Pablo Neruda
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Pablo Neruda (eigentlich Ricardo Eliezer Neftalí Reyes Basoalto; * 12. Juli 1904 in Parral, Linares, Chile; † 23. September 1973 in Santiago de Chile) war ein chilenischer Dichter und Schriftsteller, der sich vor allem gegen den Faschismus in seinem Heimatland und in Spanien einsetzte. 1971 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
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[Bearbeiten] Biografie
Neruda war Sohn des Lokomotivführers José del Carmen Reyes und der Volksschullehrerin Rosa Neftalí Basualto. Schon während der Schulzeit verfasst er Gedichte. Ab 1920 benutzt er das Pseudonym Pablo Neruda in Anlehnung an den tschechischen patriotischen Dichter Jan Neruda, dessen sozialkritische Werke er sich aus lateinamerikanischer Sicht zum Vorbild für die eigene Arbeit nimmt. Von 1921 bis 1926 studiert er Französisch und Pädagogik in Santiago de Chile, 1923 veröffentlichte er sein erstes selbstfinanziertes Buch.
[Bearbeiten] Erster Europa-Aufenthalt
1927 ging Neruda nach Spanien und wurde 1935 dort Konsul in Madrid. Er befreundete sich mit dem spanischen Schriftsteller Federico García Lorca; mit ihm und anderen Redakteuren zusammen brachten sie die Zeitschrift „Grünes Pferd“ heraus. Bis zum Jahre 1936 waren fünf Ausgaben erschienen, die sechste, bereits fertig geschriebene und redigierte, sollte am 19. Juli 1936 erscheinen, dazu kam es aber nie. Am 17. Juli begann der Spanische Bürgerkrieg durch den Putsch von General Francisco Franco. García Lorca wurde erschossen und Neruda entschloss sich, aktiver gegen die Putschisten vorzugehen. Obwohl er als Konsul zur absoluten Neutralität verpflichtet war, schloss er sich Ende Juli den von der rechtmäßigen Regierung ausgestatteten Volksmilizen an – seine Werke bekamen zunehmend politischen Inhalt und die Zeitschrift „Das Grüne Pferd“ erschien wieder, jetzt mehr ein Kampfblatt denn ein poetisches Blatt.
Als Anfang November 1936 die Putschisten vor den Toren Madrids stehen, muss Neruda nach Paris fliehen. Sein erster Weg führte ihn dort zur chilenischen Botschaft, in der er seines Postens als Konsuls aufgrund "Verstoßes gegen die Neutralität" enthoben wurde. Neruda war das nur recht, da er sich nun öffentlich gegen die widerrechtliche Machtergreifung durch Francos Putschisten widmen konnte. Zu dieser Zeit schrieb Neruda seinen Gedichtzyklus España en el corazón.
Er fand sich mit einer Gruppe spanischer Politiker, Künstler und Journalisten zusammen, darunter unter anderem Pablo Picasso und Nancy Cunard. Gemeinsam arbeiteten sie daran, das Unrecht in ihrer Heimat an die Öffentlichkeit zu tragen. Zusammen mit Cunard brachte er einen Lyrikband mit dem Titel „Die Dichter der Welt verteidigen das spanische Volk“ heraus. Aufgrund Geldmangels setzte und druckte Neruda die Gedichte selbst. Allerdings mangelte es ihm dabei an Geschick, er setzte den Buchstaben „p“ meist umgekehrt, so dass in einem Vers das Wort „papados“ (Papsttum) regelmäßig zu dadapo wurde. Noch Jahre später soll Nancy Cunard ihn in Briefen mit „Mein lieber Dadapo“ angeredet haben.
