Ordnungspolitik
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Ordnungspolitik bezeichnet im weiteren Sinne einen Analyse- und Denkansatz der Politik. Im engeren Sinne bezeichnet Ordnungspolitik alle staatlichen Maßnahmen, die auf Rahmenbedingungen des Wirtschaftens, besonders der Aufrechterhaltung und der Regelung der inneren und äußeren Ordnung und der (Rechts-)Sicherheit, die Erhaltung, die Anpassung und Verbesserung der Wirtschaftsordnung gerichtet sind. Dazu gehören insbesondere:
- die Eigentumsordnung
- die rechtlichen Regelungen zur Gewährleistung wirtschaftlichen Wettbewerbs (Verbot von Kartellen, Absprachen etc., Kontrolle der Werbe- und Verkaufspraktiken etc.) (Wettbewerbspolitik)
- die Regelung des Vertrags- und Haftungsrechts
- Tarif- und Arbeitsmarktordnung
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Ordnungspolitik vs. Prozesspolitik
Wirtschaftspolitik lässt sich in zwei Bereiche aufteilen: Die Ordnungspolitik gestaltet den rechtlichen (Ordnungs-)Rahmen, die Regeln, innerhalb dessen der Wirtschaftsprozess abläuft. Dies geschieht zum Beispiel durch die gesetzliche Sicherung von Privateigentum und die Gewährleistung der Vertragsfreiheit, aber auch durch die Einschränkung der Vertragsfreiheit, etwa durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder das sogenannte Antidiskriminierungsgesetz. Ordnungen sind vor allem Anreizsysteme, die das Verhalten der Menschen lenken. Zur ordnungspolitischen Verfasstheit eines Staates gehören allgemeine Regeln, die die gesamte Gesellschaft bzw. Volkswirtschaft betreffen und Rahmenbedingungen, die für spezielle Bereiche der Wirtschaft gelten, also alle Maßnahmen, die der Gestaltung und Weiterentwicklung des Ordnungsrahmens dienen, u. a. die Wettbewerbspolitik, die die Unternehmens- und die Eigentumsordnung gestaltende Politik, außerdem die Verteilungs- und Sozialpolitik sowie die Geldordnung. Ordnungspolitische Entscheidungen haben häufig Verfassungsrang. Die Wirtschaftsordnung ist Ergebnis des Zusammenwirkens der rechtlich fixierten Wirtschaftsverfassung, der gewachsenen kulturellen und sittlich-moralischen Werte und Regeln sowie der realisierten Wirtschaftspolitik. Ordnungspolitik und die daraus resultierende Wirtschaftsordnung nehmen folglich eine Schlüsselrolle für die Lebensgestaltung der Menschen ein.
Die Prozesspolitik hingegen greift unmittelbar und steuernd in die wirtschaftlichen Abläufe ein, um bestimmte Ziele zu erreichen, z.B. gewährt der Staat einen Kredit oder eine Bürgschaft für ein von Insolvenz bedrohtes Unternehmen. Staatliche Eingriffe in den Prozess der Selbststeuerung des Marktes, also der eigenständigen Abstimmung der Bedürfnisse von privaten Haushalten und Unternehmen, werden in der Regel nicht marktkonform vorgenommen. Sie verändern die Funktionsmechanik der Marktwirtschaft etwa durch Eingriffe in die Preismechanik, z. B. durch Mindest- und Höchstlöhne, durch Steuern und Subventionen. Empirische Beobachtungen zeigen, dass Interventionen immer neue Interventionen nach sich ziehen (Interventionsspiralen). Prozesspolitik entsteht meist aus diskretionärem Spielraum der Verwaltung.
[Bearbeiten] Denkansatz
Ordnungspolitik bezeichnet einen eigenen Denkansatz, der die Rahmenbedingungen in einem bestimmten Sinne setzen will. Der Staat soll nur jene Aufgaben übernehmen, die tatsächlich ein gesellschaftliches Problem darstellen und die er mit seinen Mitteln auch lösen kann. Ordnungspolitik orientiert sich am Äquivalenzprinzip. Der ordnungspolitische Denkansatz bevorzugt Anreizsysteme vor Umverteilungsmechanismen. Knappe Güter lassen sich aus ordnungspolitischer Sicht immer auf vier grundsätzliche Arten zuteilen:
- über demokratische Entscheide
- über eine Zuteilung durch eine Behörde
- über Verhandlungen zwischen Interessengruppen
- über einen Preismechanismus
[Bearbeiten] Ordnungspolitik und Wirtschaftsordnung
Ordnungspolitik prägt maßgeblich die Wirtschaftsordnung und ist daher von nicht zu unterschätzender Bedeutung. So hängen erstens von der Ordnung die Freiheit des Einzelnen und die Entfaltungsmöglichkeit der wirtschaftlichen Kräfte ab, z.B.: Kann ich meinen Lohn frei verhandeln oder bin ich an Tarife gebunden? Darin ist zweitens enthalten, dass die durch die Ordnungspolitik geschaffenen Regeln das Verhalten der Menschen steuern; zum Beispiel entscheiden sich wegen der Steuer- und Abgabenlast in Deutschland vielfach Menschen, „schwarz“ zu arbeiten oder arbeiten zu lassen. Damit geht drittens von der Ordnungspolitik eine entscheidende Prägekraft auf die Gesellschaft aus, zum Beispiel, ob ich für meine Lebensumstände selbst verantwortlich bin oder der (Sozial-)Staat? Wie unterschiedlich diese Prägung ausfallen kann, zeigen die Geschichte der DDR, gekennzeichnet durch das autoritäre SED-Regime und die Planwirtschaft, die der BRD mit demokratisch gewählten Regierungen und der Sozialen Marktwirtschaft oder jene der USA, Chinas und Großbritanniens.
[Bearbeiten] Literatur
- Helmut Woll, Kontroversen der Ordnungspolitik, München 1999
- Alfred Schüller / Hans-Günter Krüsselberg (Hg.): Grundbegriffe zur Ordnungstheorie und Politischen Ökonomik, 6. durchgesehene und ergänzte Auflage, Marburg 2004.
- ORDO. Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft.
[Bearbeiten] Siehe auch
Wirtschaftsordnung, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftssystem, Wirtschaftsverfassung, Prozesspolitik