Neid
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Unter Neid versteht man das ethisch vorwerfbare, gefühlsmäßige (emotionale) Verübeln der Besserstellung konkreter Anderer. Ähnlich, aber ungebräuchlicher ist der Begriff Missgunst. Fehlt es am ethischen Vorwurf, spricht man auch von Unbehagen gegenüber Überlegenheit, die man selber gerne hätte und nicht zu erreichen vermag. Will man Neid rechtfertigen, so ist eher von einem Streben nach Gleichheit die Rede. Wie andere Gefühle auch, hat der Neid Vorteile für den, der ihn hegt.
Das Gegenteil des Neides ist die Gunst.
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Nähere Bestimmung
Neidisch ist mithin jemand (der „Neider“), den ein Besitztum oder Vorzug anderer - auch unbewusst - kränkt (ein Minderwertigkeitsgefühl auslöst). Das Ziel des Neides ist dementsprechend, den beneideten Vorzug auszugleichen (nicht primär, ihn an sich zu bringen; das wäre dann z. B. Habsucht). Neid kann sich nicht nur auf Besitztümer beziehen, sondern ebenso auf beispielsweise biologisch (Gesundheit) oder kulturell (Schönheit) geprägte Merkmale wie auch direkt auf den sozialen Status (der „Klassenbeste“, der „Torschützenkönig“). In gesteigerter Form kann der Neid für Beneidete gefährlich werden, wenn er zur Triebkraft destruktiven Handelns wird.
Evolutionstheorie
Die Evolutionstheorie von François Lelord vertritt die These, der Neid - hier einzig im Sinne eines emotionalen Verhaltens - diene der Optimierung des Überlebens von Gruppen. Die Emotion Neid wäre dann ein biosozial abgestützter Mechanismus im Gruppenleben.
Es werden folgende Überlegungen vertreten:
- „Neid“ begünstige insbesondere die Entstehung von Ehrgeiz, um durch eigene Anstrengungen und eigenen Erfolg mit dem „Beneideten“ gleichzuziehen. Dieser positive Wettbewerb erhöhe die Überlebenschancen.
- Neid begünstige die Entwicklung von Fairness in einer Gruppe, weil er die Empfindlichkeit für Ungleichheiten innerhalb der Gruppe steigere, damit den Gerechtigkeitssinn [umstritten]. Fairness in einer Gruppe verhindere unnötige Streitereien und daraus folgende Verletzungen. Dadurch erhöhe sich die Überlebenschanche der gesamten Gruppe.
Bewertung des Neides in Religionen
In der Bibel wird Neid an mehreren Stellen verurteilt, z. B. Römer 1,29; 1.Timotheus 6,4; Titus 3,3; 1.Petrus 2,1; Jakobus 3,14+16, Galater 5,21. Der Neid gehört seit dem späten 6. Jahrhundert zu den sieben Hauptsünden (siehe auch zur Abgrenzung Todsünden) der Römisch-Katholischen Kirche.
Im Hinduismus wird gesellschaftliche Ungleichheit als Folge des individuellen spirituellen Karmas dargestellt und Neid lediglich als das nicht akzeptierte Karma bzw. Schicksal, das der Welt der Kasten entgegensteht. Danach kann nur ein spirituell-esoterischer Aufstieg nach dem Anerkennen des eigenen Karmas erfolgen, der einen in eine höhere Kaste nach einer späteren Wiedergeburt bringt, oder ganz im Jenseits. Als Anti-Neid-Konzept ist der Hinduismus sehr populär bei den durch das Karma weniger benachteiligten und bestimmt so den Großteil der Welt von 850 Millionen Hinduisten.
Sozialneid
Unter Sozialneid versteht man den Neid in einem sozialen Milieu auf eine - auch nur vermeintlich - besser gestellte Gruppierung (Bezugsgruppe). Er kann sich sowohl auf Privilegien als auch auf Besitz beziehen. „Neid“ wird in diesem Zusammenhang auch als polemischer Kampfbegriff gegen Soziale Bewegungen (historisch z. B. gegen die Arbeiterbewegung) benutzt, um den eignen Vorzug (das eigene Privileg) zu wahren. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, ein Wunsch nach Gleichheit entspränge dem Neid, und dieser rühre aus der Unfähigkeit der Neider her, durch Leistung den beneideten Vorzug selber zu erringen. Häufig verwenden Verteidiger der besser gestellten Gruppierung in diesem Zusammenhang den Ausdruck „Ihr seid ja neidisch!“ .
Volkskundliches
Sogenannte Neidköpfe, meist angebracht an Giebeln, sollten dem Volksglauben nach das Unheil und Böse abwehren. Die bösen Mächte und Geister sollten den Menschen in den damit bedachten Gebäuden nichts neiden und sie damit nicht gegen die Bewohner aufbringen.
Um dem Neid von Nachbarn zu entgehen, haben in den 1950er Jahren, als ein Fernseher noch etwas Kostbares war, Menschen ihre Fernsehantenne nicht auf dem Dach, sondern verborgen auf dem Dachboden angebracht und lieber den schlechteren Empfang in Kauf genommen.
Siehe auch
- Habsucht, Eifersucht, Zorn, allgemein: Emotion
- Neidgenossenschaft
- „Futterneid“
Zitate
- Sokrates: Freunde beseitigen den Neid, indem sie ihre Güter dem Freunde anbieten oder indem sie die seinen als die ihren ansehen.
- Molière: Die Neider sterben, nimmer stirbt der Neid.
- Schopenhauer: In Deutschland ist die höchste Form der Anerkennung der Neid.
- Oscar Wilde: Die Anzahl unserer Neider bestätigt unsere Fähigkeiten.
- Wilhelm Busch: Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung.
- Norman Mailer: Erfolg ist nur halb so schön, wenn es niemanden gibt, der einen beneidet.
- unbekannt: Neid ist das böse Wort, das die Besitzenden für den Gerechtigkeitssinn der Armen gefunden haben.
- Redensart: Mitleid bekommst Du geschenkt, Neid musst Du Dir redlich verdienen.
- Schoeck (siehe unten): ein Beneidenswerter hält jemanden, der schwach ist, neben sich - um abzulenken / Neid abzuwenden
Literatur
- Helmut Schoeck: Der Neid : eine Theorie der Gesellschaft, Alber, Freiburg 1966 oder Herder, Freiburg 1968
- François Lelord: Die Macht der Emotionen und wie sie unseren Alltag bestimmen. Piper-Verlag, München / Zürich 2006, ISBN 978-3-492-24631-6
- Olaf Lippke: Anatomie des Neides. WiKu-Verlag, Duisburg 2006, ISBN 978-3-86553-179-7
- Rainer Paris: Neid. Zur Politik eines Gefühls, in: Merkur, 2006, S. 1046-1060
- Gerhard Schwarz/ (Hrsg.): Neidökonomie : Wirtschaftspolitische Aspekte eines Lasters. NZZ-Verlag, Zürich 2000, ISBN 3-85823-859-7
Weblinks
- Eintrag (englisch) in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (inkl. Literaturangaben)
- Friedhelm Decher: Neid. Über die Macht des „gelben Monsters“, philosophiegeschichtlicher Essay im Marburger-Forum, Heft 3/2005
- Nährstoff des Neides, Gert Heidenreich (Kanzelrede; PDF-Datei; 64 KB)
Wortumfeld
Im Altnordischen war ein „Neiding" etwa ein ehrloser Feigling.