Schachtürke
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Schachtürke ist die umgangssprachliche Bezeichnung für einen vermeintlichen Schachroboter, der 1769 von dem ungarischen Mechaniker Wolfgang von Kempelen konstruiert und gebaut wurde. Der Erbauer dieser Maschine, in der sich ein versteckter Mensch befand, gaukelte den Schachspielern und Zuschauern damit vor, dass dieses Gerät selbständig Schach spielen kann.
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[Bearbeiten] Geschichte
Die Schachmaschine bestand aus einer in türkische Tracht gekleideten Figur eines Mannes, der vor einem Tisch mit Schachbrett saß. Die Figur hat mit den bekanntesten Schachspielern der damaligen Zeit gespielt und meistens gewonnen. Der Türke begann immer die Partie, hob den linken Arm, bewegte die Schachfigur und legte den Arm dann wieder auf ein Polster zurück. Bei jedem Zug des Gegners blickte er auf dem Brett umher. War der Zug falsch, schüttelte er den Kopf und korrigierte die Position der Figur. Beim Schach der Dame nickte er zweimal, beim Schach des Königs dreimal mit dem Kopf. Alle Bewegungen waren von einem Geräusch ähnlich dem eines ablaufenden Uhrwerks begleitet. Kempelen, der Erfinder, der jedem, der es sehen wollte, das Innere der Maschine und ihre Mechanik gerne zeigte, stand während des Spiels etwas abseits und blickte in einen kleinen Kasten, der auf einem Tisch stand.
Diese Schachmaschine erregte zur damaligen Zeit großes Aufsehen, da sie der erste Automat war, der Schach spielen konnte. Ihr Erfinder Kempelen konnte sich der vielen Besucher nur erwehren, indem er später verkündete, er habe die Maschine zerstört.
[Bearbeiten] Aufdeckung des Betruges
Nach einigen Jahren führte er die Maschine aber in Wien Kaiser Joseph und dem Großfürsten Paul von Russland vor. Zwischen 1783 und 1785 unternahm er aufsehenerregende Reisen nach Paris, London und verschiedene deutsche Städte. In Paris verlor der "Türke" eine Partie gegen André Danican Philidor, den damals weltbesten Spieler. Wie aus einem Artikel im Journal des Savants (September 1783) hervorgeht, versuchten mehrere Wissenschaftler der Académie française erfolglos, die Funktionsweise der Maschine zu ergründen. In Berlin soll der "Türke" 1785 angeblich eine Partie gegen Friedrich den Großen gespielt und ihn besiegt haben. Friedrich soll Kempelen für die Aufdeckung des Geheimnisses eine große Geldsumme geboten haben und, nachdem das geschehen war, außerordentlich enttäuscht gewesen sein. Seitdem soll der "Türke" unbeachtet in einer Abstellkammer im Potsdamer Schloss gestanden haben, bis Napoleon 1806 dorthin kam und sich seiner erinnerte. Auch er spielte gegen den Automaten und verlor (siehe Napoleons Angriff). Diese Version der Geschichte beruht auf einem Artikel, der 1834 in der Zeitschrift Magazine pittoresque erschien und als Basis für weitere Artikel in Le Palamède 1836 und Fraser's magazine 1839 diente, nach heutigem Stand der Forschung jedoch für unzutreffend gehalten wird. In Wirklichkeit fand die Partie gegen Napoleon sehr wahrscheinlich 1809 auf Schloss Schönbrunn in Wien statt.
Später kam der Automat in den Besitz des Wiener Mechanikers Johann Nepomuk Mälzel, der sie nach dem Tod Kempelens dessen Sohn abkaufte und größere Reisen damit unternahm. Er gelangte 1819 nach London und 1820 in die USA.
In London wies Robert Willis aufgrund von Zeichnungen zuerst nach, dass in dem Automaten ein Mensch versteckt sein könne. Seine Entdeckung beschrieb er in dem Artikel „The attempt to analyse the automaton chess player“ im The Edinburgh Philosophical Journal. Aber erst 1838 teilte Thournay in der Revue mensuelle des echécs, Bd. 1, mit, dass wirklich Menschen darin versteckt gewesen sind. Wer diese Helfer Kempelens gewesen sind, ist bis heute nicht bekannt. Mälzel hatte zu diesem Zweck den Deutschen Johann Baptist Allgaier, in Paris die Franzosen Boncourt und Jacques François Mouret, in London den Schotten William Lewis und später den Elsässer Wilhelm Schlumberger angenommen.
Auch der amerikanische Schriftsteller Edgar Allan Poe analysierte das Geheimnis des Automaten und veröffentlichte eine mögliche Lösung in seinem Essay „Maelzel's chess player“.
