 bis 1941 als ordentlicher Professor der gleichen Disziplinen an der Universität Honolulu. 1941 bis 1946 war er Redakteur der Zeitschrift "The XXth Century" und Professor für Geschichte und Politikwissenschaft an der deutschen Medizinischen Akademie und St. John's University in Shanghai.
1945 bis 1946 in China interniert, kehrte er 1946 nach Deutschland zurück, arbeitete zunächst im Evangelischen Hilfswerk, ab 1948 als Osteuropa-Referent am Deutschen Büro für Friedensfragen in Stuttgart. Seit 1949 gehörte er der Redaktion der Wochenzeitschrift "Christ und Welt" an, seit 1950 war er außenpolitischer Kommentator des Süddeutschen Rundfunks, 1951 übernahm er die redaktionelle Leitung der neu gegründeten Zeitschrift "Osteuropa", und seit 1963 berichtete er im Deutschen Fernsehen regelmäßig über die politische Lage.
Nach dem zweiten Weltkrieg unternahm Mehnert ausgedehnte Studienreisen nach Nord- und Westafrika, in den Nahen Osten und nach Südostasien, 1954/55 eine Weltreise. 1955 berichtete er aus Moskau von den Verhandlungen Adenauers mit der sowjetischen Führung, 1956 war er beim XX. Parteitag der KPdSU, 1957/58 bereiste er China und monatelang die Sowjetunion. 1961 übernahm er den neu geschaffenen Lehrstuhl für Politische Wissenschaften an der Technischen Hochschule in Aachen und wurde von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz zum ordentlichen Mitglied gewählt.
1963/64 besuchte er nach Gastvorlesungen an der Harvard University 18 Staaten Lateinamerikas und Asiens, anschließend wiederum die Sowjetunion. Als Experte für Ost- und Asienpolitik beriet er die Bundeskanzler von Konrad Adenauer bis Helmut Schmidt.
Von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. wird der Klaus-Mehnert-Preis verliehen. Die Klaus-Mehnert-Gedächtnis-Stiftung fördert die Beziehungen zwischen dem deutschen und dem russischen Volk.
Das "Europainstitut Klaus Mehnert" in Kaliningrad unterstützt die regionale Zusammenarbeit auf deutsch-russischer Ebene. Die Hauptaufgabe besteht in der Organisation eines postgradualen Studiengangs, der junge Menschen aus Ost- und Westeuropa zusammenführen soll, indem sie sich mit der europäischen Geschichte und Gegenwart auseinandersetzen. Das Institut wurde im September 2005 in Kooperation des Lehrstuhls für politische Wissenschaft der RWTH Aachen und der KGTU (Staatlichen Technischen Universität in Kaliningrad) unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Dr. h. c. Winfried Böttcher und Prof. Dr. Victor Ivanov ins Leben gerufen.
[Bearbeiten] Werk
Mehnert unternahm seit seinen Studienjahren Auslandsreisen. Während des Zweiten Weltkrieges war er in Schanghai und gab dort die deutsche Propagandazeitschrift The XXth Century heraus. Dank seiner journalistischen Begabung und seines politischen Urteilsvermögens verstand er sich als "leidenschaftlicher Erklärer der bestehenden Welt". In einer Reihe von Büchern zog Mehnert Bilanz seiner Weltreisen und politischen Beobachtungen.
Neben seinen meistbeachteten Büchern "Der Sowjetmensch" und "Peking und Moskau", die hohe Auflagen erreichten und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden, verschafften ihm seine Kommentare zu aktuellen und weltpolitischen Ereignissen in Presse, Funk und Fernsehen besondere Publizität.
[Bearbeiten] Der deutsche Standort und politische Auffassungen
In seinem Buch "Der deutsche Standort" hat Mehnert, der sich gerade in seinen Berichten über Osteuropa und Asien eher in der Position des wertneutralen Beobachters sah, seine eigenen politischen Auffassungen am deutlichsten dargelegt. Seine Schrift verstand er nicht als Untersuchung oder Aneinanderreihung demoskopischer Statistiken, sondern eher als Beitrag dazu, den "deutschen Standort" zu definieren, seinen Weg in die Zukunft mitzubestimmen. Ohne einen fest umrissenen Standort, ohne eine Vision stehe Deutschland vor unüberwindbaren Problemen, vor Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Hilflosigkeit, die die Republik weder dazu befähigen würde, einen Beitrag zur Lösung der globalen Probleme nach zwei Weltkriegen zu leisen, noch dabei hiflreich sein könnte, das schlechte Bild, dass die Welt von den Deutschen hatte, zu verbessern.