[Bearbeiten] Rückkehr nach Chile
1938 kehrte Neruda nach Chile zurück und fand eine Anstellung als Redakteur bei der Zeitschrift „Aurora de Chile“. Viele seiner Artikel widmete er der verhängnisvollen Entwicklung des weltweiten Faschismus. Er organisierte eine Buchspende an die Nationalbibliothek in Form von über 500 Titeln von deutschen Schriftstellern wie Heinrich Heine, Thomas Mann und Bertolt Brecht, deren Werke zum Teil in Deutschland vom Hitler-Regime öffentlich verbrannt worden waren. Das Nationalmuseum lehnte die Spende zunächst ab, doch Neruda blieb beharrlich und bat unangekündigt während eines Staatsbanketts den Außenminister Chiles, Don Miguel Cruchaga Tocarnal, die Buchspende anzunehmen, was dann auch tatsächlich geschah.
Als 1939 die Arbeiterpartei an die Regierung kam, wurde Neruda damit betraut, nach Paris zu reisen und spanische Emigranten, die vor Franco flüchten mussten, für die Einreise nach Chile zu begeistern. Er blieb mehrere Monate in Paris und brachte diverse spanische Flüchtlinge mit dem Passagierdampfer „Winnipeg“ zurück. Wieder in Chile ermöglichte ihm die Regierung die mehr oder weniger freie Wahl, welche diplomatische Aufgabe er übernehmen wolle. Er entschied sich für den Posten als Generalkonsul von Mexiko. Nach drei Jahren bat Neruda um seine Entlassung aus dem diplomatischen Dienst; er wollte wieder zurück nach Chile und sich dem Schreiben und der Politik seines eigenen Landes widmen. 1943 kehrte er nach Santiago de Chile zurück.
Er trat 1943 in die Kommunistische Partei Chiles ein und ließ sich als Kandidat für den Senat aufstellen. Viele seiner ehemaligen Bekannten wandten sich deshalb von ihm ab, sie nannten ihn einen Querkopf und linken Spinner sowie Sektierer. Neruda ließ sich davon nicht beirren, gewann seine Wahl mit überwältigender Mehrheit und zog 1945 unter Präsident Gabriel González Videla als Senator ins Parlament ein.
[Bearbeiten] Kritik am Regime und Exil in Europa
Als Videla nach seiner Wahl seine politische Positionen änderte, leistete Neruda zunehmend Widerstand. Als Senator genoss er parlamentarische Immunität – niemand konnte ihn vor Gericht stellen oder verhaften, solange er ein gewählter Volksvertreter war. Neruda nutzte diese Situation und seine Reden gegen Videla wurden immer angriffslustiger, am Ende kritisierte Neruda ihn in einer öffentlichen Rede aufs schärfste: „Sie haben das Volk, durch dessen Stimme Sie Präsident geworden sind, belogen und betrogen. Statt die Armut zu bekämpfen, wie Sie es versprochen haben, festigen Sie nur die Macht der wenigen Reichen, die das Volk aussaugen wie Vampire“.
Videla war nicht geneigt, einen zweiten derartigen Auftritt Nerudas zuzulassen; die Mehrheit der Volksvertretung hob auf Wunsch des Präsidenten die Immunität Nerudas auf und sofort wurde ein Haftbefehl erlassen. Wie in Madrid entkam Neruda in letzter Minute aus der Stadt. Die nächsten Eineinhalb Jahre lang wechselte Neruda fast täglich seine Behausung. Obwohl die Polizei stets nach ihm fahndete, fand er immer einen Unterschlupf – die Bevölkerung, vor allem die einfachen Leute, liebten ihren Dichter, der im Parlament dem Präsidenten so mutig die Wahrheit gesagt hatte. Während dieser Zeit schrieb Neruda wesentliche Teile seines bedeutendsten Werkes „Canto General“ (Der große Gesang) – 15.000 Verse, in denen er Wesen und Geschichte des amerikanischen Kontinents von der Vorzeit bis zur Gegenwart deutete.
