Radierung
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Radierung (lat.: radere = kratzen, wegnehmen, entfernen) bezeichnet ein grafisches Tiefdruckverfahren der künstlerischen Druckgrafik
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Grundlagen
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Für den Tiefdruck werden der glatten, ebenen Oberfläche einer Druckplatte Verletzungen in Form von Linien oder Punkten zugefügt (Radieren). Dazu verwendet man die Radiernadel.
Es gibt es zwei verschiedene, prinzipielle Arten von Radierung, was die Herstellung der Druckplatte betrifft:
- Kaltnadelradierung, bei der die Zeichnung mit der eingeprägt wird
- Ätzradierung, bei der die Zeichnung eingeätzten wird.
Die Druckplatte behält nach der Verletzung die ebene Form bei. Die bei der Verletzung entstandenen Vertiefungen der Platte können Druckfarbe aufnehmen, wenn man die gesamte Platte einfärbt und mit einem Lappen oder ähnlichem die auf der glatten, unverletzten Oberfläche stehende Farbe wieder abwischt. Durch Aufpressen eines angefeuchteten Papiers wird die Farbe aus den Vertiefungen und Rillen wieder herausgesogen und erscheint auf dem Druckpapier. Im Gegensatz zu den Hochdruckverfahren setzt der Tiefdruck die Benutzung einer Walzendruckpresse voraus. In der Regel ist die Druckplatte ca. 1–2 mm dick.
Für die Radierung sind alle glatten Materialien geeignet, die verletzbar sind und mit meist terpentin- oder wasserlöslicher Farbe keine feste Verbindung eingehen:
Die Druckplatten bestehen überwiegend aus Kupfer, oft auch aus Zink oder Messing. Eisenradierungen wurden in den Anfängen der Technik hergestellt, sind jedoch heute kaum noch gebräuchlich. Es werden auch andere Materialien wie Kunststoff als Ausgangsmaterial für Radierungen verwendet. Moderne Methoden des Non-toxic-printing verwenden vorbeschichtete Platten, die mit einer lichtempfindlichen Photopolymerschicht überzogen sind. Dabei muss die Platte selbst nicht mehr geätzt werden. Es kann direkt von der Beschichtung gedruckt werden. Die werden auch in den photographischen Edeldruckverfahren verwendet.
[Bearbeiten] Farbradierung
Heute üblich sind Farbradierungen. Hierbei unterscheidet man folgende Varianten:
- Colorierte Radierung
- Radierungen, die in einer (Grund-)Farbe gedruckt sind, werden nachträglich mit Aquarellfarbe oder Buntstiften coloriert.
- Farbradierung von einer Platte
- In der einfachen Variante wird die Druckplatte mit verschiedenen Farben eingefärbt. Naturgemäß ist das aber schwierig zu steuern und es ist so kaum möglich einen einheitlichen Auflagendruck (eine bestimmte und garantierte Anzahl identischer Exemplare) durchzuführen. Stanley William Hayter hat mit anderen Künstlern im "Atelier 17" in Paris eine spezielle Technik der Farbradierung entwickelt, die auf der Abstoßung fetthaltiger und wasserlöslicher Farbe beruht, wodurch wiederholbare Mehrfarbdrucke von einer Platte (einem Druckstock) möglich sind.
- Mehrplattenfarbradierung
- Eine präzise Steuerung erlaubt der Druck von mehreren Druckplatten. Von der ersten Druckplatte wird das Motiv auf weitere, gleich große Platten übertragen, die dann andere Farben tragen. Dies gelingt durch verschiedene Pausverfahren oder indem man beim Übertragen das Bütten (Druckpapier) noch unter der Walze der Druckpresse lässt, die bereits gedruckte Druckplatte gegen eine unbenutzte tauscht und den Druckvorgang wiederholt. Hierbei bildet sich das Druckbild auf der unbedruckten Platte ab. Der Druck der Mehrplatten-Farbradierung erfolgt dann in der Reihenfolge von der hellen zur dunklen Farbe.
- Druck auf farbiges Papier
- Indem mit weißer Farbe auf blaues, schwarzes oder bräunliches Papier gedruckt wurde, ahmten die Künstler Kreide-, Silberstift- und Rötelzeichnungen nach.
- Montagedruck
- Wird die Druckplatte mit der Dekupiersäge in verschiedene Teile zerlegt, können diese jeweils separat eingefärbt werden. Anschließend werden sie auf dem Drucktisch der Presse nebeneinander gelegt und gedruckt.
- Kombinationsdruck
- Durch die Kombination verschiedener Drucktechniken (Hochdruck/Tiefdruck) oder durch Einkleben von farbigem Papier bzw. Metallfolie sind ebenfalls wiederholbare Farbvarianten möglich.