In dem Kapitel "Wir Deutschen und die Vergangenheit" versucht er schließlich, die vielgeschmähte Natur des Deutschen zu erklären, kommt in seinem historischen Rückblick aber zu dem Schluss, dass das deutsche Volk keinen grundsätzlich "verbrecherischen Charakter" besäße, die "Deutsche Diktatur" und deren Verbrechen nicht als eine nur den Deutschen eigenen und unabdingbare vorhersehbare Kette von Handlungen, von Ursachen und Wirkungen war.
In der Analyse der nationalsozialistischen Verbrechen betont er aber, dass es vor allem die zwei "deutschen Tugenden" - Pflichttreue und Disziplin - waren, die erheblichen Anteil an dem Ausmaß der Greueltaten hatten, denn für ihn hatten Hitler und Himmler die überwiegende Mehrheit ihrer Gefolgsleute eben nicht dadurch beeinflussen können, indem sie an Sadismus, Raub-, Mordlust und Hass appellierten, sondern weil sie es verstanden hatten, die Menschen an ihrer Pflichttreue, an ihrer Disziplin, dem Stolz auf ihre eigenen Autorität und hierarchische Befehlsgewalten zu packen. Sie hätten es also verstanden, nationale Tugenden in nationale Laster zu verwandeln, woraus Mehnert folgerte, dass Disziplin und Gehorsam an moralisch legitime Inhalte gebunden seien muss.
Auch die Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges, mit der er sich schon 1933, im Zuge seiner Arbeit für die osteuropäische Gesellschaft, beschäftigt hatte, sah er nicht allein auf Seiten Deutschlands, sondern betonte den Anteil der damaligen russischen Zarenregierung. Er wollte allerdings nie die Schuld Deutschlands generell leugnen, sondern forderte vielmehr eine gewisse Objektivität und gab sich mit pauschalen Urteilen über ein ganzes Volk nie zufrieden. Er war einerseits Patriot und wollte Deutschland auch nach dem Zweiten Weltkrieg einen festen Platz in der Gemeinschaft der europäischen Völker einräumen, der seines Erachtens nach notwendig war, und auf den das Land auch Anspruch hatte, hatte aber beispielsweise kein Verständnis für die Klagen vieler Nachkriegsdeutscher über das Verhalten der Alliierten, da er die Schuld und die Verbrechen der "Deutschen Diktatur" unter Hitler vollständig anerkannte und das Verhalten der Siegermächte als legitim ansah.
In darauffolgenden Kapiteln beschäftigt er sich mit der Frage, wie es mit Deutschland weitergehen sollte und kommt zu dem Schluss: „Ein politischer Riese zu werden kann nicht unsere Sache sein. Aber ein 75-Millionen Volk im Herzen Europas braucht eine Vorstellung von seinem Platz in der Welt, soll es sich nicht selbst verächtlich werden. Der gefährliche Glaube an eine Weltmission ist uns heute so fern gerückt, dass wir ihn auch bei anderen nur mit Kopfschütteln wahrnehmen können. Unsere aktuelle Gefährdung liegt eher im Gegenteil - in der Überschätzung des Privaten, in der Abkehr von der Verantwortung für die Gesellschaft.“
Angemessen sei das Bemühen um "würdige Aufgaben", die aber nur von einem modernen Volk und einer modernen Gesellschaft erfüllt werden können, und in genau dieser Hinsicht stehe es um Deutschland als Bildungs-, Forschungs- und als Wirtschaftsstandort sehr schlecht. In vielen Bereichen kaum vertreten (Flugzeugbau, Computerentwicklung et cetera), prognostizierte er einen täglich größer werdenden Abstand zu den Spitzennationen, ein Abgleiten in die Zweit-, oder gar Drittrangigkeit und, über kurz oder lang, eine Abhängigkeit von führenden Weltmächten.
Weiterhin kritisierte er die starken Klassen- und Standesschranken, das Sträuben vieler Deutscher gegen eine "Leistungsgesellschaft" und die Vorstellung, Klassenschranken allein durch Wohlstand aufheben zu können, denn laut ihm sind Erziehung und Bildung der entscheidende Maßstab und es wären diese zwei Faktoren, die in der zukünftigen Wissensgesellschaft eine besondere Relevanz erfahren würden.