In Sorge um Nerudas gesundheitlicher Verfassung aufgrund der ständigen Flucht brachte sein Freund Ricardo Fonseca Neruda zusammen mit Galo Gonzáles, dem Parteiführer der inzwischen verbotenen Kommunisten, der auch im Untergrund lebte. Gonzáles organisierte die Flucht Nerudas über einen unbewachten Grenzabschnitt nach Argentinien. In Buenos Aires traf Neruda auf seinen Freund, den Schriftsteller Miguel Angel Asturias, der ihm seinen Pass aushändigte und so die Auswanderung nach Europa ohne Komplikationen ermöglichte.
Neruda suchte Paris zum dritten mal auf, hier wurde er von seinen alten Freunden begeistert aufgenommen. Durch Vermittlung von Pablo Picasso erhielt er einen französischen Pass. In den folgenden Jahren tritt er überall in Europa, aber auch in der Sowjetunion, Indien und China zu Friedenskongressen und politischen Debatten auf. Die chilenische Regierung verfolgte Neruda aber nach wie vor und übte starken Druck auf die französische Regierung aus, seinen Pass einzuziehen. Neruda drohte die Auslieferung nach Chile, weshalb er Frankreich verlassen musste.
[Bearbeiten] Erneute Rückkehr nach Chile
1952 wurde in Chile gewählt und Videla verlor das Präsidentschaftsamt an Carlos Ibáñez del Campo, der schon in den 1920er-Jahren Präsident gewesen war und damals ein soziales Reformwerk begründet und die Staatsfinanzen saniert hatte. Auf diplomatischen Kanälen ließ die Regierung Neruda wissen, dass er in Chile wieder willkommen sei. Gemeinsam mit seiner Frau Mathilde, die er im Exil kennengelernt und geheiratet hatte, kehrte er nach Chile zurück und veröffentlichte 1953 „Canto General“. Die nächsten fünf Jahre widmete er sich ausschließlich seinem dichterischen Schaffen, anschließend reiste er wieder um die Welt und trat zu Konferenzen und Debatten auf.
1969 wird Neruda von der Kommunistischen Partei als Präsidentschaftskanditat nominiert, er verzichtet aber zugunsten des vom Wahlbündnis Unidad Popular favorisierten Sozialisten und Nerudas Freund Salvador Allende. 1970 gewinnt Allende die Präsidentschaftswahlen und überredet Neruda, Botschafter in Paris zu werden. Trotz seiner mittlerweile angegriffenen Gesundheit willigte er ein, aber musste sich schon nach wenigen Monaten einer Operation unterziehen. Noch während seiner Genesung wurde ihm 1971 der Nobelpreis für Literatur „für eine Poesie, die mit der Wirkung einer Naturkraft Schicksal und Träume eines Kontinents lebendig macht“ verliehen. Wenig später kehrte Neruda nach Chile zurück; sein Gesundheitszustand verschlechterte sich stetig.
Am 23. September 1973 erliegt Neruda einem Krebsleiden. Nach seinem Tod wird Nerudas Haus vom Militär geplündert und zerstört.
Nerudas Begräbnis, welches in dieser Form wohl nur wegen der Anwesenheit ausländischer Kamerateams möglich war, wird zum ersten großen öffentlichen Protest gegen die Militärjunta. Am 25. September 1973 werden in Santiago de Chile Nerudas sterbliche Überreste zwischen zwei Reihen von bewaffneten Soldaten zu Grabe getragen. Ein "Vorrufer" ruft laut in die Menge "¡Camarada Pablo Neruda!", die Menge antwortet mit "¡Presente!", dann wieder "¡Camarada Pablo Neruda!" - "¡Presente!" und schließlich "¡Camarada Pablo Neruda!" - "¡Presente, ahora y siempre!", also "Genosse Pablo Neruda!" - "Anwesend!", "Genosse Pablo Neruda!" - "Anwesend!", "Genosse Pablo Neruda!" - "Anwesend, jetzt und immer!". Das gleiche Spiel wiederholt sich mit "¡Camarada Salvador Allende!" und "¡Compañero Víctor Jara!". An seinem Grab wird die Internationale gesungen. Die Schriftstellerin Isabel Allende beschreibt in ihrem Roman Das Geisterhaus folgerichtig das Begräbnis als "symbolisches Begräbnis der Freiheit".
