Luftbildfotografie
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Als Luftbildfotografie (auch Luftfotografie oder Aerofotografie, engl. aerial photography) wird ein fotografisches Genre bezeichnet, bei dem fotografische Abbildungen des Geländes aus der Vogelperspektive heraus angefertigt werden; man spricht dann von Luftbildern oder Luftaufnahmen. Die Branche, die sich mit dem Anfertigen von Luftbildern beschäftigt, wird auch als Luftbildwesen bezeichnet.
Thematisch verwandte Genres sind die Kite Aerial Photography, die Orbitalfotografie, die Astrofotografie und die Erstellung von Satellitenbildern.
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[Bearbeiten] Befliegung und Auswertung
Entsprechend der vorgesehenen Auswertung von Luftbildern werden die Fluglinien für einen Bildflug in Lage und Höhe genau geplant.
Die Befliegung einer Landschaft erfolgt entweder, um Einzelaufnahmen bestimmter Objekte zu machen, oder um systematisch ein größeres Gebiet zu erfassen. In diesem Fall werden meist parallele Streifen mit 30-60% Überdeckung der Aufnahmen geflogen.
Es wird dabei zwischen Geneigtaufnahmen und Senkrechtaufnahmen unterschieden. Senkrechtaufnahmen werden als Nadiraufnahmen geplant, wobei das einfallende Licht lotrecht in die Kamera gelangt. In der Praxis wird allerdings eine Abweichung von ca. 1-4° erreicht. Bei einer Geneigtaufname von 5-15° Kameraneigung gegenüber dem Lot spricht man von einer Steilaufnahme, bis 60° von einem Schrägbild und bis 90° von einem Flachbild, wobei diese meist den Horizont zeigen. Zur Stereoskopie und für quantitative Auswertungen (Höheneinmessung, Kartierung) werden ausschließlich Senkrechtaufnahmen verwendet.
Die Bilder können als analoge oder digitale Aufnahmen angefertigt werden. Die Auswertung kann analog erfolgen (Einzelbildauswertung oder Stereophotogrammetrie) oder digital mit entsprechender Software. In diesem Fall sind analoge Bilder zuvor mit einem Scanner zu digitalisieren. Damit Luftbilder in einem GIS verwendet werden können, müssen sie zunächst auf jeden Fall entzerrt werden (Einzelbildentzerrung oder Erstellung eines Orthofotos aus zwei Bildern mit unterschiedlichen Blickwinkel).
Die Vorteile von Luftbildern zu Satellitenaufnahmen liegen nicht nur in der höheren Auflösung (bis zu 3cm pro Bildpixel je nach Flughöhe), sondern auch darin, dass man meist wolkenfreie Aufnahmen erhält, da die Flugzeuge im Normalfall unter der Wolkendecke fliegen (Ausnahme: hochfliegende Spionageflugzeuge wie die Lockheed U-2). Die erstellten Aufnahmen sind nach der Landung verfügbar, wobei analoge Fotofilme erst noch entwickelt werden müssen.
[Bearbeiten] Einsatzgebiete
Wichtige Einsatzgebiete der Luftbildfotografie sind:
- Photogrammetrie
- Geografie, Geologie und Kartografie
- Spionage und militärische (Luft- und Gelände-) Aufklärung
- Ansichtskarten
- Bauplanung
- Stadtplanung und Landschaftsgestaltung
- Werbung und Image-Broschüren, TV-Berichterstattung
- Luftbildarchäologie
[Bearbeiten] Entwicklung und Geschichte
Luftbilder werden seit der Erfindung des lenkbaren Luftschiffes und des Motorflugzeugs ab etwa 1900 angefertigt. 1915 wurde die ersten Reihenmesskammern für Luftbildfotografie konstruiert.
Während die Luftbildfotografie von Anfang an im militärischen Bereich Verwendung fand, interessierten sich ab etwa 1920 auch Naturwissenschaftler für die neue Technik.
Die Luftbildfotografie ist heute eine wesentliche Grundlage zur Erstellung von Karten. Hierzu werden Aufnahmen in Lotrichtung verwendet.
Ein Pionier der Luftbildfotografie war in den Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts der Schweizer Georg Gerster (Die Welt rettet Abu Simbel). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Luftaufnahmen Mitteldeutschlands von Ernst Wandersleb von Bedeutung. In den vergangenen Jahren populär wurden Luftaufnahmen vor allem durch die Arbeiten von Yann Arthus-Bertrand (Die Erde von oben).