[Bearbeiten] Geschichte der Radierung
Die Technik der Radierung entwickelte sich im 16. Jahrhundert aus dem Kupferstich. Die ersten Radierungen tauchen im Jahre 1515 auf, siehe dazu auch Geschichte der Graphik. Die Entstehung von Drucken und somit auch von Ätzradierungen hängt eng von der Möglichkeit ab, Papier herzustellen. Zeitgleich mit der Entstehung der Papiermühlen im 15. Jahrhundert, tauchten die ersten „Drucke“ auf, welche vor allem Waffenschmiede und Goldschmiede herstellten, indem sie Ruß in die Vertiefungen ihrer Verzierungen rieben und Abdrücke nahmen. Wahrscheinlich diente dies der Reproduzierbarkeit und Dokumentation.
Aus dem Jahr 1515 ist die erste Eisenätzradierung bekannt, ebenfalls aus dem Bereich der Waffenschmiedekunst, diese Technik setzte sich aber nicht durch, weil Eisen schnell Flugrost ansetzt. Anfang des 16. Jahrhunderts stellte Hercules Pieterszoon Seghers (Niederlande) erste Ätzungen in Kupferplatten her. Als frühe Künstler, die sich dieses Verfahrens bedienten, seien Urs Graf (Schweiz) und Daniel Hopfer (Augsburg) genannt. Im 16. Jahrhundert diente die Kupferradierung vor allem als „billige Reproduktionstechnik“ so stellten diverse Künstler "Reproduktöre" ein, welche Kupferradierungen von ihren Kunstwerken herstellten. Diese Drucke wurden in ganz Europa verteilt, um Werbung für die eigene Werkstatt zu machen. Eine erwähnenswerte Nebenwirkung dieser Entwicklung ist, dass sich dadurch Stilentwicklungen viel schneller (in Europa) verbreiteten.
Erst im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Kupferradierung als eigenständiges künstlerisches Ausdrucksmittel von Künstlern wie Rembrandt, Goya, Lorrain und Tiepolo verwendet. Damit zusammen hängt mit Sicherheit auch die Entwicklung der Technik der Flächenätzung (Aquatinta), welche die Möglichkeit eröffnete, Flächen mit gleichmäßigen Grauwerten herzustellen.

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts verloren Radierung und Kupferstich schlagartig ihre Bedeutung durch die Erfindung der Lithographie, Cliché und Autotypie, die erst den Druck hoher Auflagen in den Massenblättern ermöglichten. Erst durch den Zylinderrotationstiefdruck, der Millionenauflagen in höchster Farbbrillianz ermöglicht, kamen Kupferstich und Radierung - wenn auch hochtechnisiert - wieder in massenhafte Anwendung. Die Mehrzahl der hochwertigen Modezeitschriften wird heute im Rotationstiefdruck hergestellt, wobei die 4-Farbseparation im Unbuntaufbau sparsamen Farbauftrag mit höchster Farbtreue und Brillianz verbindet. Die Walzen werden dabei entweder computergesteuert graviert (wie vormals im Kupferstich), fotochemisch geätzt (wie in der Radierung) oder galvanochemisch vertieft.
Von der Bürde der Reproduktionstechnik befreit, entwickelte sich die Radierung zu einem eigenständigen Zweig der künstlerischen Grafik. Künstler entdeckten den Reiz und die Möglichkeiten neu, mehrere Künstler des 19.Jahrhunderts wurden als "Peintre-graveur", als "Malerradierer" bezeichnet (siehe Literatur). Auch in unserer Zeit ist die Radierung - wie bereits zur Zeit Rembrandts - bei Sammlern als unabhängige Kunstform beliebt, da sie das Sammeln von Kunst zu erschwingliche(re)n Preisen ermöglicht. Die Auflagenhöhen schwanken zwischen einigen wenigen und mehreren tausend Abzügen, die durch die galvanische Verstahlung der Platte möglich sind.
- Technik stammt aus der Silber- und Waffenschmiedekunst: Verzierungen wurden auf andere Objekte übertragen -> Ziselieren, Stahlstich
- Frühform von „Masacchio“ um 1400
- Albrecht Dürer (1471 - 1528) war der Sohn eines Goldschmiedes und hat zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit eine kurze Goldschmiedelehre bei seinem Vater absolviert, bevor er 1486 beim Nürnberger Maler Michael Wolgemuth in die Lehre ging und eine Ausbildung als Maler, Zeichner und Grafiker erhielt; er vervollkommnet v.a. den Kupferstich, macht auch Versuche mit der Ätztechnik (Eisenradierungen) und Kaltnadel. Erste Eisenradierungen seit 1515 (Christus am Ölberg, Die Große Kanone...)