Ebenso beschäftigte sich Mehnert mit der deutschen Teilung und dem Ost-West-Konflikt. Da er davon ausging, dass die "Eine Welt", also die eine vereinigte Weltgemeinschaft auch längerfristig nicht realisierbar wäre, kam er zu dem Schluss, dass Frieden und Freiheit am ehesten dann erreichbar sind, wenn einige wenige Großmächte nebeneinander bestehen und durch vielfältige Beziehungen miteinander verbunden sind. Zu den bestehenden Großmächten USA, UdSSR und später auch China, sollte im Laufe der Zeit noch eine weitere hinzustoßen, das vereinigte Europa. Ohne ein nennenswertes Atomwaffenarsenal wäre dieses den Supermächten zwar nicht ebenbürtig, aber das Ziel könne darin bestehen, zu einer geistigen und intellektuellen Größe heranzuwachsen.
So sei es auch selbstverständlich, dass die Einheit Deutschlands im Interesse Europas und der Welt wäre. Mehnert konnte die Furcht vieler Nachbarn vor einem vereinigten und wiedererstarkenden Deutschland zwar nachvollziehen, glaubte aber, dass die Bundesrepublik durch eine starke Einbindung in die "Vereinigten Staaten von Europa" (Winston Churchill) zu einem Segen, nicht zu einem Schrecken für die Staatengemeinschaft werden würde.
Das größte Hindernis aber wäre das schwierige Verhältnis zwischen Deutschland und der Sowjetunion, auch wenn er schon in den sechziger Jahren ("Der deutsche Standort" erschien 1967) davon ausging, dass eines Tages eine Entspannung eintreten würde. Weiterhin wünschte er sich ein Europa, in dem jedes Land seine Traditionen und seine Kultur beibehalten könnte.
Auch der Entwicklungshilfe widmet Mehnert ein eigenes Kapitel. In einer Zeit, in der sowohl die Sowjetunion als auch die USA um Einfluss in den Staaten der Dritten Welt buhlten und kämpften, sah er durch verstärkte Zusammenarbeit neue wirtschaftliche und politische Gestaltungsmöglichkeiten, die das von beiden Seiten argwöhnisch beobachtete Europa alleine nicht bieten könnte. Hinzu kam, dass ein humanitäres Engagement Deutschlands als Beweis dafür dienen könnte, dass die neue Bundesrepublik gewillt war, zur Verbesserung der Welt beizutragen und keine Gefahr mehr von ihr ausging.
[Bearbeiten] Veröffentlichungen
- Ein dt. Austauschstudent in Kalifornien (1930)
- Die Sowjetunion 1917-22, Bibliogr. (1932)
- Jugend in Sowjet-Russland (1932)
- The Russians in Hawaii 1804-19 (1939)
- Weltrevolution durch Weltgeschichte, Die Geschichtslehre des Stalinismus (1951)
- Asien, Moskau und wir (1956)
- Der Sowjetmensch (1958, Neuauflage 1981) ( ISBN 3-499-16602-X )
- Peking und Moskau (1962)
- Maos zweite Revolution (1966)
- Der deutsche Standort (1967) ( ISBN 3-436-00979-2
- Peking und die Neue Linke - in China und im Ausland (1969)
- China nach dem Sturm (1971) ( ISBN 3-423-00882-2 )
- Moskau und die Neue Linke (1973)
- Jugend im Zeitbruch (1976)
- Kampf um Maos Erbe (1977) ( ISBN 3-548-03501-9 )
- Maos Erben machens anders (1979) ( ISBN 3-426-03633-9 )
- Ein Deutscher in der Welt, Erinnerungen (1981) (Autobiographie) ( ISBN 3-421-06055-X )
- Die Russen heute, Was sie lesen, wie sie sind (1983)
Sein umfangreiches Privatarchiv wird im Hauptstaatsarchiv Stuttgart aufbewahrt.
[Bearbeiten] Literatur
- Otto Köhler: Unheimliche Publizisten. Die verdrängte Vergangenheit der Medienmacher. München, 1995. ( ISBN 3-426-80071-3)
[Bearbeiten] WebLinks
- Literatur von und über Klaus Mehnert im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Virtuelle Ausstellung über Mehnert
- Seite mit Grabstein von Klaus Mehnert
- Pressemeldung zum Privatarchiv
- Europainstitut Klaus Mehnert
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Personendaten | |
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NAME | Mehnert, Klaus |
KURZBESCHREIBUNG | Publizist und Hochschullehrer in den USA, Japan, China, Afrika und Deutschland |
GEBURTSDATUM | 10. Oktober 1906 |
GEBURTSORT | Moskau |
STERBEDATUM | 2. Januar 1984 |
STERBEORT | Freudenstadt |