Andere Quellen berichten, dass das Geheimnis erstmals gelüftet wurde, als bei einer Vorführung auf einem Jahrmarkt ein Zuschauer „Feuer, Feuer“ rief. Mälzel öffnete daraufhin den Kasten, um den Spieler herauszulassen.
[Bearbeiten] Verbleib des Schachtürken
Nach dem Tod von Johann Nepomuk Mälzel gelangte der Schachtürke über einen Zwischenhändler in den Besitz des schachbegeisterten Physikers John K. Mitchell. Dieser schenkte den Automaten, nach einigen privaten Vorführungen, im Jahr 1840 dem Peale's Museum in Philadelphia. Nach vierzehn Jahren als Ausstellungsstück verbrannte der türkische Schachspieler am 5. Juli 1854 bei einem Feuer im Museum.
Von Walter Benjamin wird der Schachtürke in seinen Thesen zur Geschichte als Allegorie auf das Verhältnis zwischen Marxismus und Theologie genommen: (...) Gewinnen soll immer die Puppe, die man "historischen Materialismus" nennt. Sie kann es ohne weiteres mit jedem aufnehmen, wenn sie die Theologie in ihren Dienst nimmt, die heute bekanntlich klein und häßlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen (Gesammelte Schriften I.2, S.693).
Eine der etymologischen Herleitungen des Ausdrucks „etwas türken“ oder „einen Türken bauen“ im Sinne von „etwas nur vorspiegeln“, „etwas fingieren“ bezieht sich auf den Schachtürken.
[Bearbeiten] Nachbauten
[Bearbeiten] Ajeeb
Eine Kopie des „Türken“ wurde zwischen 1865 und 1868 von Charles Hooper (1825-1900) aus Bristol gebaut und erhielt den Namen Ajeeb. Das Gerät wurde zunächst bis 1876 in London gezeigt und gelangte 1885 in die USA. Dort wurde es im New Yorker Eden Museum ausgestellt und war eine Publikumsattraktion. Zu seinen Bedienern bei Vorführungen zählten einige der besten Spieler des Landes, darunter auch Harry Nelson Pillsbury und Constant F. Burille. 1929 wurde es durch einen Brand zerstört.
[Bearbeiten] Mephisto
Der Fabrikant Charles Godfrey Gümpel baute 1878 den Mephisto. Dieser Automat wurde u.a. von Isidor Gunsberg und Jean Taubenhaus bedient.
[Bearbeiten] Weblinks
- Meldung über eine Rekonstruktion
- Bilder der Rekonstruktion im Heinz Nixdorf MuseumsForum
- Abhandlung über das Gerät
- Denk, Maschine!
- Wortbedeutung "türken"
- Schachcomputer Geschichte
- Der erste Schachcomputer war keiner
- Maelzels Schachspieler von Edgar Allan Poe
[Bearbeiten] Literatur
- Biester, J.E.: Schreiben über die Kempelischen Schachspiel- und Redemaschinen. In: Berlinische Monatschrift (1783-1811). Jg. 1784 , S.495 - 514
- Robert Löhr: Der Schachautomat. Historischer Roman, Piper, München 2004, ISBN 3-492-04796-3
- Marion Faber (Hrsg.): Der Schachautomat des Baron von Kempelen, Harenberg, Dortmund 1983, ISBN 3-88379-367-1 (Repr. d. Ausg. "Über den Schachspieler des Herrn von Kempelen" von Joseph F. zu Racknitz)
- Brigitte Felderer, Ernst Strouhal: Kempelen - Zwei Maschinen. Texte, Bilder und Modelle zur Sprechmaschine und zum schachspielenden Androiden Wolfgang von Kempelens, Sonderzahl Verlag, Wien 2004, ISBN 3-85449-209-X
- Karl F. Hindenburg: Über den Schachspieler des Herrn von Kempelen. Nebst einer Abbildung und Beschreibung seiner Sprechmaschine, Müller, Leipzig 1784
- Gerald M. Levitt: The Turk, chess automaton, McFarland, Jefferson, N.C. 2000, ISBN 0-7864-0778-6
- Joseph F. zu Racknitz: Über den Schachspieler des Herrn von Kempelen und dessen Nachbildung, Breitkopf, Leipzig 1789
- Tom Standage: Der Türke. Die Geschichte des ersten Schachautomaten und seiner Abenteuerlichen Reise um die Welt, BVT-Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-8333-0317-4
- Robert Willis: An attempt to analyse the automation chess player of Mr. Kempelen, Booth, London 1821
- Karl G. von Windisch: Briefe über den Schachspieler des Herrn von Kempelen, nebst drey Kupferstichen die diese berühmte Maschine vorstellen, Mechel, Basel 1783