Rückversicherung
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Rückversicherung (Reassekuranz) findet statt, wenn die Deckung für ein Einzelrisiko oder ein ganzes Portefeuille (Vielzahl von Einzelrisiken mit gemeinsamen Merkmalen) ganz oder teilweise unter den ursprünglichen oder neuen Bedingungen von einem Versicherer - auch "Erstversicherer" genannt - (im allg. einer Versicherungsgesellschaft) auf einen anderen Versicherer (meist eine spezielle Rückversicherungsgesellschaft) übertragen (zediert) wird und zwar ohne Auflösung der ursprünglichen Versicherung. Dieser Vertrag wird also nicht geändert, und der erste Versicherer bleibt dem Versicherten alleine für Zahlungen aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet. Er bekommt aber Teilbeträge der zu zahlenden Schäden von dem Rückversicherer zurückerstattet, soweit das versicherte Risiko in der Rückversicherung gegeben war, und entsprechend Prämie dafür gezahlt wurde. Aus diesen Gründen bezeichnet man die Rückversicherung auch als "die Versicherung der Versicherer" (In § 779 Abs. 1 HGB (Seehandelsrecht) ist Rückversicherung definiert als Versicherung der vom Versicherer übernommenen Gefahr).
[Bearbeiten] Organisatorische Vorteile des Rückversicherungswesens
Rückversicherungen tragen dadurch, dass sie die Last des Risikos auf mehrere Versicherer verteilen, zur größeren Stetigkeit und Sicherheit des Geschäfts bei. Sie erlauben es dem Versicherer, auch für große Risiken (wie Flugzeuge, Industriebetriebe oder auch die Haftpflicht ganzer Konzerne) die Deckung zu übernehmen. Der Versicherte muss also nicht Verträge mit verschiedenen Versicherungsunternehmen abschließen. Viele große Konzerne verfügen über eigene Versicherungsgesellschaften (Captives). Diese haben direkten Zugang zum Rückversicherungsmarkt und können dort Teile ihres Risikoportefeuilles rückversichern lassen. Allgemein unterscheidet man zwischen obligatorischer (vertraglicher) Rückversicherung und fakultativer Rückversicherung (Rückversicherung auf Einzelfallbasis). Bei der obligatorischen Rückversicherung werden ganze Versicherungsbestände eines Erstversicherers rückversichert, die fakultative Rückversicherung beschäftigt sich hingegen mit der Höherdeckung eines einzelnen speziellen Risikos.
Man unterscheidet bei Rückversicherungsverträgen zwischen quotaler Risikoteilung, bei der Prämie und Schäden zu gleichen Anteilen übernommen werden, und nichtproportionaler Risikoteilung, bei der die Schäden bis zu einer bestimmten Schadenhöhe im Selbstbehalt des Erstversicherers verbleiben, und der darüber hinausgehende Anteil vom Rückversicherer übernommen werden.
Es gibt vielfältige Vertragsformen; die wichtigsten sind die Quotenrückversicherung sowie die Rückversicherung auf Basis eines sog. Schadenexzedenten.
Rückversicherungen sind auf dem Gebiet der Seetransport-Assekuranz schon im 14. Jahrhundert in Italien nachzuweisen. Nach der Entdeckung der neuen Welt waren Amsterdam und London wichtige Plätze des Rückversicherungswesens. Später wurden sie auf viele andere Zweige des Versicherungswesens angewendet.
Heute sind sie nicht nur für die durch zunehmende Konzentration an Werten und Versicherungsdeckungen immer größeren Schadenersatzzahlungen nach Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Wirbelstürmen von Bedeutung. Bislang größtes Schadenereignis dürften hier die von Hurrikan Katrina verursachten Schäden werden. Der versicherte Schaden wird z. Zt. auf ca. 34,4 Mrd. US-Dollar geschätzt (Quelle: PCS); dazu kommen noch die Schäden an den Ölförderanlagen vor der Küste mit ca. 5 Mrd. US-Dollar (zum Vergleich: zuvor war Hurrikan Andrew 1992 mit versicherten Schäden in Höhe von ca. 21,5 Mrd. US-Dollar (umgerechnet in Preisen von 2004) das größte Schadenereignis aus Naturkatastrophen). Von dem Gesamtschaden dürften etwa 2/3 von den Rückversicherern zu tragen sein.
Aber auch vom Menschen verursachte Katastrophen führen zu immer höheren Schadensummen. Seit den WTC-Anschlägen hält dieses Ereignis mit ca. 20 Mrd. US-Dollar versicherten Schäden den Rekord als kostspieligstes Einzelereignis. Die Summe der versicherten Schadenzahlungen für Erkrankungen durch Asbestexposition (u.a. Asbestosis) erreicht sogar, allerdings verteilt auf viele Jahre, ein Vielfaches dieser Größenordnung (die Ratingagentur Standard & Poor's schätzt, dass bislang Schäden in Höhe von 54 Mrd. US-Dollar bekannt sind und rechnet mit einer Gesamtschadenbelastung von bis zu 200 Mrd. US-Dollar).
Rückversicherungsgesellschaften gehören heute zu den größten Versicherungsgesellschaften überhaupt. Die Münchener Rück war dabei über viele Jahre hinweg die weltweit größte Rückversicherungsgesellschaft (die Swiss Re der größte Lebensrückversicherer), bis im Herbst 2005 die Ankündigung erfolgte, dass die Swiss Re die zu General Electric gehörende Employers Reinsurance Corporation übernehmen wird. Mit Abschluss der Transaktion, der im ersten Halbjahr 2006 erwartet wird, rückt die Swiss Re auch außerhalb der Lebensrückversicherung zum weltgrößten Rückversicherer auf und verdrängt damit die Münchner Rück auf den zweiten Platz.
[Bearbeiten] Die größten Rückversicherer 2004
(vorläufige Zahlen - Quelle welt.de):
- 1. Swiss Re - Schweiz (€ 29,4 Mrd. Bruttobeitragseinnahmen)
- 2. Münchener Rück- Deutschland (22,4)
- 3. Berkshire Hathaway / General Re - USA (11)
- 4. Hannover Rück - Deutschland (10,1)
- 5. Everest Re – Bermuda (4,5)
- 6. Converium – Schweiz (4,1)
- 7. Partner Re – Bermuda (3,9)
- 8. Transatlantic Re – USA (3,7)
- 9. XL Capital – Bermuda (3,6)
- 10. RGA – USA (3,3)
- 11. SCOR – Frankreich (3,3)
Der Weltmarkt hat ein Volumen von rund € 135 Mrd., von denen rd. 80 % auf die schadenträchtige Nichtlebensrückversicherung entfällt. Größter Einzelmarkt sind die USA mit 42 %. Die deutschen Anbieter haben einen Marktanteil von rd. 26 %. Insgesamt ist eine zunehmende Konzentration zu beobachten: betrug der Marktanteil der 20 größten Rückversicherer 1990 erst 39 %, so liegt er 2004 bei 74 %, für die fünf größten sind die entsprechenden Werte 21 % und 45 %.
z.T. aus: Meyers Konversationslexikon, 4. Auflage 1888/89
Anmerkung: Die von Rückversicherungen gezeichneten Verträge sind nicht zu verwechseln mit dem Rückversicherungsvertrag, einem Geheimabkommen zwischen dem Deutschen Reich und Russland.