[Bearbeiten] Luftbildfotografie mit Flugmodellen und unbemannten Luftfahrzeugen
Luftaufnahmen können auch von unbemannten Fluggeräten erstellt werden. Um 1910 wurde in Deutschland eine Rakete mit eingebauter Kamera konstruiert, die nach ihren Start einige Luftaufnahmen machen konnte, wobei die Kamera über ein Uhrwerk ausgelöst wurde, welches beim Start der Rakete aktiviert wurde. Für militärische Zwecke werden seit den 30er Jahren Luftaufnahmen zu Aufklärungszwecken von unbemannten, ferngesteuerten Flugzeugen, den sogenannten Drohnen, durchgeführt. Die Technik der Luftbildfotografie von Flugmodellen ist auch für Hobbybastler von großen Interesse: neben der Möglichkeit der Unterbringung einer fernbedienbaren Fotokamera, einer Film- oder Videokamera in einem geeigneten Flugmodell (ferngesteuertes Luftfahrzeug, Fesselballon, Drachen, Modellrakete) gibt es auch die Raketenkamera Astrocam von der Firma Estes.
Die Astrocam ist eine Modellrakete, die mit in den meisten Ländern der Welt genehmigungsfrei fliegbaren Treibsätzen betrieben werden kann. Sie besitzt in ihrer Spitze eine Pocketkamera, die beim Auslösen des Fallschirms ein Bild macht. Nur wenn die Astrocam hierbei zum Boden zeigt, gerät das zu fotografierende Motiv, die darunter liegende Gegend, in ihr Blickfeld. Daher ist für das Gelingen etwas Glück nötig, denn der Fotograf hat keinen Einfluss auf das Motiv - es liegt somit eine echte "Luftlomografie" vor.
Seit einiger Zeit gibt es von derselben Firma auch eine Modellrakete mit eingebauter Digitalkamera, die sogenannte Oracle, mit deren Hilfe man mehrere Luftbilder machen kann.
Ein reizvolles Beispiel für Fotografien aus einem unbemannten, gelenkten Klein-Zeppelin sind die Aufnahmen von umfangreichen, normalerweise vom Boden aus nicht überschaubaren Labyrinthen des Fotografen Jürgen Hohmuth.
Modellhelicopter sind seit den 1980er Jahren erfolgreich im Einsatz bei Fernseh- und Kinoproduktionen. Die Bedienung dieser Modellhelicopter ist allerdings äußerst schwierig. Zum Bedienen der Kamera wird zusätzlich ein sogenannter Kameraoperator eingesetzt.
Kite Aerial Photography oder kurz KAP, ist eine Art der Fotografie, bei der die Zugkraft eines Drachens genutzt wird, um eine Kamera in eine luftige Position zu befördern.
[Bearbeiten] Rechtliches
In Deutschland galt bis 1990 eine Genehmigungspflicht für Luftbildaufnahmen. Nach Artikel 37 des 3. Rechtsbereinigungsgesetzes ist diese Genehmigungspflicht für Luftbildaufnahmen entfallen. Allerdings dürfen nach § 109 g Abs. 2 des Strafgesetzbuches auch aus Luftfahrzeugen sicherheitsgefährdete Anlagen nicht fotografiert werden.
Nach deutschem Recht ist es außerdem nicht zulässig, mittels Aufnahmen aus Flugzeugen oder Helikoptern in die geschützte Privatsphäre etwa einer prominenten Person einzudringen. (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2003, AZ: VI ZR 373/02, - Luftbildaufnahmen vom Ferienhaus)
[Bearbeiten] Technisches
Die technischen Anforderungen für das Anfertigen normaler Luftbilder, welche als Erinnerungsfotos bis zum Format 20x30 angefertigt werden sollen, sind geringer als allgemein angenommen. Für kleine Flugzeuge gilt, dass die Vibrationen subjektiv stärker wahrgenommen werden als sie wirklich sind. Es empfiehlt sich, natürlich nur in Absprache mit dem Piloten, die Tür vorher zu entfernen, sehr warme Kleidung anzuziehen, bei großen Höhen auch dünne Handschuhe, und sich seitlich anzuschnallen. Details müssen vorher mit dem Piloten abgesprochen werden, weil eine Verständigung während des Fluges fast unmöglich ist.
Grundsätzlich jedoch ist auch das Kleinflugzeug dem Hubschrauber als Fluggerät erheblich unterlegen. Nur der Hubschrauber kann auf der Stelle schweben, erheblich tiefer und vor allem langsamer fliegen. Die Auswirkungen auf die Bildqualität sind bestechend.