Wegen der ausdrücklich politischen (kommunistischen) Aspekte in seinem Werk wurde Neruda, der sich selbst als Dichter des Volkes bezeichnete, in vielen Kreisen der BRD bis in die 1960er Jahre ignoriert. Im Gegensatz dazu gibt es in der DDR bereits 1949 eine erste Veröffentlichung von Gedichten ("Beleidigtes Land"). Die Stimmung ändert sich erst im Zuge der großen, weltweiten Sympathie für Chile nach dem Militärputsch 1973. Bis dahin gibt es keine vollständige Ausgabe der Gedichte Nerudas in der BRD.
Seines Lebens wurde unter anderem in Antonio Skármetas semi-biographischem Roman "Mit brennender Geduld" gedacht, der zuletzt von Massimo Troisi mit Philippe Noiret verfilmt wurde ("Der Postmann").
[Bearbeiten] Werke (Auswahl)
- 1923 Crepusculario // Dämmerung
- 1924 Veinte poemas de amor y una canción desesperada // Zwanzig Liebesgedichte und ein Lied der Verzweiflung
- 1933 Residencia en la tierra // Aufenthalt auf der Erde
- 1937 España en el corazón // Spanien im Herzen
- 1948 Obras poéticas // Poetische Arbeiten
- 1950 Canto General // Der Große Gesang (wörtlich: der allgemeine Gesang)
- 1953 Los Versos del Capitán // Die Verse des Kapitäns
- 1953 Poesía política // Politische Poesie
- 1954 Las Uvas y el Viento // Die Trauben und der Wind
- 1960 Poesías: Las piedras de Chile // Poesien: Die Steine Chiles
- 1964 Memorial de Isla Negra // Memorial von Isla Negra
- 1970 Las piedras del cielo // Die Steine des Himmels
- 1973 // Die Satrapen
- 1973 Confieso que he vivido // Ich bekenne, ich habe gelebt (Autobiographie) ISBN 3630620418
[Bearbeiten] Literatur
- Eberhard Hungerbühler: Pioniere für den Frieden, 1983, ISBN 3-8000-3188-4
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Pablo Neruda im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1971 für Pablo Neruda (englisch)
- http://www.3sat.de/denkmal/aufloesung/22122/
- http://mitglied.lycos.de/pablooo/
- http://www.uni-koblenz.de/~zfuww/mfbi/homepages/Martir/
- http://www.angelfire.com/co2/coditos0/ spanisch: su obra - su vida / indice alfabético
- http://www.neruda.cl // Fundación Pablo Neruda (Seite auf Spanisch und englisch mit Infos, Bildern und Videos; für die Seite wird ein Flashplayer benötigt)
- http://www.freitag.de/2004/29/04291701.php // zum 100. Geburtstag
- http://mitglied.lycos.de/pablooo/obras.htm
- http://www.didaz.ewf.uni-erlangen.de/Blau%20Buch.htm Neruda Blau - ein literarisches Spiel mit "der schönsten aller Farben"
- http://www.erasmuspc.com/index.php?option=com_content&task=view&id=257&Itemid=81 Pablo Neruda MauerGedicht "Pido Silencio" ("I Request Silence") in Santiago (englisch)
- http://www.erasmuspc.com/index.php?option=com_content&task=view&id=264&Itemid=81 MauerGedichte von Pablo Neruda in Lissabon]
Personendaten | |
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NAME | Neruda, Pablo |
ALTERNATIVNAMEN | Ricardo Eliecer NeftalÍ Reyes Basoalto |
KURZBESCHREIBUNG | chilenischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 12. Juli 1904 |
GEBURTSORT | Parral, Chile |
STERBEDATUM | 23. September 1973 |