- Hercules Pietersz. Seghers, holländ. Maler und Grafiker: vielversprechende Arbeiten mit der Ätzung in Kupferplatten
- Hohe künstlerische Reife der Ätztechnik und der Kaltnadel durch Rembrandt van Rijn; interessant auch hier die künstlerische Nutzung der Plattenzustände als "work in progress"
- Ende des 18. Jhdts kommt die Aquatinta auf; Francisco de Goya schuf mit dieser Technik die Radierzyklen Los Caprichos und Desastres de la Guerra (die Schrecknisse des Krieges)
- mit dem Aufkommen der Lithografie verlieren die Radierung und der Kupferstich ihre Bedeutung als künstlerische Reproduktionstechniken, private (bürgerliche) Sammler entdecken die Arbeiten als erschwingliche Möglichkeit Kunst zu sammeln
- bedeutende (halbwegs) zeitgenössische Künstler der Radierung: Picasso, Emil Schumacher, Georg Harms-Rüstringen, A. Paul Weber, Andreas Vietz, Jutta Vollmer, Anja Klafki, James Coignard, Paul Eliasberg, Marc Chagall, Heinrich Wolff (1875 - 1940), Udo Nolte
- Künstler, die neue Techniken und Ausdrucksformen der Radierung entwickelten waren Horst Janssen, Friedrich_Meckseper, Johnny Friedländer, Joan Miró, Stanley William Hayter, Rolf Nesch u.a.
[Bearbeiten] Radierung und Kupferstich
Wie die Radierung zählt auch der Kupferstich zu den Tiefdruckverfahren. Während beim Kupferstich durch das scharfe Einschneiden sehr exakte klare Ränder erzielt werden können, greift die Säure beim Ätzvorgang der Radierung das Metall ungleichmäßig an. Sie dringt, wenn auch nur sehr geringfügig auch unter die Ränder der Deckschicht ein. Dadurch entsteht die etwas körnig wirkende Linie.
Ein weiterer Unterschied zwischen Kupferstich und Radierung liegt in der Möglichkeit der Linienführung. Während bei der Radierung mit der Nadel so frei wie mit einem Bleistift gearbeitet werden kann und damit eine unmittelbare, spontane Zeichnung möglich ist, ist die Schnittführung des Kupferstichs auf gerade oder kurvige Linien beschränkt, die entweder in parallelen Zügen oder in Kreuzlagen geführt werden. Die Linienführung ist durch die unterschiedlichen Werkzeuge bedingt. Die Kaltnadel- und Ätzradierung verwendet eine Stahlnadel, die frei wie ein Zeichenstift über die Platte gezogen wird, während der Kupferstich einen Stichel verwendet, der vom Körper weg geschoben wird und das Material aus der Platte schiebt, schneidet bzw. „sticht“.
Die Unterscheidung zum Kupferstich kommt so vorrangig aufgrund der unterschiedlichen Technik zustande. Der Kupferstich wurde - wie die technisch weniger zeitaufwändige Radierung - als „billige“ Reproduktionstechnik, die hohe Auflagen erlaubte, bereits im 16. Jahrhundert verwendet. Weil der Radierung die „Kälte“ des Kupferstiches fehlt, wurde diese zunehmend als eigenständige und ursprüngliche Ausdrucksform von Sammlern des zu Wohlstand gekommenen Bürgertums im 17./18. Jahrhundert sehr geschätzt. Besonders Rembrandt bediente diesen „Markt“ derer, die sich seine Ölgemälde nicht leisten konnten zunächst mit Reproduktionen, aber sehr bald auch mit eigenständigen radierten Werken, deren Formate oft nur die Größe einer halben Postkarte besitzen.
Die manuellen Verfahren sind - bedingt durch die zeit- und arbeitsintensiven Arbeitsabläufe - heute eine eher elitäre grafische Technik, die wegen ihrer eigenständigen grafischen Wirkungen und der Möglichkeit kostengünstiger Kleinauflagen von vielen Künstlern praktiziert wird.
[Bearbeiten] Literatur
- Walter Koschatzky; Die Kunst der Graphik, München: DTV 1985, ISBN 3-423028688
- Lothar Lang; Der Graphiksammler, Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin, 1983, ISBN 3-776203951
- Wolfgang Autenrieth: Techniken der Radierung und der Edeldruckverfahren - Vom "Hexenmehl und Drachenblut" zur Fotopolymerschicht - Tipps, Tricks, Rezepte und Anleitungen. Ein Werkstattbuch. Eigenverlag. ISBN 3-00-016757-9 (Auszüge, links auf PDF)
- Andreas Andresen: Die deutschen Malerradierer des 19. Jahrhunderts. Bd. 1-4, Leipzig 1866-70. Fortgesetzt von Wessely
- Volker Steinbacher: Workshop Radierung, Gravieren, Drucken, Kolorieren. Wiesbaden 2006, ISBN 3-8241-1337-6