Bilder aus fliegenden Passagiermaschinen sind oft enttäuschend, weil sie oft unscharf werden (Beeinträchtigung des Autofokus durch das Fehlen eines Fixpunktes) beziehungsweise eine andere Stimmung wiedergeben, als die, an die man sich erinnert; das kann mit der Beschichtung der Fenster, mit eventuell vorhandenen Zwischenfenstern oder der im Flugzeug herrschenden Beleuchtung zusammenhängen, deren Spiegelungen oder Farbcharakteristik unbeabsichtigt ins Bild miteingehen kann.
Für exakt scharfe, druck- und vortragsreife Bilder höherer Auflösung, Schärfe und Farbtreue kann der versierte Fotograf auf ein größeres Kameraformat, höherempfindliche Filme, kürzere Verschlusszeiten, adäquate Filter oder gar Bildstabilisatoren (sowohl für Halterung, innerhalb der Kamera als auch in speziellen Objektiven) zurückgreifen.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Themenfotografie
- Aerophotogrammetrie
- Messbildkamera
- Luftaufklärung
- Kite Aerial Photography
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Zur Technik der Luftbildfotografie
- Adolf Miethe: Bauingenieurwesen, Küstenbefeuerung, Luftbilderkundung. (= Die Technik im zwanzigsten Jahrhundert; Band 5). Westermann, Braunschweig 1920 (Digitalisat)
- Vorschrift D.(Luft) 1102. Anleitung für den Unterricht im Luftbildlesen. 1943
- Rudi Ogrissek (Hrsg.): Kartenkunde Brockhaus ABC. VEB F. A. Brockhaus, Leipzig 1983
- Winfried Welzer: Luftbilder im Militärwesen. Militärverlag der DDR, Berlin 1985
- Ernst A. Weber: Fotopraktikum. Birkhäuser, Basel u. a. 1997, ISBN 3-7643-5677-4
[Bearbeiten] Bildbände mit Luftbildfotografien
- Georg Gerster: Die Welt rettet Abu Simbel (1968). Verlag Koska.
- Georg Gerster: Brot und Salz (1980). ISBN 3-7643-1692-6.
- Georg Gerster: Flug in die Vergangenheit – Archäologische Stätten der Menschheit in Flugbildern (2003). ISBN 3-8296-0094-1.
- Jürgen Hohmuth: Labyrinthe & Irrgärten (2003). ISBN 3-89405-618-5.
Bilder aus einem Kleinzeppelin - Yann Arthus-Bertrand: Die Erde von oben. Ein Jahrhundert- Projekt (2003). ISBN 3-89405-408-5.
- Yann Arthus-Bertrand: Die Erde von oben - Tag für Tag - 1 (2002). ISBN 3-89660-104-0.
- Yann Arthus-Bertrand: Die Erde von oben - Tag für Tag - 2 (2003). ISBN 3-89660-181-4.
- Heinz Peter Brogiato und Luise Grundmann: Mitteldeutschland in frühen Luftbildern. Lehmstedt Verlag, Leipzig 2005, ISBN 3-937146-20-2
- Eugen Diesel (Hrsg): Land der Deutschen. Bibliografisches Institut, Leipzig 1933
- Dirk Laubner: Berlin aus der Luft, Nicolai-Verlag, Berlin 2004
- Dirk Laubner: Potsdam aus der Luft, " "
- Dirk Laubner, Köln aus der Luft, " "
- Dirk Laubner, Deutschland aus der Luft, "
- Dirk Laubner, München und Oberbayern aus der Luft "
- Peter Schneider: Spione am Himmel, Alliierte Luftbildaufklärung im Raum Wittgenstein während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Erndtebrück 1996, ISBN 3-87816-092-5.
[Bearbeiten] Weblinks
- Deutscher Luftbildring : Deutschlands führender Zusammenschluss von Luftbildfotografen
- moderne Luftbildfotografie mit Quadrocopter
- Schwerelos fotografieren aus beliebiger Perspektive
- Luftbilddatenbank: Sammlung historischer Luftbilder 1939-1953 Kostenpflichtig!
- Thematische Sammlung von Luftaufnahmen weltweit
- Erfahrungen mit Fesseldrachen-Luftbildfotografie
- The Aerial Reconnaissance Archive
- BGH, Urteil vom 9. Dezember 2003, AZ: VI ZR 373/02, - Luftbildaufnahmen vom Ferienhaus
- Flächendeckende Luftbilder von über 170 Städten in Deutschland
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